Hans Christ
Neue heitere Erlebnisse
aus der Praxis
eines Landtierarztes
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Titelbild: iStock.com/artisteer
Illustrationen: Hans Christ
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ISBN 978-3-85365-306-7
eISBN 978-3-85365-319-7
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© Copyright V. F. SAMMLER, Graz 2020
Layout: Ecotext-Verlag Mag. G. Schneeweiß-Arnoldstein, 1010 Wien
Als Kurpfuscher unterwegs
Der Stier mit Sodbrennen
Liebe geht unter die Haut
Auch Du, mein Sohn Brutus
Tierarzt al dente
Sauer macht nicht lustig
Katz und Maus
Einfach zum Vergessen
Vogelprobleme
Max
Amor ist ein Wettergott
Geiz ist geil
Beweis mit Biss
Pechsträhnen
Immer was Neues
Die letzte Hilfe ist manchmal die erste
Nicht mehr ganz so Flex-ibel
Das böse Anführungszeichen!
Money makes the World go round
Der springende Punkt
Ostern
Höhen und Tiefen
„Schwein“ gehabt!
Als Kurpfuscher unterwegs
Als Kurpfuscher, früher hatte man diese Leute auch Quacksalber genannt, werden nach dem Strafgesetzbuch jene Personen bezeichnet, die ohne entsprechende Ausbildung und Zulassung Patienten behandeln. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist der Höller Hans, ein Bauer aus dem Steiermärkischen, der in der Volkslegende einen geradezu legendären Ruf genoss. Er stellte seine Diagnosen aus der Urinbeschau der jeweiligen Kranken und traf nicht selten das Richtige. Noch heute verkehrt als Touristenattraktion der so genannte „Flascherlzug“ mit seinen bunten Waggons zwischen den Ortschaften Stainz und Preding. Der Name des Zuges rührt von der ursprünglichen Tatsache her, dass die Hilfesuchenden damit von weit und breit mit ihren in Fläschchen abgefüllten Harnproben angereist kamen.
Es existiert sogar ein populäres Lied darüber:
Auf ’n Bergl drob’n,
gar net weit von Stanz,
wohnt a Wunderdoktor,
der hoasst Höller Hans.
Waun’s Euch int’ressiert,
wia der die Leut kuriert,
schauts Euch den Hansl an
was der all’s kann.
Zeitig in da Fruah
kumman von weit und breit
mit’n Flascherlzug
die alt und jungen Leut,
trag’n in Säck’ und Taschen
eahn’re Brunzlflasch’n
auf den Berg hinauf
in vollem Lauf.
usw.
Seine Beliebtheit in der Bevölkerung verhinderte jedoch nicht, dass er sich aufgrund von Anzeigen, hauptsächlich aus Kreisen der Ärzteschaft, mehrere Male wegen Kurpfuscherei und Scharlatanerie verantworten musste. Natürlich hatte der gute Höller Hans manchmal mit seiner Diagnose danebengehauen. Aber das soll ja in der Schulmedizin bekanntlich auch schon vorgekommen sein.
Mir ist bekannt, dass etliche Tierärzte meiner Vorgängergeneration, streng nach dem Buchstaben des Gesetzes, ebenfalls Kurpfuscherei betrieben haben. Waren doch früher viele Höfe nur mühsam zu Fuß erreichbar, sodass die Bauern am Sonntagmorgen entweder vor oder nach der Kirche – meistens Ersteres, weil nach der Messe das Wirtshaus angesagt war –, mit einem Rucksack bewaffnet, beim Tierarzt vorbeischauten, um Medikamente mitzunehmen. Meistens waren es nur harmlose Sachen, wie Scharfeinreibungen, zum Beispiel Pferdefluid, oder Hustensaft oder ein Durchfallpulver aus gemahlener Eichenrinde für Kälber. Und ich bin mir sicher, dass es vielen Kollegen klar war, dass das Pferdefluid nicht beim Pferd gelandet ist, sondern auf den schmerzenden Knien des Bauern und der Hustensaft im Hals der Bäuerin. Geholfen haben diese Mittel zwar häufig, aber es ist lustig, dass diese Tierärzte sich unheimlich darüber alteriert hatten, wenn ein heilkundiger Laie, wie es damals Senner oder Kräuterweiblein waren, gewagt hatte, eine Kuh aus dem Schatzkästlein der Natur selbst zu behandeln, ohne den teuren Veterinär zu rufen, und noch dazu Erfolge verzeichnet hatte.
Solche „Bauerndoktor“ gibt es heutzutage kaum mehr, obwohl der Trend dazu geht, dass die in Kursen vermittelte, vielgeschmähte Homöopathie in den Ställen vermehrt Einzug hält.
Und wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, auch schon hie und da als Kurpfuscher aufgetreten zu sein. Eine Mutter hatte einmal am Abschluss einer Visite ihrer siebzehnjährigen Tochter resolut den Kittel in die Höhe gehoben, sodass ich neben einer nicht mehr ganz taufrischen Unterhose ein entzückendes Steißbein zu Gesicht bekam.
„Schau’n Sie sich das an, Herr Doktor! Drei Mal waren wir mit der Anni schon beim Arzt und der Fleck wird immer größer!“
Eigentlich hatte ich erwartet, dass Anni diese spontane Entblößung peinlich sein würde, aber offensichtlich war ein Tierarzt für sie so etwas Ähnliches wie ein gestiefelter Gynäkologe, weil sie mir ohne Scheu das Hinterteil entgegenreckte. Oder der Juckreiz war wirklich sehr stark!
Deshalb traute ich mich, über den Brillenrand hinweg die betroffene Stelle aus der Nähe zu inspizieren. Kein Zweifel, es handelte sich hier um eine ausgeprägte Form von Trichophytie oder, wie man landläufig sagt, Kälbergrind, eine hartnäckige Pilzerkrankung.
Erstaunlicherweise steht die moderne Humanmedizin dieser Infektion meistens hilflos gegenüber, weil sich herkömmliche Pilzmittel dagegen als wirkungslos erweisen.
Zum Glück besaß ich für solche Fälle eine Salbe nach einem uralten Rezept, welche mir eine befreundete Apothekerin je nach Bedarf zusammenmischte.
Ich drückte der Mama eine Dose in die Hand, murmelte: „Einmal täglich auftragen, mehrere Tage lang“, und ließ über Annis Kehrseite wieder den Vorhang fallen.
Nach ungefähr einer Woche hatte ich wieder auf dem Hof zu tun und die Bäuerin präsentierte mir voller Freude bei der Gelegenheit erneut die Hinteransicht ihrer Tochter.
„Es beißt auch nicht mehr“, bestätigte Anni ebenfalls den Fortschritt.
Man sah es deutlich: Der Fleck hatte deutlich seine Rötung und Schuppigkeit eingebüßt. Nur die Unterhose, so mutmaßte ich, war noch immer dieselbe!
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