Wir waren durch die Veranda in ein Vorzimmer gelangt, dessen Wände die Decke nicht erreichten, sondern nur bis etwas über Mannshöhe emporgingen, um der Luft den freien Zustrich zu gestatten. Man findet diese dem Klima angemessene Bauart fast an jedem Haus von Point de Galle. Hier saßen auf Bastmatten zwei Diener, die sich erhoben und die schon vorher an uns gerichtete Frage wiederholten.
„Ihr wollt zum großen Mudellier?“
„Ja.“
„Er ist am Abend nicht zu sprechen. Wer hat euch eingelassen?“
„Wir selbst, wenn’s euch beliebt.“
„Geht und kommt morgen wieder!“
„Das wird sich nicht gut machen, meine Jungens.“
Raffley schritt ohne Umstände auf den Eingang des nächsten Zimmers zu, doch stellten sich ihm die beiden Männer sofort entgegen.
„Halt! Der Eintritt ist verboten. Geht zurück!“
„Well! Und dann wieder vorwärts. Kommt her, Jungens!“
Er fasste den einen mit dem rechten und den anderen mit dem linken Arm, trug sie zum Eingang zurück und schleuderte sie hinaus unter die anderen, denen ihre bereits erschütterte Fassung jetzt vollends verloren ging. Ein fürchterliches Geschrei war die Folge des ungewöhnlichen Angriffs, Raffley aber blieb von dem Lärm unberührt. Er schob seinen Klemmer zurück und fasste mich am Arm.
„Kommt, Charley, sonst verkriecht sich dieser Mudellier und denkt, dass er auch hinausgeworfen werden soll.“
Wir traten in das nächstfolgende Gemach. Es war aus Bambuswänden gefertigt, die eine Bekleidung von Bananenblättern trugen. Von der Mitte des deckenlosen Raums hing an einer Kreuzschnur eine Lampe hernieder, die ihren matten Schein über einen kostbaren persischen Teppich breitete, auf dem der, nach dem wir suchten, mit untergeschlagenen Beinen in der Stellung saß, die der Türke Rahat atturmak, d. i. Ruhe der Glieder, nennt. Der kleine, schmächtige Beamte war in gelbe Seide gehüllt, und seine groß auf uns gerichteten Augen, seine halb geöffneten Lippen und der erstaunte, ängstliche Ausdruck seines Gesichts bewiesen, dass er den von uns verursachten Lärm vernommen hatte und unseren Eintritt keineswegs als ein gleichgültiges Ereignis betrachtete.
„Good day, Sir!“, grüßte John Raffley englisch, obgleich er wusste, hier einen Eingeborenen vor sich zu haben.
Dieser erwiderte den Gruß und auch meine stumme Verneigung mit einem leisen Nicken seines Haupts und fragte dann:
„Was wollt ihr?“
„Uns setzen!“, bemerkte der Englishman einfach, indem er sich sofort zur rechten Seite des Mudellier niederließ und mir einen Wink gab, dasselbe auch auf der linken zu tun. Ich folgte seinem Beispiel, dann fuhr er fort: „Du bist der weise Mudellier, der Gericht hält über die Sünden der Stadt Point de Galle?“
„Ja.“
„Wie ist dein Name?“
„Meine Name ist Oriwana ono Javombo.“
„Well, du hast einen stolzen und wohlklingenden Namen. Aber ich sage dir, Oriwana ono Javombo, dass du nicht lange mehr Mudellier sein wirst.“
Der Beamte horchte auf.
„Was sagst du? Ich verstehe dich nicht.“
„Sag, wem gehört diese Insel?“
„Der großen Königin in Anglistan.“
„Und wer hat dir dein Amt gegeben?“
„Der Gouverneur, der ein Diener unserer mächtigen Herrscherin ist.“
„Er kann es dir auch wieder nehmen?“
„Ja, wenn es ihm beliebt.“
„Nun wohl, es wird ihm belieben.“
„Warum?“
„Weil du dich versündigst an dem Eigentum derer, die über dich zu gebieten haben.“
„Hüte dich, Franke! Dein Mund redet die Unwahrheit von einem treuen Sohn der großen Königin.“
„Kennst du den Namen Kaladi?“
„Ich kenne ihn. Kaladi ist zweimal entsprungen, um dem Tod zu entgehen, doch meine Leute sind hinter ihm und werden ihn wiederbringen.“
„Welches Recht hast du, ihn zu verfolgen?“
„Er hat einen Menschen getötet.“
„Er hat bloß einen nichtswürdigen Chinesen getötet. Kanntest du den Toten?“
„Es war ein Mann von der Dschunke Haiang-dze. Er hatte die Verlobte Kaladis angerührt und dieser stach ihn nieder. Der Kapitän der Dschunke kam zu mir und verlangte Gerechtigkeit.“
„Hast du sie ihm gegeben?“
„Ich werde sie ihm geben, sobald Kaladi wieder vor mir steht.“
„Well, das ist es ja, was ich meine: Du versündigst dich an meinem Eigentum. Kaladi gehört nicht dir, denn er ist mein Diener.“
„Ah! So bist du der Engländer, der ihm behilflich gewesen war, zu entkommen?“
„Der bin ich.“
„So hab’ ich auf dich gewartet. Ich muss dich bestrafen, wenn du mir nicht beweisen kannst, dass Kaladi wirklich dein Diener gewesen ist in dem Augenblick, als er vom Felsen floh.“
Raffley lächelte. Der Klemmer rutschte ihm auf die Nasenspitze. Er griff in die Tasche und zog seine Drehpistolen hervor.
„Ich sage, Kaladi war mein Diener. Glaubst du es?“
„Beweise es!“
„Du glaubst es also nicht! Well, so werde ich als Gentleman mit dir reden! Weißt du, was ein Gentleman ist?“
„Sag mir’s!“
„Ein Mann, der sich mit jedem schießt, der ihm keinen Glauben schenkt. Hier, nimm diese Pistole. Ich zähle bis drei, dann schieß’ ich, und du tust’s natürlich auch. Vorwärts! Eins – zwei – – – dr...“
„Halt! Ich weiß ja nicht, wie ich dieses fürchterliche Ding anzufassen habe!“, rief der Mudellier, vor Angst kerzengerade emporspringend.
„Was hab’ ich dir getan, dass du mich morden willst?“
„Du hast nicht geglaubt, was ich dir mitteilte, und darum muss einer von uns beiden sterben. Dann bin ich befriedigt und werde ruhig nach Haus gehen.“
„Ich glaube ja, was du sagtest! Hier hast du die Waffe zurück.“
„Du glaubt, dass Kaladi mein Diener ist?“
„Ich glaube es, ich weiß es gewiss.“
„Well, warum verfolgst du ihn dann?“
„Ich werde sofort Boten aussenden, die Verfolger zurückzurufen, damit ihm kein Leid geschieht.“
„Das hast du nicht nötig. Er befindet sich bereits bei mir in Sicherheit.“
„Wo wohnst du?“
„Im Hotel Madras.“
„Und wie ist dein Name?“
„John Raffley.“
„John Raffley, der Neffe des Generalstatthalters?“, rief der Mudellier höchst überrascht.
„All right, der bin ich.“
„Ich habe dich gesucht, doch nicht gefunden.“
„Warum?“
„Ich habe einen Brief an dich abzugeben vom Statthalter von Kandy. Er schrieb mir, dass du kommen würdest.“
„Ich bin leider im Hotel und nicht im Regierungsgebäude abgestiegen. Das ist der Grund, warum du mich nicht fandest.“
Der Lord öffnete das Schreiben und überflog es.
Am Schluss ging ein so vergnügtes Lächeln über sein Gesicht, dass der dünne Mund von einem Ohr bis zum anderen gezogen wurde und der Klemmer in die höchste Gefahr kam, von der Nasenspitze herabzuspringen.
„Charley!“
„Sir Raffley!“
„Habt Ihr einmal einen Elefanten gesehen?“
„Einen wievielbeinigen?“
Er lachte vergnügt über meine Zurechtweisung.
„Aber noch keinen gejagt?“
„O doch! Im Norden der Kalahari und auch anderswo, wenn es Euch gefällig ist, Sir John.“
„Damn! Ich dachte, Euch eine Freude zu machen, und sie fällt mir nun in den Brunnen. Ihr habt Elefanten mit der Büchse erlegt?“
„Allerdings.“
„Dann wird Euch eine Korraljagd kein Vergnügen bereiten?“
„Warum nicht? Ich bin noch nie bei einer solchen zugegen gewesen.“
„Well; ich habe hier vom Statthalter die Einladung zu einer Korraljagd. Ihr seid doch dabei?“
„Versteht sich.“
„Und auch du wirst mich begleiten?“, wandte er sich zum Mudellier.
Dieser verbeugte sich beinahe bis zum Boden herab.
„Du gibst mir große Ehre, o Maharadscha. Lass mir die Stunde sagen und ich werde zu deinem Gefolge gehören.“
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