– At least you are honest
– So shall we drink something and have sex then?
– I’m not sure whether I find you hot enough to sleep with you at all but we could say Hi
– Or we meet another day when there are better chances to fuck you
Niemand wird sich hier anmelden. Dabei wäre es bestimmt so schlecht, dass es schon wieder gut wäre. So sollte ich vielleicht auch mein Leben betrachten. Ist es nicht so schlecht, dass es schon wieder gut ist?
In dem Kurs Mein Happy End bin ich! lernt man, sich selbst wie eine Romanfigur zu betrachten und sein Leben wie ein Lieblingsbuch aufzuschreiben. Also so: Das ist jetzt die Stelle, wo sie bei Rossmann steht und sich ein neues Duschgel kauft, weil ihr altes Duschgel leer ist . Und so: Und das ist das Kapitel, wo sie so betrunken ist, dass sie an ihrem 30. Geburtstag alle Geschenke in ihrer Stammbar liegen lässt . Oder so: Und das ist das, wo sie die Geschenke nicht wieder kriegt, kein einziges .
Das Problem: Mir fällt kein Happy End ein.
Aber das Herbstprogramm der Berliner Volkshochschulen bietet noch mehr. Zum Beispiel: Marmorieren mit Rasierschaum .
Macht man da Marmor aus Rasierschaum? Oder Rasierschaum aus Marmor? Oder geht es um etwas ganz anderes und es handelt sich um einen Code für Sex auf einer Küchenplatte aus Marmor?
Nein.
Mit Hilfe von Rasierschaum und wasserlöslichen Farben wird Papier marmoriert. So werden kleinformatige Bilder mit abstrakten Motiven geschaffen. Voraussetzungen: Freude am Malen und Experimentieren, keine Vorkenntnisse notwendig .
Das geht nicht.
Ich habe zwar Vorkenntnisse, aber keine Freude. Vielleicht melde ich mich doch lieber beim Happy End an. Schlimmer kann es ja nicht werden. Und Bücher mag ich auch.
Einmal brachte er ein Buch mit. Das Buch war rot und hieß Praxisbuch der Psychomagie. Es stammte von einem alten Chilenen, der damit in Südamerika ein Guru geworden war. Magie hatte in diesem Fall nichts mit weißen Hasen oder zersägten Frauen zu tun. Das Buch handelte von den großen und kleinen Problemen des Lebens. Die Kapitel hießen:
Mütter, die am Telefon kritisieren
Abscheu gegen Sperma
Abwesenheit des Vaters (bei einer Frau)
Angst, in Ohnmacht zu fallen
Zauber gegen Angst
Eintönigkeit in der Ehe
Abwesenheit des Vaters (bei einem Mann)
Intellektuelle Beklemmung
Warzen
Gescheitertes Leben
Als Scheidungskind las Ellie das Vaterkapitel .
Der Chilene erklärte, wenn eine Frau keine inzestuösen Gefühle für ihren Vater habe, könne sie eine glückliche Beziehung vergessen. Psychomagie aber helfe, wenn man nicht von Sex mit seinem Vater träume. Man müsse sich nur ein Foto seines Erzeugers in die Vagina schieben, nach fünf Tagen auf das höchste Gebäude der Stadt steigen, das Foto wieder herausziehen, zerreißen, die Schnipsel hinunterwerfen und rufen: Verteile dich unter den Männern!
Ellie wusste nicht, welches das höchste Gebäude in Berlin war. Außerdem hatte nicht jeder ein Foto von seinem Vater .
Doch der Chilene war gewappnet .
Wenn kein Lichtbild des Vaters zur Hand sei, solle man ein Stück Würfelzucker nehmen , Papa drauf schreiben und es sich dann einführen. Was man in dem Fall vom höchsten Gebäude werfen sollte, blieb allerdings offen .
Musste man springen?
Ellie hatte sich achthundert Witze überlegt, bis er aus der Dusche kam, aber er lachte nicht ein Mal mit .
– Kannst du nischt nur eine Kapitel lesen und sagen, ist scheiße. Musst du alles lesen!
Ellie las noch das Kapitel Frau, die an eine Liebe aus der Vergangenheit gebunden ist. Um einen Ex hinter sich zu lassen, sollte man sich seinen Haustürschlüssel einführen, fünf Tage lang in sich tragen, danach dem Typen in die Hand drücken und das Schloss zuhause auswechseln lassen .
– Und? Was denks du?
– Hm .
– Hat meine Leben verändert .
Er strich ein paarmal über den Umschlag wie über eine Tischdecke, die Falten warf .
– Sind Beispiele, muss man das ubertragen. Mir hat geholfen in Krisis und fur die Buhne .
Als Ellie Freunden davon erzählte, war die Meinung einhellig: Weg mit dem sexistischen Esoteriker! Aber ihr war egal, dass er an Psychomagie glaubte. Er hieß Alvaro, und sie mochte ihn .
Das Jahr hatte gerade begonnen, als sie an dem Tresen saß, an dem sie in diesem Winter immer saß, und Alvaro durch die alte Holztür kam. Er begrüßte Menschen, die sie nicht kannte, mit Handschlag und trug eine schwarze Bomberjacke über einem grauen Pullover, dessen Kapuze er über den Kopf gezogen hatte. In seinem Blick lag etwas Verschlagenes, zwischen seinen Lippen hatte er eine Zigarette .
Nach einer Weile kam eine Frau aus dem verrauchten Hinterzimmer. Sie trug ihre Haare, als wäre Sommer in Schweden, und ein Kleid, das zu eng war für offene Fragen. Da schaute Alvaro nicht mehr zu Ellie. Die Frau stand sehr nah vor seinem Gesicht. Ellie konnte nicht wegsehen. Es war wie ein Unfall, und sie wünschte sich, die Schwedin würde ihn nicht überleben. Irgendwann hörte sie, wie die Frau ihren Freund erwähnte, und war erleichtert. Aber Alvaro begleitete sie ins Hinterzimmer. Ellie fiel nichts anderes ein, als aufzustehen und in den anderen Raum zu schauen .
Alvaro hockte unter einem zerknitterten Pin-up-Girl. Die Bar gehörte einem verzweifelten Italiener namens Giovanni, der so tat, als wäre er Marlon Brando, und so, als wäre er nicht verzweifelt. Alvaro saß in einer Gruppe Menschen, die so wirkten, als wäre selbst eine U-Bahn-Fahrt vor allem Party. Er sah zu Ellie. Sie fand, dass er traurig aussah, und machte eine Bewegung mit ihrem Kopf. Im Sinne von: Komm her! Und falls er nicht käme: Mein Nacken tut weh … Als sie sich zurück an den Tresen setzte, überlegte sie, ob er sie für verrückt halten könnte. Aber es dauerte nicht lange, bis er auf dem Hocker neben ihr saß .
Aus der Nähe gefiel er ihr noch besser. Er zog seine Kapuze vom Kopf. Seine Haare sahen aus, als hätten sie sich gerade angeschrien. Und seinen dritten Satz sagte Alvaro durch eine Rauchwolke, ohne Ellie anzusehen .
– Du ziehst hubsch aus .
Sie betrachtete ihn .
– Isch weiß nischt, was denkst du, wenn isch sage, du ziehst hubsch aus?
Sie antwortete nicht .
Sie blieben sitzen, als die aufgedrehten Schweden gingen und ihn mitnehmen wollten. Er bestellte noch ein Bier und Ellie erzählte ihm alles, auch die Dinge, die sich in ihrem Rotweinkopf nicht schnell genug verstecken konnten. Alvaro hörte zu. Oder er sagte einfach nur nichts. Ellie bekam Schluckauf, und draußen lag Schnee .
Als er sein Fahrrad aufschloss und am Kanal entlang schob, hatte Ellie Angst, dass er einen Unfall haben könnte. Aber Alvaro lachte und streifte braune Wildlederhandschuhe über seine Hände. Sie schauten einander an und umarmten sich. Dann schauten sie einander wieder an und umarmten sich ein zweites Mal .
– Ja, konnen wir uns sehen wieder, sagte Alvaro .
Ellie hatte gar nicht gefragt .
Ein paar Tage später ging sie wieder in die Bar. Die Scheiben des großen Fensters waren beschlagen, drinnen knackte das brennende Holz im Kamin. Alvaro saß am Tresen bei einem dicken Mann mit feuerroten Haaren. Erik war immer in der Bar und er redete immer von Karin, einer Frau, die niemand kannte, weshalb manche bezweifelten, dass sie existierte. Alvaro wiederum erklärte, Erik habe Geburtstag. Neben ihnen hockte ein bärtiger Trinker, der versuchte, einen Strohhalm anzuzünden, der in einem Yes-Törtchen steckte. Alvaro sah belustigt zu. Etwas schien anders als in der Nacht, als sie einander kennengelernt hatten, aber Ellie hätte nicht sagen können was. Sie war verabredet und fragte deshalb, ob er ihr seine Nummer gebe. Er schaute ihr in die Augen. Eine Sekunde. Zwei. Drei. Dann schüttelte er den Kopf. Man sah es kaum. Keiner ließ dabei die Augen vom anderen, und Ellie dachte, das stimmt doch nicht, was er da sagt. Wobei er ja nichts sagte. Er schüttelte nur den Kopf .
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