Schneider und Aschenbrenner konnten noch absteigen …
… und haben überlebt.
Und wurden nachher furchtbar angegangen. Es wurde ein „Ehrengericht“ einberufen, weil sie angeblich die anderen im Stich gelassen hätten .
Das hat doch nichts mit Im-Stich-Lassen zu tun! Die anderen waren einfach nicht mehr fähig, einen Schritt zu tun. Die Alternative wäre gewesen, dass Schneider und Aschenbrenner sich hingesetzt hätten und mit ihnen gestorben wären. Aber zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen das Bergsteigen ins Politische umgemünzt wurde.
Peter Aschenbrenner war auch Hüttenwirt am Stripsenjochhaus .
Er war fast 20 Jahre Hüttenwirt auf der Strips, Mitte der Dreißiger- bis Anfang der Fünfzigerjahre. Sein Bruder Paul war auch ein guter Kletterer. In Anbetracht seines abenteuerlichen Lebens wurde der „Himalaja-Peter“ ziemlich alt.
Ja, er starb 1998, mit 95 .
Mir hat der Peter schon getaugt. Mir hat auch ein Anderl Heckmair getaugt. Das waren Burschen, die das Leben – wenn ich so sagen darf – in vollen Zügen genossen. Und die trotzdem, entweder weil sie so gesund waren oder weil sie so intensiv gelebt haben, lange unter uns waren. Der Anderl wurde 98. Der Harrer 93. Ernst Schmid war 96, Luis Trenker 97. Der Trenker war ja auch eine ganz interessante Person; er hat durch das Fernsehen vielen Menschen den Zugang zum Bergsteigen überhaupt erst ermöglicht. Er war nicht unbedingt ein Paradekletterer, aber er hat ein paar schöne Sachen gemacht. Vor allem seine Filme, wie er die dirigiert hat, wie er damals diesen Film am Matterhorn gemacht hat oder in Amerika den „Verlorenen Sohn“. Für ihn fing das alles im Gebirge an. Er war sich nie zu schade, über das Bergsteigen zu reden, und er stellte es immer positiv dar. Ich kannte den Luis, beim Reinhold habe ich ihn manchmal getroffen. Er mochte den Reinhold und kam öfter nach Villnöss. Anlässlich eines Treffens fragte ich ihn: Luis, kann ich nicht ein Autogramm von dir haben? Er gab mir dann eine Autogrammkarte. Er war ja ein schneidiger Mensch, sah immer gut aus. Hintendrauf schrieb er: „Für Peter, meinen Freund und Bruder. Mit lieben Grüßen – Dein Luis Trenker.“ Die habe ich heute noch. Ich habe sie immer in Ehren gehalten.
Peter Habeler und Luis Trenker bei einer Talkshow in Hamburg
Heinrich Harrer, Anderl Heckmair und Hias Rebitsch bei der Jubiläumsfeier zum 50. Jahrestag der Erstbesteigung der Eiger-Nordwand
Wie gut kanntest du Anderl Heckmair?
Den Anderl kannte ich sehr gut. Leider konnte ich nicht auf seine Beerdigung, da war ich in Nepal. Ich war ein paar Mal draußen bei ihm in Oberstdorf, zu Hause in seinem blauen Salon, da rauchte er, dass du nichts mehr gesehen hast. Auf dem Tisch stand auch immer ein bisschen was, er hatte die besten Schnäpse, und Whisky mochte er auch sehr gern. Er war immer sehr offen und hat gern erzählt.
Die letzten Jahre war das dann schon nicht mehr so. Aber da war er auch schon sehr alt .
Das war dann recht lustig, er wurde ja noch oft interviewt und sagte dann jeweils zur Trudl, die neben ihm saß: Trudl, erzähl du weiter, du weißt das besser. Und das machte sie dann auch, denn sie hatte ihn immer erzählen gehört und übernahm dann praktisch seine Rolle. Ich habe die Trudl länger nicht mehr gesehen, aber ich mag sie sehr. Sie kümmerte sich sehr um den Anderl, pflegte ihn. Wenn die Trudl nicht gewesen wäre, wäre der Anderl sicher nicht so alt geworden.
Ja, es war schön, sie als Paar zu erleben .
Der Anderl war schon in Ordnung. Er war wirklich fast ein Heiliger für uns. Toller Mann.
Habt ihr auch über die Vergangenheit gesprochen, über die politische Vereinnahmung nach der Erstbesteigung der Eiger-Nordwand?
Ja, natürlich. Über seine Zeit als Stammbergführer der Ordensburg, dann an der Ostfront, und wie er es glücklich schaffte, zurück an die Heereshochgebirgsschule in Fulpmes zu kommen und so den Krieg zu überleben. Ich habe mir dann auch die ehemalige Ordensburg angeschaut, in Sonthofen.
Wiggerl Vörg kam gleich 1941 an der Ostfront ums Leben, Fritz Kasparek 1954 beim Bergsteigen in Peru. Heinrich Harrer – was für ein Verhältnis hattest du zu ihm?
Auch ein sehr gutes. Natürlich, seine Verstrickung in den Nationalsozialismus ist nicht von der Hand zu weisen. Genauso, dass er sich immer gegen eine Aufarbeitung wehrte. Es ist mir aber zutiefst zuwider, wenn die Jungen heutzutage über jemanden schreiben und überhaupt keine Ahnung haben, was damals wirklich lief. Harrer war ja nicht nur beim Dalai-Lama, er machte diese ganzen Expeditionen, zum Amazonas, nach Neuguinea, wo er die Carstenszpyramide erstbestiegen hat, nach Borneo … Und er hat mit der „Weißen Spinne“ ein tolles Buch geschrieben. Das beste Buch, das über die Eiger-Nordwand geschrieben wurde. Das ist ein Klassiker, da kann man immer wieder reinschauen. Das muss ihm einmal einer nachmachen. Ich nehme an, er hat es selbst geschrieben.
Die erste Auflage erschien 1958, da könnte ihm theoretisch noch sein Freund Kurt Maix geholfen haben .
Das Buch, das Kurt Maix zusammen mit Hermann Buhl geschrieben hat, „Achttausend drüber und drunter“, das hat mir auch sehr gefallen. Das war eines jener Bücher, die mich motiviert haben, noch mehr zu machen. Wir konnten ja damals, Ende der Fünfzigerjahre, nicht ahnen, dass wir einmal in den Himalaja und in den Karakorum kommen würden. Der Kurt Maix hat das ganz hervorragend beschrieben, überhaupt nicht abgehoben. Einfach in der Wortwahl, einfach in der Schilderung, aber einfach hervorragend.
Es war wohl so, dass Buhl sein Manuskript selbst geschrieben hat; Maix hat es dann sehr stark überarbeitet .
Das kann schon sein. Buhl hatte eine schöne Schrift. Er konnte gut formulieren, das sieht man an den Tourenbüchern. Auf der Bayreuther Hütte gab es lange ein Tourenbuch, in das Hermann Buhl seine Routen selbst eingeschrieben hatte. Zum Beispiel das Buhldach an der Rofanspitze, 1947, mit dem Schindl Rudi. Wunderschön geschrieben. Das haben wir natürlich gelesen.
Du warst nicht ganz 15 Jahre alt, als Hermann Buhl an der Chogolisa abstürzte .
Was mir an ihm imponierte, war, dass er so gut klettern konnte – wie Rebitsch eben auch. Sie waren auch beide ein wenig Sonderlinge, darin waren sie sich ähnlich. Aber der Hermann hatte auch andere Seiten. Von Ernst Spieß, der in Mayrhofen die Skischule leitete und der für mich ein väterlicher Freund war, erfuhr ich, dass Buhl gern gesungen hat, er konnte auch Gitarre spielen und einen ganzen Saal unterhalten.
Bei Ernst Spieß hast du lange als Skilehrer gearbeitet .
Ja, vor allem hat er mich immer unterstützt. Er setzte mich schon mit 16 Jahren als Hilfsbergführer ein. Ein anderer hätte gesagt: Was, du Bürschl, du gehst mir nicht führen! Er hatte das Vertrauen in mich und ließ mich mit Toni Volgger oder Otto Geisler mitgehen. Er sagte: Peter, du machst das. Ich bekam natürlich weniger Geld, ich hatte ja auch noch keine Qualifikation. Aber ich habe ihn nie enttäuscht. Ich fand das super, dass er mir diese Arbeit ermöglicht hat. Nachdem Ernst die Skischule in Mayrhofen aufgebaut hatte, arbeiteten wir weiter gut zusammen. Er war eigentlich immer darauf bedacht, mich zu fördern. Er ließ mich zum Beispiel in der Wintersaison 1977/78, bevor wir zum Everest aufbrachen, bei voller Bezahlung trainieren.
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