»Ich sehe, du hast einen neuen Freund gefunden.«
Noch mehr, als Radmilas Lächeln es geschafft hatte, ließ das Lächeln des Mannes das Blut in Rhys' Adern gefrieren. Er würde alles tun, um den Mann berühren zu dürfen, von ihm berührt zu werden. Der Gedanke stieß Rhys ab, auch wenn er gleichzeitig hart wurde.
»Rhys, das ist Jarek.«
Jarek machte einen Schritt auf ihn zu und bot ihm seine rechte Hand an.
Er versuchte, sie nicht zu ergreifen. Versagte. Kalte Haut. Eiserner Griff. Rhys konnte nicht loslassen.
»Ich bin sehr erfreut, dich kennenzulernen, Rhys.«
Die Art, wie Jarek seinen Namen sagte, wie das Verlangen in den Augen des blonden Mannes brannte, ließ Rhys' Knochen in Flammen aufgehen.
»Er wartet ebenfalls auf einen Freund«, erklärte Radmila. Sie ließ die Hand ihres Partners los.
»Ah, ich verstehe.«
Diese Worte und die plötzliche Kälte seiner eigenen Haut ließen Rhys seine Hand zurückziehen. Oder er dachte zumindest darüber nach. Seine Hand blieb fest in Jareks Griff.
»Nein, Rhys. Das geht so nicht.« Jarek nahm das Buch von Rhys' Schoß und legte es auf den Tisch. »Warum setzt du dich nicht zwischen Radmila und mich? Dann können wir uns ein bisschen unterhalten?«
Rhys stand auf, obwohl sein Verstand ihn anschrie, es nicht zu tun. Oh Gott. Wo zur Hölle war Silas? Er musste ihnen entkommen, diesen… Leuten?
Alles, was er tun konnte, war das, was Jarek ihm befahl. Sie rückten die Stühle so zurecht, dass sie näher beieinandersaßen, Rhys zwischen den beiden.
»Nun.« Jarek streichelte mit dem Daumen über Rhys' Handrücken. »Auf wen wartest du?«
Scharfe Nadelstiche malträtierten Rhys' Lunge, als er versuchte, nicht einzuatmen, und darum kämpfte, nichts zu sagen. Dennoch kam es ihm über die Lippen. »Silas.«
»Silas?«
»Quint.« Die Worte auszusprechen, fühlte sich an, als hätte man ihn in Glas geschubst und dann über die Scherben gezerrt.
Radmilas Lachen erklang. »Er hat seinen Namen umgestellt.«
Jarek lächelte, zeigte dabei einen Mund voller Zähne, die falsch waren. Jeder einzelne war spitz, wie bei einem Sägeblatt. »Und weißt du, wo Silas ist?«
Bei dieser Frage hatte Rhys zumindest kein Problem, sie von allein zu beantworten. »Nein.«
»Wann wird er zurückkehren?«
»Beim ersten Tageslicht.« Denn Vampire – das war es, was diese zwei sein mussten – konnten Sonnenlicht nicht ertragen. Doch momentan war es dunkel und Silas war nicht hier.
Warum war Silas nicht hier?
»Natürlich«, murmelte Jarek. Er hob Rhys' Hand an seinen Mund und leckte darüber. »Du bist überaus entzückend. So voller Angst.« Er drehte Rhys' Hand um und kratzte mit den rasiermesserscharfen Zähnen über sein Handgelenk. Dann biss er zu.
Jareks Mund fühlte sich an, als würde Säure sein Fleisch verätzen. Rhys konnte nicht einmal schreien. Nur einen Sekundenbruchteil später verebbte der Schmerz. Jarek zog sich zurück.
Bissspuren und Blut, aber die Wunde war so klein, dass sie wie der Biss eines Katzenbabys aussah. Wenn sich ein kleiner Biss so anfühlte, würde Rhys einen richtigen Biss niemals überleben.
»Nun«, sagte Jarek. »Reiche Radmila deine andere Hand.«
Gott, nein. Aber er tat, wie ihm geheißen.
Radmila biss ihn genauso, wie Jarek es getan hatte, und es hatte denselben Effekt auf ihn. Am Ende atmete er die Luft in flachen Atemzügen ein. Als sie eine Hand losließ, sagte sie Jarek etwas in einer Sprache, die Rhys nicht verstand. Er lachte als Antwort.
Jarek strich mit einem Finger Rhys' Hals hinab. »Weißt du, was dein Freund Silas Quint ist?«
Die Antwort bahnte sich ihren Weg aus Rhys' Kehle, obwohl er versuchte, Jareks Berührung zu entkommen. »Fae.«
»Und hat der Fae dir gesagt, was du bist?«
»Ich…« Was er war? Erinnerungen an ihr Gespräch beim Abendessen kamen Rhys in den Kopf. »Er sagte, ich wäre ziemlich einzigartig auf der Welt.«
Radmila schnaubte.
Jarek schnalzte mit der Zunge. »Nun, nun. Die Fee hat ihm die Wahrheit gesagt.«
»Aber nur einen Teil davon.« Ihre Hand umkreiste sein Handgelenk. »Ich will mehr von ihm.«
»Ja«, sagte Jarek. »Aber nicht hier.« Er erhob sich und zog Rhys ebenfalls auf die Beine. »Mach dir keine Sorgen. Dein Fae wird dir schon bald Gesellschaft leisten.«
Radmila stand auf und verhakte ihren Arm mit Rhys'. »Es ist eine perfekte Nacht für einen Spaziergang an Deck.«
Sie führten ihn zu dem dunklen Glas der Außentüren, die sich öffneten, als sie sich näherten. Die Nacht war windig und kühl, gefüllt mit dem Geruch des Ozeans. Eine Mondsichel hing über dem Wasser, warf ein weißes Licht auf das pechschwarze Wasser. Es wäre wunderschön, wäre er nicht zwischen zwei Vampiren eingeklemmt. Wo war Silas? Er sollte diese Kreaturen jagen!
»Ich möchte dich fast laufen lassen«, flüsterte Jarek ihm ins Ohr. »Nur um deine Hoffnung sterben zu schmecken.«
Ein Laut entkam seiner Kehle, doch es war nicht mehr als ein Wimmern.
Radmila leckte über Rhys' Hals. »Oh, aber das ist sie gerade, oder nicht?«
Sie führten ihn zu einem im Schatten liegenden Tisch nahe des Schotts. Jarek drückte ihn hart gegen die Metallwand. Kleidung zerriss und seine Krawatte wurde ihm vom Hals gerissen. Sein Hemd folgte, die Knöpfe klackerten auf dem Holzboden. Kalte Lippen fuhren über sein Schulterblatt. Jareks Zähne durchdrangen Rhys' Haut und Muskeln.
Flammende Stacheln bohrten sich in sein Fleisch. Rhys' Kehle schmerzte, als würde er schreien, doch ihm entkam nur ein leises Wimmern. Diese Laute schienen Jarek nur weiter zu beflügeln. Finger gruben sich in seine andere Schulter und drangen ebenfalls in das Fleisch ein.
Rhys würde sterben. Gott, er wollte sterben. Dann würden diese Qualen, das brennende Feuer in seinem Blut, endlich aufhören.
Aber das tat es nicht. Als Radmila Jarek beiseitedrängte, ebbte es für einen Moment ab. Sie sagte etwas, doch die Worte ergaben keinen Sinn. Jarek lachte wieder und trat zurück. Radmila kam dafür näher.
Rhys brannte, als hätte jemand sein Knochenmark angezündet. Als sie sich zurückzog, hätte er vor Erleichterung aufgeschrien, wäre er dazu in der Lage gewesen, überhaupt einen Laut von sich zu geben. Das hier passiert nicht wirklich. Das kann gar nicht passieren.
Sie rissen ihm die restlichen Kleider vom Leib, der Stoff gab ein lautes Ratschen von sich, als er nachgab. Das einzig andere Geräusch in der Nacht war das dumpfe Summen des Schiffes und das Klatschen des Wassers gegen den Schiffsrumpf. Keine Schritte. Niemand, der ihn retten würde.
Jarek hob Rhys hoch und drapierte ihn auf dem Tisch. Das kalte, offene Metallgewebe kratzte an Rhys' nacktem Rücken. Im Vergleich zu dem, was vorher geschehen war, glich es beinahe einer angenehmen Berührung.
Die Atempause hielt nicht lange an. Radmila schwebte in sein Blickfeld, die Zähne vollständig gebleckt. Sie fuhr mit einer Klaue seine Wange entlang, die Parodie einer Liebkosung. Die Wunde schmerzte, als hätte man Sand hinein gerieben. Der scharfe, metallene Geruch von Blut stieg ihm in die Nase. Er schmeckte den bitteren Geschmack in seinem Mund.
Dann fielen die Vampire über seinen Körper her. Eis schnitt durch seine Beine. Feuer pulsierte in Wellen durch ihn. Er fühlte das Ziehen und Reißen seines Fleischs und das Brennen von Säure, das folgte, wenn Gischt die Wunden bedeckte. Zähne gruben sich wie gläserne Dolche in seine Brust. Radmilas Haar fiel gegen die Überreste seines Gesichts und seiner Schulter. Die feinen Strähnen bewegten sich wie Maden, bevor sie sich in sein Fleisch gruben. Rhys' Nerven schrien und schienen ihm aus dem Leib gerissen zu werden. Ein Summen füllte seine Ohren und Blitze durchzuckten sein Blickfeld. Doch er wurde nicht ohnmächtig, konnte es nicht. Schließlich kam ihm etwas, das einem Wehklagen glich, über die Lippen.
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