– Gute Besserung, falls man das so sagen kann.
Ich finde, man kann schon.
– Ja, dann, danke.
– Bedankt hat sich hier noch keiner.
– Ja, das kann ich mir vorstellen ...
Er öffnet den Mund, aber ich bin schneller.
– Ich mein, wegen der Bewertungen da.
Er winkt ab.
– Ach so, ja, das war ein Geschenk von meiner Frau, die ist Grafikdesignerin. Und verrückt.
Er verschwindet in sein restliches Leben.
Vermutlich eher Rest als Leben.
Ich überlege, ob ich mir einen Hund zulegen soll. In meinem Bett schaut mich morgens nur noch Balu, der Bär, an. Meine Wärmflasche. Einmal bin ich erschrocken, die Plastikaugen sind so groß.
Die Probleme im Berliner Tierheim beginnen allerdings schon mit den Namen. Bläcki, Pfeffi und Toros sind gerade im Angebot. Toros könnte ich in Torso ändern, aber dann bekäme ich trotzdem einen Problemhund. Toros wird nervös, wenn er Radfahrer sieht, und verteidigt sein Futter mit den Zähnen . Außerdem ist er ballsüchtig. In seinem bisherigen Zuhause wurde es mit dem Ballspielen leider übertrieben. Toros hat daran nämlich keinen Spaß, sondern rutscht in ein ungesundes Suchtverhalten, aus dem er alleine nicht wieder herauskommt .
Oder ein Pit Bull? Angeblich gibt es nirgends mehr herrenlose Kampfhunde als in Berlin. Aber alle sind verhaltensgestört ( Charakterhund mit Eigenarten ) oder schwere Pflegefälle ( Blasenschwäche und Hüftschaden ). Erst bei einem Mischling ohne Maulkorb überlege ich, ob ich ihn im Struppi-Haus besuchen soll. Dann sehe ich den letzten Satz. Achtung: Antonio kann Türen öffnen!
Wird er irgendwann aus dem Fenster springen?
Ich scrolle mich durch die Katzen. Die meisten haben sich in ihrem früheren Leben unausgeglichen gezeigt und warten im Garfield-Haus darauf, endlich mal vom Glückstopf zu naschen . Wer so etwas schreibt, macht Urlaub auf Balkonien und spielt Lotto. Wollen Sie der neue Dosenöffner sein? Eher nicht.
Dann vielleicht eine Reise? Ich will aber auch keine Lose bei Ryan Air kaufen.
Also YouTube. Extrem schlechte Musik hilft oft gegen extrem schlechte Laune. Und besser als die Songs sind natürlich die Kommentare.
Hanson Brothers: MMMBop .
I was about 14 when this came out, now I'm 35 and I still have no clue what the hell they are singing about!!
Can’t remember Kurt Cobain having three daughters??!
If you are watching this in 2018 you are a legend
O-Zone: Dragostea Din Tei.
Am I the only Romanian here who actually understands what they sing?!
Please don’t tell me Europe is a better place than the US!
If you are watching this in 2018 you are a legend
Ich gebe nochmal mmmm ein und bekomme die Crash Test Dummies vorgeschlagen. Die mag ich sogar. Und das übrige Internet auch.
If you see this video you are safe, God bless You and you will have a good life :)
It’s so hard to make Alexa play this great song!
Here I go again searching for my youth on YouTube
DEN LETZTEN SATZ,
DIE RECHNUNG, DEN HEIMWEG
Wie hält man das Leben aus? Gar nicht. Und in der immer gleichen Bar. Sie hat keinen Namen, aber alle nennen sie Italien. Hinter dem Tresen hängt ein Artikel über Marlon Brando. Darin heißt es, dass jeden Tag weltweit Tausende Frauen beim Masturbieren an Marlon Brando denken. Marlon Brando hat allerdings das Gesicht von Giovanni, dem Besitzer der Bar, der wohl irgendwann mal ein Foto von sich selbst auf das von Brando geklebt hat. Giovanni sieht nicht aus wie Marlon Brando, aber sein Körper hat Ähnlichkeit mit dem von Brando, mit dem des späten Brando, nicht mit dem aus Endstation Sehnsucht . Seine Frau heißt auch nicht Stella. Aber sie hat ihn verlassen. Er dagegen behauptet, sie mache Urlaub auf Sardinien.
In Italien vergessen die Menschen ihre Probleme und manchmal auch ihre Hose. Und ich den letzten Satz, die Rechnung oder den Heimweg.
Als ich das erste Mal da war, musste ich an eine Sitcom denken, bei der die Lacher aus dem Off kommen. Nur, dass auf den alten Sofas nirgends Al Bundy hockte, sondern Menschen saßen, die mit Cannabis und Vintage-Strickpullovern durchs Leben kommen. Auch heute haben einige Tastentelefone vor sich liegen und viele sehen aus, als wüssten sie ihre eigene Nummer nicht. Einer hat Zöpfchen im Haar wie ein Kind. Oder wie ein Kiffer. Dafür fehlen Erik und Bosch, zwei Stammgäste, die vor dem Tresen sitzen wie zwei Kakteen. Sie brauchen weder Licht noch Aufmerksamkeit, ein Bier reicht.
Ein Mann in einem Bugs-Bunny -T-Shirt will einen Whiskey Sour. Giovanni sieht ihn streng an und erklärt, bei ihm gelte die Cocktail-Regel.
– Und wie geht die Cocktail-Regel?, fragt der Bugs-Bunny-Mann.
– Keine Cocktails!
Was in meinem Handy steht:
Hey! Danke für die Nachricht. Habe mich zwischenzeitlich mal bisschen vom Dating-Leben zurückgezogen, zu vieles bei mir in der Schwebe mit Wohnort etc. Falls dich das nicht hindert, mit mir einen Drink zu nehmen, meld dich! Ich würd mich freuen!
Was da wirklich steht:
Hey! Irgendwas muss ich ja jetzt antworten. Eigentlich treffe ich keine Frauen mehr, weil ich eine kennengelernt habe, die will eine Beziehung etc. Was ich will, ist bisschen in der Schwebe. Wenn du dich hinterher nicht beschwerst, könnten wir einen Drink nehmen und wenigstens mal Sex haben, das musst aber du entscheiden. Mir jedenfalls würde es guttun!
Weil mir nichts Besseres einfällt, lerne ich drei Männer kennen. Sie haben ähnlich viele Probleme wie die Hunde und Katzen im Tierheim.
Der erste sieht aus wie Jesus.
Er erzählt von seiner Mutter, die ihn immer wieder besuche, seit dem Tod seines Vaters sei ihr langweilig. Er erklärt, dass er Nutella liebe und seit vier Jahren keine Frau mehr gehabt habe. Zweimal sagt er, dass mein Körper sehr schön sei, während ich vollständig angezogen neben ihm sitze. Aus Gründen, die ich nicht kenne, lasse ich zu, dass er mich küsst.
Er küsst mich wie ein Siebenjähriger, mit spitzen Lippen. Ich passe mich an, denke aber bald, vielleicht muss ich zeigen, dass wir uns richtig küssen können. Ich öffne meinen Mund, doch Jesus hält die Lippen weiter aufeinandergepresst. Ich schließe meinen wieder, aber nun öffnet er seinen, wo ich meinen längst wieder zu habe. Anders als ich meinen, lässt er seinen offen und stößt seine Zunge schnell und weit heraus und zieht sie gleich darauf wieder ein. Rein, raus, rein, raus.
Den zweiten nenne ich The Britalian .
The Britalian kommt aus Mailand und versucht, britisches Englisch zu sprechen, weil er einst in seine Englischlehrerin verliebt war. Das Problem ist, dass er zu der Zeit mit einer zusammenkam, die zwölf Jahre seine Freundin bleiben sollte. Sie waren schon verlobt, da träumte sich The Britalian in ein anderes Leben. Von Schuldgefühlen geplagt, schlief er sich zwei Jahre durch Matratzen ohne Bettgestelle und bekommt jetzt, da ich vor ihm sitze, immer noch leuchtende Augen, wenn er von Clubs erzählt, die freitags öffnen und montags noch voll sind. Mehrfach erklärt er, sein Herz klopfe, wenn er meine Stimme höre, dann fährt er nach Italien und mistet den Keller seiner Eltern aus.
Reisen in die Heimat sind fatal.
Die Menschen müssen sich dann damit auseinandersetzen, wer sie früher waren, werden unzufrieden und projizieren das auf die, mit denen sie angebandelt haben. Oder sie rennen in Ex-Partner. Oder Ex-Partner in sie. Oder: Sie räumen den Keller ihrer Eltern aus.
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