Jim war etwa sechs Jahre, als er eines Abends auf dem Heimweg von einem Gottesdienst zu seiner Mutter sagte: »Jetzt, Mama, kann der Herr Jesus kommen, wenn Er will. Er könnte unsere ganze Familie mitnehmen, denn ich bin jetzt gerettet, und Jane ist noch zu klein, sie kann noch nichts von Ihm wissen.«
Er begann, seinen kleinen Freunden zu erzählen, an was er außer der Errettung sonst noch glaubte – er setzte sich auf die Schaukel auf dem Rasenplatz und »predigte« ihnen.
Das Haus Elliot stand immer weit offen für Freunde, auch für Missionare aus allen möglichen Ländern der Erde. Auf die vier Kinder hatte dies einen tiefgehenden Einfluss. Sie lernten die Tugend der Gastfreundschaft kennen und bekamen Gelegenheit, vielerlei Arten von Menschen kennenzulernen.
»Die Kinder hatten Besuch immer sehr gerne, auch wenn sie dann ihre Betten abtreten mussten«, sagte Jims Mutter, »und weil sie zu Hause so oft mit neuen Menschen zusammenkamen, waren sie auch in der Öffentlichkeit frei von Gehemmtheit.«
In der Erziehung der Kinder wurde vor allem auf Gehorsam und Ehrlichkeit geachtet, während Unfug und Streiche manchmal übersehen und manchmal durch kurzes Schimpfen getadelt wurden. Die Eltern regten sich nie über etwas auf, nur dann, wenn sie vorhatten, auch durchzugreifen, denn sie fanden, dass leere Drohungen etwas Unehrliches und schädlich für das Gerechtigkeitsgefühl der Kinder seien. Wenn die Kinder vierzehn Jahre waren, wurde ihnen gesagt, von nun an seien sie für ihr Tun gegenüber Gott verantwortlich, da sie Ihn angenommen hätten als Erlöser und Herrn ihres Lebens.
»Und glaubt nicht, ihr würdet irgendwann mit etwas durchkommen, weil wir nichts davon wissen«, sagte ihnen ihre Mutter. »Gott weiß es doch, und Er hat Seine eigene Art zu strafen.«
Sie lernten auch das Leben draußen schätzen, im Winter rodelten sie auf dem Mount Hood, im Sommer veranstalteten sie Picknicks an der zerklüfteten Küste von Oregon oder fuhren zu Besuch auf den alten Hof der Familie Luginbuhl im Staat Washington. Die Eltern nahmen sie mit zu Viehausstellungen, brachten ihnen bei, wie man Obst, Gemüse und Tiere zieht, und nahmen teil an ihren Freuden. Jedes Kind hatte seine eigenen Hobbys, bei Jim war es das Bauen von Segelschiff- und Flugzeugmodellen, Briefmarkensammeln und Bücherlesen. Er interessierte sich auch lebhaft für Haus und Garten, sowohl für die Farbe der Vorhänge, für die Frühstücksecke oder den Teppich fürs Wohnzimmer, als auch für die Stechpalmen und die Rosenbüsche draußen. In der Schule hob seine Lehrerin seine zeichnerischen Leistungen hervor und behängte die Wände des Klassenzimmers mit seinen Bildern. Kunstinteresse war jedoch nicht das, was sein Schulkamerad Dick Fisher bei ihm wahrnahm:
»Ich war Schulhofwart, das heißt, wenn alle Schüler da waren, hatte ich den Fahrradschuppen abzuschließen. Auf Jim musste ich immer warten. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er jeden Morgen, wenn es schellte, angerast kam – erst die 80. Straße herunter, dann fegte er um die Ecke an der Adventistenkirche, rutschte über den Kies des Kirchplatzes und überquerte schließlich in voller Fahrt den Schulhof, bis er mit starkem Bremsen und in einer großen Staubwolke vor dem Fahrradschuppen stoppte, vom Rad heruntersprang, etwas murmelte, dass er sich verspätet habe, und sich bedankte, um dann in die Schule zu entschwinden. Das war während eines ganzen Jahres alles, was ich von diesem Ausbund an Eile, Ungestüm und Unbekümmertheit kennenlernte.«
[ Zum Inhaltsverzeichnis ] Redner und Altwarensammler Akademischer Titel Unbeirrbar auf das vorgesteckte Ziel zu Die Feuerflamme Siehe, wir wandeln im Dunkeln Taumelwein Schafe – für den Altar bestimmt Getrieben von Gott Neue Freiheit Prüfung durch Muße Prüfung durch Dienst Stimmen rufen Das Musterbild Von allen eigenen Möglichkeiten abgeschnitten Genau im richtigen Augenblick Die Hand ist an den Pflug gelegt Auf See Träume sind Schäume Verwirklichung des großen Willens Drei Glaubensprüfungen Siehe, das ist unser Gott Das Musterbild wird Wirklichkeit Auftrag ausgeführt Nachwort
REDNER UND ALTWARENSAMMLER
Als Jim auf die Polytechnische Oberschule in Bensan kam, wählte er als Hauptfach architektonisches Zeichnen. Die Schulzeitung war durchsetzt von seinen Leitartikeln, auch von Berichten über sein Auftreten als Star in verschiedenen Schulaufführungen. Ein Lehrer, der bei einer dieser Aufführungen Regie führte, sagte: »Einen so begabten Amateurschauspieler habe ich noch nie gehabt. Nach der Aufführung haben einige der anderen Lehrer mir zugeredet, ich müsse Jim unbedingt dazu ermutigen, zum Theater zu gehen.«
Er stand auch in dem Ruf, der beste Redner von Bensan zu sein. Anlässlich von Präsident Roosevelts Tod bekam er wenige Stunden vorher die Mitteilung, er solle eine Rede vorbereiten für eine besondere Versammlung, die für den Nachmittag anberaumt war. Einer seiner Lehrer erklärte nachher: »Er hielt die beste Rede, die ich von einem Schüler je gehört habe – und eine der besten, die ich überhaupt von irgendjemandem gehört habe.«
Auch Jims Volksschulkamerad Dick Fisher war auf die Schule in Bensan gekommen. Über seine Eindrücke von Jim erzählt er Folgendes:
»Ich selbst war lang und dünn. Jim war etwas kleiner, hatte aber eine gute Figur und braunes Haar und sah gut aus – die Mädchen schauten ihn immer zweimal an. Was ich am meisten an ihm bewunderte, war sein scharfer Verstand. Er begriff äußerst rasch, sowohl im Unterricht als auch sonst, während ich immer einen Kilometer hinter ihm zurückblieb.
Er versuchte dann, mir die Dinge in ganz einfachen Ausdrücken zu erklären …
Nach der Physikstunde hatten wir Zeichnen, und das Klassenzimmer war ungefähr fünf Häuserblocks entfernt. Mitten durch die Schule zu kurven auf überfüllten Korridoren, und zwar in den fünf Minuten bis zum nächsten Schellen, war nicht einfach. Ich sehe Jim noch vor mir, wie er sich schiebend und drängend seinen Weg bahnte mit vorgestrecktem Kinn, ein Bild an Zielstrebigkeit.
Auf seinen Schulbüchern hatte er obenauf meistens eine kleine Bibel liegen, und es brauchte nur zwei oder drei Zuhörer, damit er sie aufschlug und zu reden anfing. Vor dem Mittagessen betete er immer, und er ließ keine Gelegenheit verstreichen, mit mir über Jesus Christus zu sprechen und ob ich an den Himmel, die Hölle, das künftige Leben glaube und so weiter. Wenn er für eine Zusammenkunft eine Rede vorbereiten musste, zog er mich in ein leeres Zimmer, trug mir seine Rede vor und verlangte von mir ein kritisches Urteil. Anfangs lachte ich so sehr, dass er außer sich geriet, doch im Laufe der Zeit entwickelte er die richtige Vortragsweise, wuchtig und donnernd (sehr geeignet zum Wachhalten der Hörer).
Als die Rationierungen der Kriegszeit sich auf die öffentlichen Verkehrsmittel auszuwirken begannen, gingen Jim und ich dazu über, beim Nachhauseweg von der Schule per Anhalter zu fahren. Wir sparten dadurch nicht nur täglich einen Groschen, sondern hatten auch mehr Zeit, uns zu unterhalten und die großen Dinge dieser Welt zu erörtern. Eines Abends erzählte Jim mir von seiner Absicht, Präsident zu werden – ein Gedanke, mit dem er sich eine Zeit lang ganz im Ernst befasste.
Einmal nahm mich Jim nachmittags mit nach Hause zu seiner Familie. Bei diesem ersten Besuch fiel mir vor allem auf, wie viele Pflichten Jim zu Hause hatte und wie planvoll und methodisch er die Arbeiten erledigte. Er musste Hühner, Ziegen und Kaninchen füttern, die Heizung anzuwerfen, den Hof in Ordnung bringen, die eine oder andere Besorgung machen. Im Nu hatte er mich angewiesen, einen Teil der Arbeiten zu übernehmen; Jims Führerfähigkeiten machten immer weitere Fortschritte.
Jim und Dutch (Werner Durtschi) interessierten sich für Fußball, und nach längeren Diskussionen brachten sie auch mich dazu, mitzumachen. Jim spielte als Verteidiger. Im Fußballdress, kommt mir immer vor, habe ich nie etwas derart Komisches gesehen wie ihn. Er erinnerte mich an einen großen Elch mit X-Beinen, der gerade aus dem Wasser kommt. Der einzige Ruhm, auf den er in der Mannschaft Anspruch erheben konnte, war, dass er viel mehr Dreck auf seinem Gesicht anzusammeln verstand als alle anderen.
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