Für eine Marke ist es zudem nicht immer hilfreich, neben einem absoluten Superstar in Erscheinung zu treten. Es ist zwar vorteilhaft, wenn die Celebrity eine Marke in Richtung des Sollimages stärkt. Ist allerdings der „Kultstatus“ der Celebrity zu hoch, steigt die Gefahr eines Vampireffektes, indem die strahlende Präsenz des Stars die Aufmerksamkeit der Zielgruppe vollständig auf sich zieht und positiv in Erinnerung bleibt, nicht aber die Marke als eigentlicher Star der Werbung. Daher sollten Unternehmen besser eine vergleichbar starke Persönlichkeit und Attraktivität zwischen Celebrity und eigener Marke anstreben, um Vampireffekten vorzubeugen. 60
Des Weiteren sollte in der Marketing- und Werbepraxis stärker beachtet werden, dass die Prozesse der Übertragung und Verstärkung von Persönlichkeitseigenschaften und weiteren Merkmalen zwischen Marke, Celebrity und Zielgruppe wechselseitig wirken – positiv wie negativ. Nicht immer dienen Werbeauftritte der Imageverbesserung von Marken, sondern den Prominenten, weil der Medienauftritt eine willkommene Chance bietet, um die Bekanntheit zu steigern und das öffentliche Profil zu aktualisieren, oder weil es für einen guten Zweck ist und die Werbepräsenz einen notwendigen Imagewechsel ermöglicht. 61
Umgekehrt finden sich Beispiele, wo ein Prominenter nicht gerne an eine Werbekooperation erinnert wird, da sich sein Image nachteilig entwickelt hat, sei es, weil die Fans oder Community das werbliche Engagement als falsch oder sinnfrei gefunden haben, sei es, weil das Imageprofil der Marke im Vergleich zur Celebrity viel zu altbacken und bieder oder viel zu futuristisch oder rebellisch war, so dass nicht die Marke in Richtung Soll-Image verbessert werden konnte, sondern sich das Celebrity-Image in Richtung Ist-Image der Marke verändert hat. Noch ungünstiger sind Engagements des Prominenten, die sich als moralisch oder ethisch bedenklich herausstellen, so dass neben Imageproblemen auch rechtliche Konsequenzen entstehen (die Christian-Oliver Moser und Ralf Kitzberger in ihren Beiträgen aufzeigen).
Aus Marketingsicht ist natürlich die Übertragung negativer Eigenschaften von der Celebrity auf die Marke problematischer. 62 So ist allein das experimentell erzeugte Ergebnis beeindruckend, dass eine Assoziation der Kosmetikmarke Clinique mit Britney Spears, Jessica Simpson und Paris Hilton, die allesamt von den Versuchsteilnehmerinnen als „trashy“ angesehen wurden, dazu geführt hat, dass die Premiummarke ebenfalls als wertlos befunden wurde. 63 Neben diesen kurzfristigen Effekten ist für die Glaubwürdigkeit einer Werbepartnerschaft auch auf längere Sicht maßgeblich, dass sich Prominente in ihrem Lebensstil und Imageprofil als verlässliche Partner erweisen. Hier scheitern viele „Marken-Ehen“, zum Beispiel zwischen Pepsi und Britney Spears durch die Coca-Cola-Affäre, zwischen diversen Marken und Tiger Woods aufgrund des Sex-Skandals oder die Scheidung zwischen Mercedes-Benz und Boris Becker infolge seines Lebenswandels (worauf Alessandro Panella in seinem Beitrag eingeht).
Da erfolglose Werbekooperationen mit Celebrities von den betroffenen Unternehmen immerhin beendet werden können, wiegt die Übertragung unvorteilhafter Eigenschaften von Konsumenten auf die Marke schwerer. Für eine hochwertige, etablierte Marke kann es zu massiven Imageverlusten kommen, wenn sie von radikalen Subkulturen „gekapert“ wird, die durch Neuinterpretation der symbolischen Bedeutung der Marke und deren Nutzung ihr gesellschaftliches Negativimage auf die Marke übertragen und die angestrebte Zielgruppe damit verprellen. So wurde die englische Sportmarke Lonsdale (wegen der Andeutung von NSDAP im Logo) unbeabsichtigt bei Rechtsradikalen so populär, dass vom Management aktiv dagegen vorgegangen werden musste. 64 Ähnlich eklatant verhielt es sich bei dem hochpreisigen italienischen Modelabel Stone Island, das von gewaltbereiten britischen Fußball-Hooligans bevorzugt getragen wurde, um nicht durch Vereinstrikots bei den Ordnungshütern aufzufallen. 65
Kommen wir zu einem „wirkungsvollen“ Fazit: Für ein erfolgreiches Celebrity#-Influencer-Marketing sind „Regeln“ zu beachten. Wenn eine Celebrity oder ein Influencer werblich in Erscheinung tritt – sei es in einem TV-Spot oder auf YouTube, sei es ein Bild in einer Zeitschrift, auf Instagram oder eine Botschaft in einem Blog oder Tweet –, sind grundsätzlich eine hohe Bekanntheit und Beliebtheit in der Zielgruppe der Marke entscheidend, um deren Einstellung und Verhalten zur beworbenen Marke positiv beeinflussen zu können. Die Beliebtheit ergibt sich aus den stereotypen Kategorisierungen, die abhängig vom kulturellen Bedeutungsraum einer Gesellschaft kennzeichnen, was das Image einer Celebrity als gefeierten „Rockstar“, „Spitzensportler“ oder „Filmhelden“ ausmacht, natürlich auch als „Stilikone“ oder „Technikfreak“ in den sozialen Medien.
Das Promi-Image wird im werblichen Auftreten nicht nur durch die wahrgenommene Attraktivität, Expertise und Vertrauenswürdigkeit bestimmt, sondern durch die Persönlichkeit, die einen zentralen Einflussfaktor auf die Marke und den Konsumenten darstellt. Für einen erfolgreichen Imagetransfer sollte das Persönlichkeitsprofil der Celebrity dem Soll-Image der Marke entsprechen. Marken werden positiver beurteilt, wenn ihre prominenten Fürsprecher im Hinblick auf relevante Imageeigenschaften im Vorfeld der Kampagne (leicht) besser bewertet werden als die Marke. Die hohe Kunst von Marketing und Werbung besteht darin, den Auftritt der Celebrity für die Marke so zu inszenieren, dass sich der Zielgruppe die unternehmerisch gewünschte Ähnlichkeitsbeziehung zum Soll-Image eindeutig aber intelligent „aufdrängt“. 66
Für den Wirkungserfolg ist von der Zielgruppe nicht nur die werblich intendierte Passung zwischen Marke und Prominenten herzustellen, sondern diese auch mit der eigenen Beziehung zum Prominenten und der persönlichen Einstellung zur Marke positiv in Einklang zu bringen. Daher sind Unternehmen bei der strategischen Auswahl von Celebrity bzw. Influencer gut beraten, für den jeweils interessierenden Konsumkontext und Branchenbereich zu bestimmen, welche spezifischen Eigenschaften für die Passung zwischen Marke, Celebrity und Zielgruppe relevant sind. 67 Neben dem Celebrity-Image scheint insbesondere die psychografische Analyse der Zielgruppe sowie der wahrgenommenen Persönlichkeitsmerkmale und Werteversprechen der Marke in ihrer Relevanz für das Real- bzw. Ideal-Selbstbild der Zielgruppe lohnenswert, da Ähnlichkeiten bzw. Unähnlichkeiten offensichtlich die Kaufpräferenzen beeinflussen. Abschließend wollen wir auf die strategischen Gestaltungsmöglichkeiten eingehen, die entscheidend für eine erfolgreiche Realisierung von Celebrity#Influencer-Marketing sein können.
4. Celebrity#Influencer-Marketing – Perspektiven strategischer Umsetzung
In Zeiten digitaler Prädominanz sind die Herausforderungen für das Markenmanagement immens gestiegen – und damit auch für das Celebrity#Influencer-Marketing. Die Digitalisierung zentraler Lebensbereiche hat Social Media im Alltag der Menschen fest etabliert – mit tiefgreifenden Folgen. Nicht nur für Jugendliche ist das Smartphone zum unverzichtbaren Begleiter geworden; für viele Menschen ist der größte Alptraum im Alltag, wenn sie „kein Netz“ haben. 68 Produktinfos via Google auf Wikipedia und Testportalen, Unboxing-Filme auf YouTube, User-Bilder auf Instagram und Promotions in Facebook-Communities – das Wechselspiel der Menschen zwischen analoger Lebenswelt und digitaler Medien- und Konsumwelt erfordert ein Umdenken im Branding. 69 Ging es jahrzehntelang in der klassischen Markenwerbung um Information, Persuasion und Penetration, wird die Zukunft durch Relation und Collaboration definiert. 70
Markenmanagement im digitalen Zeitalter bedeutet das erfolgreiche Führen von echten Dialogen zwischen sich wertschätzenden Kommunikationspartnern und das Initiieren begeisternder Interaktionen, damit Marken die Zielgruppen in deren echtem Leben abholen, auf sie eingehen, sie involvieren und binden. 71 Aufgrund der Besonderheiten vernetzter Kommunikationsprozesse müssen Marken dynamischer gemanagt werden, das Zusammenspiel an den Touchpoints muss besser, intensiver und vor allem relevanter werden, um Kunden und Interessenten wirklich nahe zu sein. 72 Marken müssen ihre Zielgruppen nicht nur kontaktieren, sondern faszinieren, um Bindungen nachhaltig zu festigen. Nur ein Miteinander als echte Beziehungspartner wird in der Zukunft Markenerfolge begründen – mit Unternehmen und Prosumenten, die sich auf Augenhöhe begegnen, neue Ideen und ehrliche Meinungen offen austauschen, die ausprobieren und testen, um Neues zu pushen und Altes zu verbessern. In nicht allzu ferner Zeit könnten Markenkampagnen zur Normalität gehören, die von Brand Fans initiiert und gesteuert werden, um als Schwarm oder auch Flash Mob organisiert zum analogen oder virtuellen Shopping aufzubrechen für Produkte, die sie selbst mitentwickelt (und mitproduziert) haben. 73
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