Der Begriff „Influencer“ (to influence: beeinflussen) bezeichnet Personen mit starker Präsenz in den sozialen Medien, die neben einer mittleren bis hohen Reichweite in aller Regel auch über große Wertschätzung in ihrer Community bzw. bei den eigenen Followern verfügen, so dass daraus ein hohes Einflusspotenzial für die Bewerbung und Vermarktung von Marken und deren Produkten resultiert. 7 Im Werbekontext hat sich für Celebrities und Influencer als Oberbegriff „Testimonial“ (to testify: bezeugen, empfehlen) eingebürgert, der sich auf bekannte wie unbekannte Personen bezieht, die in klassischen wie digitalen Werbeformaten auftreten, um ein Produkt oder eine Dienstleistung vorzuführen, zu testen und zu empfehlen, wodurch die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Werbebotschaft bzw. Markenversprechen erhöht werden soll. 8
Dieser Zuordnung wird aus Gründen der Konvention in diesem Buch gefolgt. Allerdings soll zumindest an dieser Stelle herausgearbeitet werden, dass eine andere Gliederung und Bezeichnung sinnvoller wäre. Trotz seiner häufigen Verwendung ist „Testimonial“ kein geeigneter Oberbegriff, da er in Zeiten klassischer Werbung eingeführt worden ist und auf die Beeinflussungsart der konkreten Fürsprache für ein (Marken-)Produkt beschränkt bleibt, das offiziell und direkt empfohlen wird. In dieser Fassung wird der Terminus weder indirekten, subtilen Formen der Beeinflussung wie Branded-Content-Formaten im Social-Media-Bereich gerecht, noch kann er Gültigkeit für komplexe Engagements beanspruchen, wie es längerfristige, medienübergreifende Aktivitäten von Markenbotschaftern darstellen.
Als Oberbegriff wäre „Influencer“ sinnvoll, weil er auf jegliche Form der Einflussnahme abhebt, die Personen im werblich-persuasiven Kontext ausüben, unabhängig davon, ob die werbende Person berühmt ist (Celebrity) oder aber ein wenig bekannter Kunde oder Mitarbeiter, und ebenso unabhängig davon, ob es sich um eine offizielle Empfehlung handelt (Testimonial) oder um eine Brand Appearance bei einem Gala-Empfang oder einen freundschaftlichen Rat. Testimonials, die sich werblich für die Qualität, Nützlichkeit oder Preiswürdigkeit eines Produkts aussprechen, stellen demnach einen Subtyp des Influencers dar. Als Ersatzbezeichnung für (Social-Media-)Influencer hat es Sinn, den in jüngster Zeit immer häufiger verwendeten Begriff „(Content-)Creator“ aufzuwerten, der mit der Erstellung von persönlichen Inhalten und deren Verbreitung über Online-Kanäle viel stärker auf das Wesen der (Social-Media-)Influencer abhebt. 9
Eine Systematik, die „Influencer“ als übergeordnete Klammer begreift, kann verschiedene Beeinflussungstypen integrieren, die über das klassische Werbe-Testimonial hinausgehen, wie etwa der Experten-Blog eines Mitarbeiters oder der selbst produzierte Trailer eines Creators, der sich als Markenenthusiast outet. An die Stelle der klassischen Testimonials, die als Star, Experte oder Laie werben, treten vier Beeinflussungstypen: Celebrity, Creator, Customer und Colleague. 10 Bei nahezu jedem dieser vier Typen können Stars, Experten und Laien auftreten. Durch weitere Binnendifferenzierung enthält die Systematik Merkmalskategorien, die für die Werbe- und Marketingpraxis relevant sind, wie Abbildung 1zeigt.

Abb. 1: 4C-Systematik werblicher Beeinflussungstypen
Der Influencer-Typ der Celebrityzeichnet sich ganz besonders durch den erreichten Berühmtheitsgrad aus, der das Produkt aus hoher (Gesichts-)Bekanntheit und Beliebtheit bildet. Im Unterschied zu den anderen Typenbezeichnungen erlaubt der Begriff Celebrity eine Aussage zu der Art der Beziehung zwischen Prominenten und Gesellschaft: Angesehen, mitunter bewundert oder sogar verherrlicht, kann eine Celebrity durch Worte und Taten eine Vielzahl von Menschen beeinflussen. In der Systematik sind deshalb in der Celebrity-Spalte die wesentlichen Bereiche und Funktionen aufgeführt, in denen werblich auftretende Personen zu Berühmtheit gelangen. Der Berühmtheitsgrad kann aus unterschiedlichen Quellen stammen, aber er speist sich bei klassischen Celebrities üblicherweise aus den Bereichen Sport, Musik, Mode sowie Film & Fernsehen.
Zu den beliebtesten Celebrities zählen bei den Deutschen prominente Schauspieler, gefolgt von Musikern und schließlich Fußballern. 11 International wird die Celebrity-Landschaft überwiegend von Musikern und Schauspielern dominiert, die durch Hochglanzveranstaltungen wie Grammy oder Oscar global gefeiert werden (wobei Jan Voss in seinem Beitrag besonders die Musikstars behandelt). Seit David Beckham und Cristiano Ronaldo auch neben dem Spielfeld als Weltstars auftreten, drängen immer mehr Fußballer als Marke ins Rampenlicht (wie Toan Nguyen in seinem Beitrag erläutert).
In der Systematik zeigen Celebrity-Subkategorien wie Model, Starlet, Reality Star und Show-Koch, dass Prominenz als Produkt aus Bekanntheit und Beliebtheit ein immer leichter zu erreichendes Gut geworden ist. So wird der Begriff „prominent“ inzwischen recht weit gedehnt. Oft haben TV-Moderatoren, Society-Darlings und Finalisten von Castingshows überschaubare Fan-Zahlen und eine geringe Bekanntheit in der breiten Bevölkerung vorzuweisen. Für einen Werbeauftritt kommen sie aus Sicht vieler Unternehmen dennoch in Frage, denn mitunter geht es nicht um eine strategische Aufwertung der Marke mit „Ruhm, Glanz und Glamour“, sondern um eine taktische Markenaktualisierung durch Nutzung des Momentums. Promis, die nur kurzzeitig im Rampenlicht stehen, sind kostengünstiger und deren Popularität muss meist nur wenig länger vorhalten als die Dauer der Werbekampagne. Dass deren Name und Promi-Hintergrund dann als Untertitel in der Werbung zusätzlich angegeben werden muss, stört Werbetreibende in diesen Fällen wenig.
Als Creatorsollen hier die klassischen Influencer gelten, die in erster Linie durch Aktivitäten in Social Media bekannt geworden sind und eine mittlere bis hohe Reichweite in ihrer Fanbase erzielen. Kommt einem Creator sogar Experten- oder Vorbildstatus durch hohe Anerkennung und Wertschätzung bei vielen Followern zu, wird er auch als Key Influencer bezeichnet. In Deutschland haben die erfolgreichsten Creators Einfluss auf mehrere Millionen Follower. Als Creator sind u. a. Politiker, Sportler, Journalisten, Prominente und Schauspieler aktiv.
Wichtige Charakteristika sind der Content-Schwerpunkt, das Selbstverständnis des Creators und der Hero-Kanal. Je nach Leitmedium unterscheiden sich zum Beispiel Blogger (schriftlich) von Vloggern bzw. YouTubern (audiovisuell), was zwangsläufig das Format bei einer Markenkooperation bestimmt. Hinzu kommt die thematische Affinität zu einem bestimmten Genre wie Lifestyle, Mobilität oder Ernährung, für das ein Creator in erster Linie bekannt ist, weil sich daraus die Art des Contents ableitet, der im Falle einer Zusammenarbeit mit einem Markenunternehmen produziert wird. Denn nur relevanter Content erzeugt auch die nötige Resonanz bei der Community, um sich intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Ein Creator entfaltet mit seinem Content die größte Wirkungskraft für eine Marke, wenn Reichweite, Relevanz und Resonanz in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. 12
Genauso entscheidend ist das Selbstverständnis des Creators, denn es macht einen großen Unterschied, ob ein Creator als „Reichweitenbringer“ auftritt oder als „Markenenthusiast“ begeistert für eine Marke aktiv wird (wie Mandy Sarnoch-Möller in ihrem Beitrag über Top-Influencer aufzeigt). Als reiner Multiplikator kann ein Creator Produkten zum schnellen Durchbruch verhelfen, als Enthusiast das Image eines Unternehmens und seiner Marke stärken. Ebenso wichtig für ein Unternehmen bei der Planung einer Markenkooperation ist die Klärung, ob ein Creator von seinem Rollenverständnis her eher als „Experte“ in einer Produktkategorie auftritt oder aber eher als „Kritiker“ fungiert.
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