KARIN STEINBACH und PETER HABELER
ANSTELLE EINES VORWORTS
Jeder hat seinen Achttausender
LAUSBUBEN AM EVEREST
Die erste Besteigung des höchsten Berges der Welt ohne künstlichen Sauerstoff
„Am Everest hatte ich mehr Angst als bei allen späteren Expeditionen“
HELDEN UND LEHRMEISTER
Die Ostwand der Rofanspitze mit Hias Rebitsch
„Du brauchst solche Leute, die mehr von dir halten, als du eigentlich kannst – dann wächst du über dich selbst hinaus“
ERFOLGE UND RÜCKSCHLÄGE AN DEN HOHEN BERGEN DER WELT
Sternstunde am Nanga Parbat
„Wenn wir Angst vor dem Tod hätten, würden wir nicht extreme Bergsteiger werden“
DIE SCHÖNSTEN BERGE STEHEN DAHEIM
Die Highlights des Zillertals
„Ich wollte einfach da hinauf“
DIE GÖTTIN DES TÜRKIS
Leicht und schnell im Alpinstil
„Das war ein ganz natürliches, logisches Verständnis zwischen uns“
DER BERGPROFESSOR
Vom Bergführer zum Unternehmer: Die Ski- und Alpinschule Mount Everest
„Das Schöne am Vermitteln des Bergsteigens ist, dass die Leute Freude am Berg haben“
WIE AUF EINER HIMMELSLEITER
Der Nordgrat des Kangchendzönga
„Du musst irgendwo das Letzte, das Äußerste, was du in dir hast, aktivieren“
ALLEIN IST ALLES ANDERS
Solo-Begehungen im Karwendel und im Wilden Kaiser
„Dass du nur auf dich selbst beschränkt bist, macht den Reiz aus, es intensiviert das Erlebnis“
GAUDI ODER PLAISIR – KLETTERN EINST UND JETZT
Frêneypfeiler und Grand Pilier d’Angle: Die großen Routen von Chamonix
„Bei uns war halt der Gipfel das Ziel“
MIT 75 JAHREN NOCH IMMER AKTIV
Lokaltermin in der Westwand der Maukspitze
„Die Freude ist weiterhin meine Triebfeder“
HERBERT WOOPEN
IN TIEFER VERBUNDENHEIT GEWIDMET
JEDER HAT SEINEN ACHTTAUSENDER
Einer der besten französischen Alpinisten, Lionel Terray, bezeichnete uns Bergsteiger als „Eroberer des Unnützen“ – zu Recht, möchte man meinen. Als Lebensraum eignet sich das Gebirge nicht sonderlich, und auch irdische Reichtümer sind auf den Gletschern und Gipfeln nicht zu holen. Was ist dann der Grund dafür, dass sich doch so viele Menschen im Gebirge aufhalten, Wanderungen, Klettertouren, Gletscherüberquerungen unternehmen und sich in den Bergen Kraft und Ausdauer für das Leben „im Tal“ holen?
In der Tat ist es nicht leicht, die Faszination des Bergsteigens zu beschreiben. Sind es die Farben, die besonders intensiv dem Jahreslauf folgen? Ist es die Mächtigkeit, die imposante Erscheinung der Gipfel, und gleichzeitig die unglaubliche Ruhe, die das Gebirge ausstrahlt? Kann es sein, dass man aus Neugierde auf einen hohen Berggipfel steigt, um quasi wie mit einem Weitwinkel der Kamera mehr zu sehen und zu erkennen als in einem engen Tal?
Ich bin im Zillertal geboren und im Gebirge aufgewachsen, und als Kind war es wohl eher die Neugierde, die mich zum Bergsteigen gebracht hat. Wie sieht es da oben aus, finde ich dort etwas, was es im Tal nicht gibt? Irgendjemand hatte einmal erzählt, man könnte das Meer sehen. Nun, das Meer habe ich in den heimatlichen Bergen nicht gesehen, aber ich erlebte eine Fülle von äußerst intensiven, herrlichen Eindrücken, die mich formten und meinen weiteren Lebensweg bestimmten.
Ich wurde Bergsteiger, Bergführer; wenn man will, könnte man auch Abenteurer sagen. Mein Hobby, das Bergsteigen, wurde zu meinem Beruf. Ich hatte das Glück, Freunde zu kennen, die mir das Wesentliche für das Überleben im Gebirge beibrachten. Aber nicht nur das technische Rüstzeug wurde mir mitgegeben, sie lehrten mich vor allem auch den Respekt vor der Natur und ihrer Größe.
Möglichst viele Spielarten des Alpinismus kennenzulernen, das war mir wichtig. Kletterrouten im leichten und im extremen Gelände, Anstiege im steilen Eis, lange, ausgedehnte Gratklettereien über eine Reihe von mehreren Gipfeln … Durch intensives Training erreichte ich eine große Sicherheit in den Bergen. Häufig kletterte ich bei schlechtestem Wetter. Ob es regnete oder schneite – was kümmerte mich das? Wichtig war die Erfahrung, das Erleben möglichst vieler verschiedener Situationen.
Mein „Verschleiß“ an Seilpartnern war groß. Viele von ihnen wussten mit mir irgendwann nicht mehr viel anzufangen. Es ging ihnen alles zu schnell, und wenn ich damals nach zehn bis zwölf Stunden schwerster Kletterei am Gipfel meine obligaten Karotten auspackte und während des Kauens schon wieder zum Aufbruch drängte, hassten sie mich. Ich war besessen, kletterte viel allein, Touren im höchsten Schwierigkeitsgrad im Wilden Kaiser, an Fleischbank, Totenkirchl und Predigtstuhl, in der schnellstmöglichen Zeit. Aber nicht die Zeit als solche war mir wichtig. Schnell zu klettern bedeutete, einem möglichen Gewitter auszuweichen, bedeutete Sicherheit.
Mitte der Sechzigerjahre lernte ich einen jungen Südtiroler Bergsteiger kennen – Reinhold Messner. Instinktiv wusste ich: Das wird mein Partner. Reinhold hatte die gleichen Ideen, war unglaublich schnell, sowohl im Fels als auch im Eis, und genau wie ich wollte er Neues. Gemeinsam „wieselten“ wir durch die Eiger-Nordwand, in knapp zehn Stunden. Wir wussten um unsere Fähigkeiten und wollten neue Maßstäbe setzen – an den hohen Bergen der Welt.
1969 durchstiegen Reinhold und ich die über 50 Grad steile Ostwand des Yerupaja, eines Sechstausenders in Peru. Wir waren um Mitternacht in die Wand eingestiegen, kletterten teilweise seilfrei und erreichten unseren Ausgangspunkt kurz vor Mitternacht des gleichen Tages. Mit Messner war in der Tat alles möglich, seine Sicherheit und seine technischen Fähigkeiten im schwersten alpinen Gelände waren unerreicht. Wir passten zusammen und ergänzten uns. Unsere weiteren gemeinsamen Unternehmungen, nun im Himalaja, standen unter einem guten Stern. Unsere Erfolge machten uns selbstsicher, aber nie übermütig; wir wussten immer, wann es Zeit war, umzukehren.
Im Zusammenhang mit dem Bergsteigen wird immer wieder gern zitiert, dass der Weg das Ziel sei. Für meine aktive Zeit als Kletterer und Höhenbergsteiger möchte ich dieser Aussage widersprechen. Auch wenn der Weg wichtig ist, mein eigentliches Ziel war nie der Weg, sondern immer der Gipfel, die maximale Leistung. Auf dieses Ziel war ich fokussiert. Um meine Ziele zu erreichen, musste ich die eine oder andere gefährliche Situation in Kauf nehmen. Doch ich tat das nicht aus Todessehnsucht; indem ich die Gefahren überwand, den Tod riskierte, konnte ich den Wert des Lebens umso deutlicher erkennen.
Peter Habeler am 8. Mai 1978 kurz vor dem Südgipfel: Mit Reinhold Messner gelang ihm die erste Besteigung des Mount Everest ohne künstlichen Sauerstoff .
Nach vielen Jahren im Gebirge hat das Bergsteigen für mich heute noch denselben Stellenwert wie früher, wenn ich auch nicht mehr so ungestüm bin, nicht mehr so wild. Meine Heimat sind gleichermaßen die europäischen Alpen wie auch das Dach der Welt, die Himalajaberge. Jedes Jahr, zumeist im Herbst, zieht es mich unweigerlich nach Nepal. Die Ziele sind nicht mehr so hoch gesteckt. Meine Partner, mit denen ich die prächtigen Hochgebirgstäler durchwandere oder auch diesen oder jenen Gipfel besteige, kommen mittlerweile aus aller Herren Länder.
Читать дальше