1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Zwischen Mensch, Marke und Markenfürsprecher muss es passen. Marken müssen Partnerschaften anbieten, die gewünscht, gewollt, gepflegt und gelebt werden.
Die jüngere Werbewirkungsforschung belegt eindrucksvoll, dass die Gestaltungsqualität der Kommunikation einen hohen Erklärungsbeitrag zur Wiederkauf- und Weiterempfehlungsbereitschaft leistet. 74 Mehr denn je gilt: Good Content rules. Weder sollten Werbebotschaften 1:1 in Blogs und Foren fortgeschrieben werden, noch bedeutet es irgendeinen Erfolg, Brand Communities zahlenmäßig in gigantische Dimensionen zu katapultieren. Im Ergebnis erzeugt eine Marke nur Belanglosigkeit und Langeweile, die in den sozialen Medien mit Ignoranz, Boykott oder Shitstorms bestraft wird. Selbst die größten Brand Fans zeigen zunehmend weniger Resonanz auf die Inhalte „ihrer“ Marken. 75
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist der nachhaltige Bedeutungsaufbau durch möglichst langfristig angelegte Kampagnen, die alle vier Influencertypen als Markenbotschafter einbeziehen, was allerdings in der Praxis durch den Trend zu taktischen Einsätzen konterkariert wird (worauf auch Alessando Panella und Mandy Sarnoch-Möller in ihren Beiträgen hinweisen). Statt Celebrities in mittelfristige Markenstrategien einzubinden, wie Halle Berry bei Deichmann, werden Prominente zunehmend für spontane, taktische Maßnahmen eingesetzt. 76 Zum Wohl ihrer Marken sollten Unternehmen solche Kurzeinsätze vermeiden, die selten der Marke mehr Gesicht und Profil verleihen. Der durchschnittliche Etat von Promi-Kampagnen über alle Werbeträger hinweg wird auf 3,7 Millionen Euro geschätzt. 77 In Deutschland bekannte Celebrities kosten für einen nationalen Werbeeinsatz bis zu einer Million Euro, über die Landesgrenze hinaus bekannte Stars bis zu 1,5 Millionen Euro und Weltstars im zweistelligen Millionenbereich. Es ist daher verantwortungsvoll zu entscheiden, ob ein langfristiges Investment lohnt, und insbesondere, wie ein Erfolg versprechendes Gesamtkonzept durch Einbindung von Celebrity, Creator, Colleague und Customer aussehen könnte.
Eine Binsenweisheit für die Marketingpraxis sei zum guten Schluss gestattet:
Der Gewinn für die Marke sollte immer in der Steigerung ihrer großartigen Bedeutungskraft für die Zielgruppe bestehen.
Reine Popularitätswerte dürfen daher nicht allein die unternehmerische Entscheidungsgrundlage für die Selektion einer bestimmten Celebrity bilden. Vermutlich dürfte aber genau dieser Aspekt zur Wahl von Brad Pitt geführt haben: Als „sexiest man alive“ wurde er 2012 zum ersten Mann auserkoren, der für die Markenikone Chanel No. 5 wirbt. Das Management von Chanel begründete seine Entscheidung mit dem Ziel, bewusst mit Traditionen brechen zu wollen: „To keep a legend fresh, you always have to change its point of view. It is the first time we’ve had a man speaking about a women’s fragrance.“ 78
Brad Pitt äußerte sich in dem voller Spannung erwarteten 30-sekündigen Werbespot über die Marke mit der folgenden epischen Botschaft: „It’s not a journey. Every journey ends, but we go on. The world turns and we turn with it. Plans disappear, dreams take over. But wherever I go, there you are. My luck, my fate, my fortune. Chanel No. 5. Inevitable.“ Dieser Auftritt, der Brad Pitt 7 Millionen Dollar Gage bescherte, wurde weltweit in den einschlägigen Glamour-Magazinen und Lifestyle-Foren angesichts der profanen bis sinnfreien Aussagekraft fassungslos quittiert, mitunter auch zynisch zerrissen (is this commercial really inevitable?). 79 Ironischerweise sprach Brad Pitt in Interviews freimütig über seine mangelnde Körperhygiene. 80
Abb. 5: Brad Pitt für Chanel No. 5
Für Chanel ein teures Experiment, nur um festzustellen, dass nicht bloß der Fit zwischen Marke und Celebrity passen muss. Vielmehr hat eine für die Zielgruppe sinnvolle Aufladung der Marke zu erfolgen, deren Umsetzung durch eine intelligente und kreative Inszenierung begeistert. Jedenfalls fühlen sich durch solche Fälle Kritiker bestätigt, die Celebrity-Werbung lediglich als bequemen Ausweg bei fehlender Kreativität einschätzen – nach dem Motto: Nehmen wir doch einen Promi, da kann nicht viel schiefgehen und wir müssen keine Idee haben. 81 Mit dieser spannenden These beschäftigen sich daher auch Thomas Strerath, Stephan Rebbe und Alessandro Panella in ihren Beiträgen.
Prof. Dr. Alexander Schimanskyist Professor für Marken- und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim. Zuvor war er sieben Jahre Marketing-Professor an der privaten Management-Hochschule ISM in Dortmund und hat als Partner bei der Berliner Markenberatung kleinundpläcking Kunden wie Mercedes-Benz, VW und Berlin betreut. In Fachkreisen bekannt geworden ist sein Buch „Der Wert der Marke“.
Dr. Shamsey Olokoist für die Themen People Development und Culture beim LAB1886 verantwortlich, dem Inkubator der Daimler AG in Berlin. Seit 2017 arbeitet er zudem als Business Coach insbesondere für Persönlichkeitsentwicklung und Self-Leadership. Zuvor war er Professor für Marketing & Retail an der EBC Hochschule in Berlin und für mehrere Jahre Managing Director von Think Out Of The Box, einer Kreativagentur für Celebrity Marketing, bevor er für UNIVERSAL Music & Brands Unternehmen zu den Themen Branded Entertainment und Kooperationen mit Künstlern beraten hat.
Dr. Magdalena Bekkstudierte Psychologie und Statistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der University of St Andrews, Schottland. Nach Abschluss ihres Diploms erhielt sie ein Promotionsstipendium der Cologne Graduate School der Universität zu Köln. Ihre Dissertation „Essays on the effects of personality and fit on consumer behavior“ wurde mit dem Nachwuchsförderpreis Verbraucherforschung 2015 ausgezeichnet. In ihrer aktuellen Forschung beschäftigt sich Magdalena Bekk mit nachhaltigem Konsumverhalten sowie Gamification.
1 Laut Institut für Marketing und Medien der Universität Hamburg arbeiten rund 15 bis 20 Prozent der Spots mit bekannten Gesichtern und laut der Studie PromiVision von TNS Sport arbeitet jede fünfte Kampagne der Top-Werbungtreibenden mit einem Testimonial (vgl. www.horizont.net/marketing/nachrichten/-Geliebt-und-gehasst-Prominente-in-der-Werbung-95838). Die besonders hohen Werte der Studie von Celebrity Performance, YouGov & XAD Service für 2015 beziehen sich auf deutsche Fernsehwerbung für die werbeintensiven Branchen Kosmetik, Food, Handel und Dienstleistungen (vgl. www.casting-network.de/cpi_celebrity_performance_studie_effektivitaet_von_testimonial_kampagnen_2015.pdf). Eine neuere Studie zeigt, dass diese Ergebnisse auf Produktkategorien wie Kosmetik, Food und Mode zutreffen, während der Celebrity-Anteil über alle Kategorien hinweg lediglich bei 2,9 Prozent liegt, wobei allerdings nur Printwerbung ausgewertet wurde (vgl. Schimmelpfennig, C. (2018). Who is the Celebrity Endorser? A Content Analysis of Celebrity Endorsements. In: Journal of International Consumer Marketing, 30 (4), 220-234).
2 Vgl. Hung, K. (2014). Why celebrity sells: A dual entertainment path model of brand endorsement. In: Journal of Advertising, 43, 155-166.
3 Die Human-Brand-Index-Studie von August 2015 ergab, dass von 1.021 befragten Deutschen insgesamt 69 % großes oder mittleres Interesse an Prominenten in der Werbung haben und 27 % Werbung mit Prominenten sogar besser gefällt als Werbung ohne Testimonials. Lediglich 16 % präferieren Kampagnen ohne bekannte Gesichter. Es konnte auch festgestellt werden, dass zwischen dem Interesse an Stars und Sternchen und der Beliebtheit von Werbespots mit Celebrities ein Zusammenhang besteht (vgl. www.horizont.net/marketing/nachrichten/Testimonial-Studie-69-Prozent-der-Deutschen-wollen-Werbung-mit-Promis-sehen-136312).
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