Angesichts der gestiegenen Komplexität reichen für die strategische Planung von Markenerfolgen populäre Brand-Funnel- und Werbestufen-Modelle im Celebrity#Influencer-Marketing nicht aus. Das strategische Marketing setzt auf der übergeordneten Steuerungsebene bei kompetitiven Zielsetzungen für operative Weichenstellungen an. Dagegen stehen in der werblichen Realisierungspraxis Konzepte zur konkreten Umsetzung im Vordergrund, es geht um Story-Entwicklung und Kampagnendesign. Daher ist ein Planungsansatz zwischen Marketingstrategie und Kampagnenumsetzung hilfreich, der den Entscheidungsprozess unterstützt. Abbildung 3zeigt unser „MIIT“-Planungsmodell mit vier Entscheidungsebenen, das bei den Zielsetzungen des strategischen Marketings ansetzt, um diese bis zur Kampagnenumsetzung fortzuführen.

Abb. 3: Strategischer Entscheidungskorridor im Celebrity#Influencer-Marketing
Im Entscheidungsbereich „Markenziele“ geht es um eine weitergehende Ausgestaltung der übergeordneten strategischen Markenpositionierung im Wettbewerb. Die üblichen Marketingziele zur Steigerung von Bekanntheit, Sympathie und Image der Marke, die der Erreichung ökonomischer Erfolgsziele dienen, sind für das Celebrity#Influencer-Marketing zu „übersetzen“ und durch Vertiefung und Ausweitung zu präzisieren. Die Konzeption eines Erfolg versprechenden Zielkorridors hat den Transfer kultureller Bedeutungsinhalte zu verfolgen, die für die Marke und Zielgruppe gleichermaßen wünschenswert wie relevant sind. Dazu müssen für die Marke spezifische Themenfelder bestimmt werden, die sie in der Kommunikation mit der Zielgruppe für sich alleinstellend besetzen kann.
Entscheidend ist dabei, mit der kognitiven, affektiven und konativen Ebene alle drei psychologischen „Touchpoint-Modi“ des Menschen zu berücksichtigen und anzusprechen. Um das Soll-Image bedeutungsvoll auszugestalten, sollte das kognitive Markenschema inhaltlich zum Beispiel nicht nur mit einem Lifestyle-Thema aufgeladen, sondern auch emotional durch Spaß oder Romantik oder Action aktiviert werden, was musikalisch durch den fröhlichen Popstar, den Balladensänger oder den fetzigen Rocker erreicht werden kann. Zudem ist auf der Verhaltensebene eine lebendige Markenvermittlung in den Zielkorridor zu integrieren, die sich auf Partizipation, Interaktion, Bindung oder Loyalisierung beziehen kann. Es sollte gerade in Zeiten der Verschmelzung von Mediengattungen und deren Nutzung keine Markenkampagnen mehr geben, die nur auf Bekanntheit oder Emotionalisierung oder Kundenbindung abzielen, sondern Menschen auf allen drei Zielebenen ganzheitlich abholen.
Auf diese Weise konfigurieren Markenverantwortliche strategische Merkmalsbündel für die Marke, die eindimensionalen Zielausrichtungen sowie bloßen Kanalfixierungen vorbeugen (machen wir jetzt eine Printkampagne oder doch besser was Virales auf YouTube?). Dadurch ergeben sich im Entscheidungsbereich der Influencer auch prinzipiell keine Entweder-oder-Situationen, sondern jeder der vier Einflusstypen unterstützt die Marke und hilft dabei, ihre Bedeutungshoheit kognitiv, emotional und konativ zu vermitteln und zu stärken. So kann eine Markenthematik durch die Celebrity bekannt und populär gemacht werden, während vom Creator (Social-Media-Influencer) zusätzliche Spannung durch besonderen Content verliehen wird, der den Colleague mit direkten Interaktionsangeboten einbindet, denen der Customer durch persönlichen Erfahrungsaustausch weitere Credibility verleiht.
Die klassische „One-Man-Show“, wie Gottschalk für Haribo, ist künftig durch einen schlagkräftigen „Chor“ zu ersetzen, der vielstimmig die Markenthematik in seiner ganzen Bedeutungshaltigkeit kommuniziert. Besonders Erfolg versprechend würden die vier verschiedenen Einflusstypen zusammenwirken, wenn jeder Einzelne spezifische stereotype Bedeutungen an die Zielgruppe vermittelt, die Facetten der angestrebten Markenbedeutung repräsentieren (dazu dient auch Abbildung 1).
So lässt sich die Übertragung markenprägender Bedeutungsinhalte potenzieren, wenn zum Beispiel George Clooney (Celebrity) der Marke Nespresso mit Stereotypen des Gentlemans und Mann-von-Welt-Prestige und edlen Charme verleiht, wozu ein Markenenthusiast (Creator) passenden Content für mehr Lifestyle-Glanz im Leben der Zielgruppe kreiert, den auf Opinion-Leader-Ebene (Customer) exklusive Happenings in Lions Clubs lebendig machen, was durch Auftritte von distinguierten Barristas (Rockstar-Colleague) auf ausgewählten Galas und Events ergänzt wird. Dieses Beispiel zeigt auch, wie die Entscheidungsbereiche Inszenierung und Touchpoint aufeinander einzahlen können, die Abbildung 4( S. 33) im Überblick veranschaulicht.
Durch den gemeinsamen, abgestimmten Einsatz von vier Influencertypen verschafft ein Unternehmen seiner Marke nicht nur einen ganzheitlicheren und intensiveren Bedeutungstransfer, sondern sichert auch Synergiepotenziale durch den Mix aus paid, owned und earned media, da sich das Investment hinsichtlich der erreichbaren Kampagnenwirkung auf Colleague (owned), Celebrity (paid) sowie Creator und Customer (idealerweise: earned, oft aber paid) verteilt.
Werden zudem die Gestaltungsmöglichkeiten der zahlreichen Inszenierungsformate – von Appearances bei Events über klassische Testimonial-Werbung bis hin zu Branded Content und Limited Editions – optimal ausgereizt, erreicht die Marke ihre Zielgruppe sowohl auf der kognitiven und affektiven als auch konativen Ebene. Wir haben dazu den Gestaltungsspielraum für jedes Format in Abbildung 4weiter als gewöhnlich definiert. Üblicherweise geht es beim Endorsement durch eine Celebrity bzw. Top-Influencer (Creator) um Information durch klassische Produktvorführung und/oder Emotionalisierung durch klassischen Imagetransfer. Dagegen kann eine intelligent geplante und kreativ umgesetzte Kampagne (durch Kopplung z. B. mit einer Edition) auf allen drei psychologischen Wirkungsebenen punkten, wie der große Erfolg von Bibi und Bilou für dm zeigt (auf das Simone Reichenberger und Mandy Sarnoch-Möller in ihren Beiträgen eingehen).
Ebenso stellt die herkömmliche Appearance einer Celebrity für eine Marke lediglich eine kostspielige Angelegenheit für ein Unternehmen dar. Lady Gaga nimmt in den USA über 100.000 Dollar für eine Appearance. Hierzulande sind Gagen im vier- bis fünfstelligen Bereich an der Tagesordnung. Clever inszeniert lohnt sich das Investment jedoch, wenn durch den Star gezielt prominente Blogger, YouTuber und Journalisten angelockt werden können, die wiederum Earned-Media-Content generieren.

Abb. 4: Umsetzungsmatrix für das Celebrity#Influencer-Marketing
Über reine Appearances hinaus gehen Product Placements. Eine besonders beliebte Spielart im Celebrity-Bereich ist das Product Seeding geworden, beflügelt durch die mehr oder weniger begründete Hoffnung, dass die „freiwillige“ Nutzung durch einen Weltstar zu einem authentischeren Imagetransfer bei großer Reichweite führt. So kann der Medienäquivalenzwert eines Mode-Outfits, das bei der Oscar-Verleihung getragen wird, über eine Million Dollar erreichen. Kein Wunder, dass der Wert der „Gifting Bags“ stetig zunimmt und zur Oscar-Verleihung 2017 bereits die Schallmauer von 180.000 Dollar durchbrochen wurde.
Alles in allem wollen wir festhalten: Wenn im Celebrity#Influencer-Marketing strategisch alle Potenziale bei den Markenzielen, Influencertypen und Inszenierungsformaten ausgeschöpft und kreativ optimal umgesetzt werden, lassen sich Marken klar im Wettbewerb differenzieren und nachhaltig mit wünschenswerten Bedeutungsinhalten aufladen. Bei allem Wandel, der vor allem die Art und Weise im Umgang von Unternehmen mit ihren Zielgruppen miteinander betrifft, bleibt eines unveränderlich:
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