Die Schuljungenstreiche lenkten Jim nicht von seinem Ziel ab, Gott zu dienen. Werner Durtschi, der Dritte im Bunde, erinnert sich an Folgendes:
»Eines Tages, kurz vor Jims letztem Schuljahr, sah ich ihn um den Sportplatz laufen und trainieren. Ich fragte ihn, wozu er das tue. Er sagte: ›Körperliche Übung ist für einiges nützlich.‹ Er kräftigte seinen Körper für die Strapazen des Missionarlebens.«
Ein anderer Klassenkamerad, Wayne McCroskey, erzählt:
»Jim und ich waren Mitglieder des Rednerklubs, dessen Satzung unter anderem besagte, dass man mit Ausschluss bestraft wird, wenn man eine zugewiesene rednerische Aufgabe nicht erfüllt. Der Klubvorsitzende gab uns während des Wahlkampfs Roosevelt – Dewey eine politische Rede auf, aber als Jim aufgerufen wurde, sagte er, er habe keine Rede. Der Vorsitzende machte ein besorgtes Gesicht, denn Jim war die stärkste Stütze des Klubs.
›Jim‹, sagte er, ›du kennst die Regeln. Wenn du keine Rede hältst, werde ich keine andere Wahl haben, als dich auszuschließen. Also komm schon. Vorbereitung hast du ja nicht nötig. Halt uns eine Stegreifrede über deinen Kandidaten.‹
Jim sah ihm genauso gerade in die Augen und sagte: ›Ich habe keinen bevorzugten Kandidaten, und ich halte auch keine Rede‹, und, indem er aufstand, ›es wird mir aber ein Vergnügen sein, dir die Gründe zu erklären, wenn du möchtest.‹
Dem Vorsitzenden ging mit einem Mal ein Licht auf. Jim hatte ihm von seiner Auffassung erzählt, wie er die Bibel verstehe – dass ein Jünger Jesu sich nicht an Krieg und Politik beteiligen könne. Verlegen erwiderte der Vorsitzende: ›Das ist nicht nötig, Jim. Ich glaube, wir alle verstehen deine Gründe, und ich verzichte auf die Einhaltung der Regel. Du bist entschuldigt.‹
Obwohl ich den gleichen Standpunkt vertrat wie Jim, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, meine Mitgliedschaft im Klub aufs Spiel zu setzen wegen eines so geringen Anlasses. Jims Haltung war die Haltung von Esther: ›Komme ich um, so komme ich um.‹«
Der Zweite Weltkrieg war während Jims Oberschulzeit schon im Gang, und obwohl er nie einen Stellungsbefehl bekam und daher nicht gezwungen wurde, sich offiziell als Kriegsdienstverweigerer zu bekennen, stand seine Meinung über diese Frage fest. Er war der Überzeugung, die Gemeinde Christi habe, im Gegensatz zur israelitischen Gemeinschaft in der Zeit des Alten Bundes, alle nationalen und politischen Bindungen abgelegt – in den Worten des Neuen Testaments: »Denn unser Bürgerrecht ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Retter erwarten« (Philipper 3,20).
Jim war der Ansicht, dass der Grundsatz, den Jesus ein für alle Mal am Kreuz demonstriert habe, nämlich keinen Widerstand zu leisten, befolgt werden müsse, sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Leben.
Das Kriegsproblem gehörte zu denen, die er mit Klassenkameraden und Lehrern ausgiebig erörterte, und natürlich verringerten seine Ansichten seine Beliebtheit. Das Gleiche passierte, als er einen jungen chinesischen Prediger, Mun Hope, zu einer Schülerversammlung einlud. Der junge Chinese hielt vor dem gesamten Lehrkörper und sämtlichen Schülern eine unverfälscht biblische Predigt über Sünde und Gericht. Die beiden genannten Faktoren verdarben – nach dem Urteil von Fisher – Jims (ursprünglich beträchtliche) Chance, Klassenführer zu werden.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ] Akademischer Titel Unbeirrbar auf das vorgesteckte Ziel zu Die Feuerflamme Siehe, wir wandeln im Dunkeln Taumelwein Schafe – für den Altar bestimmt Getrieben von Gott Neue Freiheit Prüfung durch Muße Prüfung durch Dienst Stimmen rufen Das Musterbild Von allen eigenen Möglichkeiten abgeschnitten Genau im richtigen Augenblick Die Hand ist an den Pflug gelegt Auf See Träume sind Schäume Verwirklichung des großen Willens Drei Glaubensprüfungen Siehe, das ist unser Gott Das Musterbild wird Wirklichkeit Auftrag ausgeführt Nachwort
Wheaton, Illinois 1945 –1949
AKADEMISCHER TITEL
Die Erkenntnis bläht auf, die Liebe aber erbaut. Wenn jemand meint, er habe etwas erkannt, so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen soll; wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt.
1. Korinther 8,1-3
Mancher Student, der an die Universität kommt und ins College einzieht, hat keine klare Vorstellung, wozu er nun eigentlich da ist. Er soll, wie es verschwommen heißt, »Bildung erwerben«, aber das haben viele auch ohne Universitätsstudium getan, und viele sind zur Universität gegangen, ohne Bildung zu erlangen. Der Gedanke des Bildungserwerbs tritt dem neuen Studenten in einer verwirrenden Vielfalt von Formen gegenüber – Vorlesungsverzeichnis, Arbeitspläne, Aufnahmeprüfungen, feierliche Empfänge durch die Fakultät; der Wirbel der Einschreibungstage mit den Schlangen wild drängender Studenten, die sich für die ausgewählte Vorlesung eintragen wollen, bevor der Lautsprecher krächzend verkündigt, dass weitere Einschreibungen für »Einführung in die Geschichte« nicht mehr möglich sind; Lehrbücherverzeichnisse, Anmeldungen bei Professoren, die fürs Erste nur Namen sind, Pflichtfächer und Wahlfächer; die Stände der Gruppen und Organisationen; Gebühren für Sport, für chemische Laborplätze, Essensmarken, Zimmerschlüssel – all das ist in dem allgemeinen Ausdruck »Bildung« irgendwie mit eingeschlossen, und ein Student, auf dessen Werteskala die Aufnahme in die Gesellschaft und gesellschaftliches Ansehen ziemlich weit oben stehen, wird leicht in einen Strudel von außerlehrplanmäßiger Betriebsamkeit hineingezogen, von dem er oft nur mühsam wieder entkommt.
Als Jim Elliot im Herbst 1945 in das Wheaton College in Illinois einzog, lag sein Ziel klar vor ihm. Vor allem hatte er sich ganz Gott übergeben, und ihm war klar, wie viel Disziplin das unter anderem erfordern würde.
»Niemand, der Kriegsdienste leistet, verwickelt sich in die Beschäftigungen des Lebens, damit er dem gefalle, der ihn angeworben hat« (2. Timotheus 2,4).
Dadurch schieden viele Fragen und viele »gute Dinge« automatisch aus, um solchen, die seinen Plänen nützten, Platz zu machen. Die anderen Studenten, wenn sie kein fest umrissenes, zentrales Ziel hatten, verfolgten oft zu viele der Nebenziele, die sich anboten.
Diese Zielstrebigkeit war das, was seinen Mitstudenten besonders an ihm auffiel. Wenn manche meinten, er sei »einseitig«, weil er so offen über Christus sprach, fanden andere ihn aus dem gleichen Grund besonders »religiös« und wollten, dass er bei den Neueingetretenen »Gebetsleiter« würde. Jim ließ sich durch keine dieser Meinungen beeindrucken.
Jim war überzeugt, dass Gott ihn nach Wheaton geführt hatte. Er war nicht einfach deshalb hingegangen, weil sein Vater ihn geschickt hatte. Es gab niemand, der ihn »finanzierte«; Jim wusste nicht einmal, wo das Geld für sein Studium herkommen würde. Aber Gott belohnte dieses Vertrauen, und die nötigen Mittel kamen zusammen, teils durch einen Freund, teils durch ein Stipendium und eine Halbtagsstelle, sodass er im November schreiben konnte: »Diese Erfahrung mit dem Geld fürs Studium gehört zu denen, wofür ich Ihn unaufhörlich preisen kann für Seine ständige fürsorgliche Güte. Ihm sei Ehre und Dank.«
Seine Ernährung stellte er sorgfältig zusammen: frisches Obst und Gemüse, am liebsten roh; wenig stärkehaltige Sachen, wenig süße Nachspeisen. Er aß zwar zu schnell, aber keine großen Mengen; damit folgte er den Regeln für das Ringertraining und auch seinen eigenen Ideen zur Abhärtung des Körpers für die künftige Missionsarbeit.
Die einzigen Berichte, die wir über seine beiden ersten Studienjahre haben, stehen in seinen Briefen an die Familie. Neben sehr knappen Bemerkungen über das, was er so machte, waren sie stark durchsetzt mit Gedanken über die Ewigkeit und immer wieder auch mit guten Ratschlägen für eines der Geschwister; ein Beispiel dafür ist Folgendes, das er im Frühherbst dieses Jahres an seine Schwester Jane schrieb:
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