Die Inquisitorin
Die Inquisitorin
von Uwe Voehl
HEXENHAMMER
Malleus maleficarum
Band 1
© Zaubermond Verlag 2019
© "Hexenhammer"
by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Titelbild: Mark Freier
E-Book-Erstellung: Die eBook-Manufaktur
www.Zaubermond.de
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Die Inquisitorin Die Inquisitorin
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Asmodi unser in der Hölle, geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie in der Nacht, so auch am Tage.
Unser trocken Brot gib uns heute.
Und bestrafe uns für unsere Schuld, so wie wir bald strafen unsere Schuldiger.
Und führe uns in Versuchung, so wie du führest uns zu dem Bösen!
Denn dein ist die Welt und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit!
Nema .
Vergangenheit
Anno Domini 1485
Letzte Nacht habe ich den Teufel erneut angerufen. Es war noch nicht lange her, dass wir uns gegenüberstanden, und Asmodi erkannte mich sofort wieder. Er erschien in der Gestalt des Papstes Sixtus IV., der erst im August letzten Jahres gestorben war. Natürlich machte sich Asmodi einen Spaß daraus, ihn noch nach dem Tode zu verhöhnen, indem er statt einer Krone zwei Bockshörner zur Schau trug, die ihm aus der Stirn erwuchsen. Auch war das goldene Kreuz, das er an einer Kette um den Hals trug, ein auf den Kopf gestelltes. Zu guter Letzt trug er in der linken Armbeuge einen toten Knaben mit einer roten Kardinalsmütze auf dem Kopf – sicherlich ein Hinweis darauf, dass dem Papst nachgesagt worden war, seine Lustknaben zu Kardinälen zu erheben.
Voller Hass starrte ich Asmodi an. Mich konnte er mit seinem Auftritt nicht mehr schockieren. Dazu hatte ich mich durch mein Tun selbst zu weit vom ehrenhaften Pfad entfernt. Wäre er ein normaler Mensch gewesen, ich wäre ihm an die Gurgel gesprungen und hätte ihn auf der Stelle erwürgt. Er hatte mein Leben zerstört, indem er meine Familie getötet und mir meine geliebte Frau und meine nicht minder geliebten Kinder genommen hatte … Erhofft hatte ich mir das ewige Leben. Bekommen hatte ich ewiges Leid.
Meine Wut war Labsal auf seiner schwarzen Seele, denn der Fürst der Finsternis grinste mich an, während er um den Bannkreis, den ich zu meinem Schutze gezogen hatte, herumtänzelte.
»Womit kann ich dir diesmal dienen?«, fragte er mit falscher Höflichkeit. »Reicht dir nicht das ewige Leben, das ich dir geschenkt habe? Dürstet dir nach Gold und Geschmeide? Nach schönen Frauen oder hübschen Knaben gar? Nach Prunk und Macht und …?«
»Schweig!«, fuhr ich ihn an. »Nichts hast du mir geschenkt. Für alles, was du mir gabst, habe ich mehr als genug bezahlt!«
Er lachte dröhnend. »Hast du dich nicht einen gelehrten Mann geschimpft? Hättest du die Schriften sorgfältig studiert, so hättest du gewusst, worauf du dich einlässt. Also, weshalb störst du mich diesmal, Baron Nicolas de Conde?«
Auch wenn er Eindruck zu schinden versuchte, wusste ich es doch besser. Indem ich ihn herbeizitiert hatte, war er in meiner Gewalt – nicht umgekehrt. Und doch fühlte ich keinen Triumph, wusste ich doch nur zu gut, dass das, was ich von ihm begehrte, mich erneut in seine Fänge trieb. Und auch er wusste es. Denn wer den Teufel herbeiruft, tut dies nicht ohne triftigen Grund. Und mag sein Begehren aus noch so reinem Herzen kommen, so weiß der Teufel es doch zu vergiften. Gewiss, der freie Menschenwille neigt zum Guten wie zum Bösen, aber um zum sündigen Handeln zu schreiten, ist es nötig, dass er von etwas zum Bösen bestimmt werde. Und wer ist dafür besser geschaffen als der Teufel selbst? Insofern, so er sich mit dem Teufel und seinen Heerscharen einlässt, ist der Mensch stets der Verlierer.
Und wieder stellte ich mir die Frage: Hatte ich nicht schon genug verloren?
»Ich will meine Familie wiederhaben. Meine Frau und meine Kinder will ich wieder in die Arme schließen.« Es fiel mir schwer, bei der Nennung des Wunsches nicht laut aufzuschluchzen, sondern ihn mit fester Stimme vorzutragen. War es Asmodis Tun oder meine eigenen schrecklichen Erinnerungen, dass ich mein schlimmstes Verbrechen wieder vor Augen sah?
Ich sah mich selbst auf dem Eulenberg inmitten eines Schwarzen Sabbats, umgeben von Hexen und anderen schauerlichen Gestalten. Ich sah Asmodi, wie er vor mir stand und forderte: »Wirst du deine Frau und die Kinder deines eigenen Fleisches und Blutes verstoßen und die aus der Schwarzen Familie als deine Brüder und Schwestern anerkennen?« Und ich hörte mich sagen, wenngleich mit einem Kloß im Hals: »Das will ich tun«, und wie damals spürte ich die Schmach und die Schande nach all den Abscheulichkeiten, nach den erlittenen Demütigungen und ungeheuerlichen Exzessen, die mich erneut schier zu überschwemmen drohten.
Doch diese Erinnerungen währten nur Sekunden, dann schob ich sie wie einen Vorhang zur Seite. Ich klammerte mich an die Erkenntnis, die ich ebenfalls anlässlich des Schwarzen Sabbats auf dem Eulenberg gewonnen hatte: Ja, ich hatte mir dort oben den Tod gewünscht, aber ich hatte auch erkannt, dass ich mich nie zum Bösen bekennen und nie ein vollwertiges Mitglied der Schwarzen Familie werden würde. Dieser Gedanke gab mir überhaupt erst die Kraft und die Zuversicht, Asmodi erneut zu beschwören, und darauf zu hoffen, dass es diesmal besser für mich ausgehen würde. Allein schon deshalb, weil ich ja nun seine Hinterlist und Tücke kannte und auf der Hut war.
Als ich mein Begehren geäußert hatte, verspottete er mich nicht. Vielmehr schien er einen Moment lang überrascht und schließlich gar irritiert bis ratlos. Am Ende schüttelte er das gehörnte Haupt. »Das ist unmöglich! Mag ich noch so mächtig sein, so ist ein Pakt ein Pakt und nicht mehr rückgängig zu machen. Das hättest du dir überlegen müssen, als du mich das erste Mal gerufen hast.«
»Dann schließen wir eben einen neuen Pakt, der den alten ungültig macht!«, beharrte ich.
»Jeder Mensch besitzt nur eine Seele, das macht sie so wertvoll, und die deine hast du mir schon verkauft.«
»Dann nimm mein Leben, es ist eh nichts mehr wert!«
»Eben! Was soll es dann mir bedeuten?«
Verzweiflung ergriff mich, zeigte sich doch, dass ich dem Teufel tatsächlich meinen für ihn wertvollsten Besitz bereits überschrieben hatte. »Nimm mein Schloss und mein Gut! Meine Reichtümer und meinen ganzen Besitz!«
»Nichts wert, nichts wert«, meckerte er, wobei die Worte nicht aus seinem Munde drangen, sondern aus dem des toten Knaben auf seinem Arm. Entsetzt schaute ich auf das Kind, dessen blutige Lippen sich zu einem bösartigen Grinsen verzogen, während in der Tiefe der pechschwarzen Augäpfel das Höllenfeuer aufloderte – als würde man in einen finsteren See blicken, auf dessen Grund blutrote Lava ausbricht.
Seit meinen schrecklichen Erlebnissen auf dem Eulenberg war ich einiges gewohnt, und auch Asmodi selbst war zum Fürchten, doch beim Anblick des untoten Teufelskindes gefror mir das Blut in den Adern.
»Es sei denn …«, sinnierte Asmodi und machte eine Pause, um mich zu quälen.
»Es sei denn, was?«, drängte ich ihn. »Sprich rasch, sonst greife ich zu anderen Mitteln!«
Diesmal quoll meckerndes Lachen gleich aus zwei Mündern – aus Asmodis Maul und dem des Knaben. Zudem hallte es nun schaurig von den steinernen Wänden wider, sodass ich bald meinte, hundert Gelächter gleichzeitig würden meine Ohren malträtieren. Ich hielt sie mir zu, doch es wurde lauter und lauter, bis ich glaubte, ich befände mich statt in meinem Schloss nahe Nancy in der ehrwürdigen Kathedrale von Notre Dame unterhalb der größten Glocke im Nordturm, die den Namen des Erzengels Gabriel trägt, und die Trommelfelle würden mir platzen.
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