Eine andere Art Feuer entflammte in Silas. Er würde jeden einzelnen Seelenlosen töten, bevor das geschah, oder er würde bei dem Versuch umkommen. Er würde nie zulassen, dass Rhys diesen Schmerz spürte. Den Göttern sei Dank war Rhys im Garten geblieben. Diese Menge an Leben war sogar heller als ein Viertel-Fae. Sie würde ihn schützen.
Er ging durch die Bar, suchte die Menge mit seinen Blicken ab. Nichts. Vielleicht in der Disco. Oder vielleicht hatten sie sich entschieden, in der Dunkelheit eines der Theater zu jagen.
Er nahm sich einen Moment Zeit, um nach dem Garten zu spüren. Selbst jetzt, da er von dessen Existenz wusste, war er kaum wahrnehmbar. Nur so stark wie ein einzelnes afrikanisches Veilchen, das sich eine halbe Meile entfernt befand. Das war besorgniserregend. Er hätte ihn spüren können müssen und er sollte jetzt aus ihm schöpfen können. Zur Hölle, er hätte wissen sollen, was Rhys war, noch bevor dieser die Drinks auf ihm verschüttet hatte.
Es sei denn, Rhys trug einen Illusionszauber, einen, den Silas auf Distanz nicht durchschauen konnte.
Er grübelte weiter darüber nach. Ein Illusionszauber würde erklären, warum Rhys allein umherzog, warum kein anderer Fae ihn gefunden hatte. Ein so großer Teil des Wissens über Splitter war von Mythen und Legenden umgeben. Sie könnten eigene Abwehrmechanismen besitzen.
»Brauchen Sie etwas, Sir?« Ein Kellner schaute ihn an.
Wie lange stand er schon in der Mitte der Bar?
»Nein, mir geht es gut.« Silas bewegte sich auf die Tür zu. Er musste sich konzentrieren. Die Seelenlosen finden. Sie erledigen. Sobald die Sonne sich über dem Ozean erhob, konnte er zu Rhys zurückkehren und ihn endlich in eine ihrer Kabinen zerren und ihn ficken, bis keiner von ihnen mehr denken konnte. Vielleicht würde das das verzweifelte Verlangen befriedigen, das seine Gedanken abschweifen ließ und durch das sein Schwanz durchgehend halb hart war.
Es war gefährlich, so abgelenkt zu sein. Junge Seelenlose waren weniger schwierig zu besiegen, aber noch immer tödlich genug. Silas schlüpfte aus der Bar und fand die Disco. Nur Menschen hier. Er versuchte es als Nächstes in den Theatern.
Die ersten beiden waren halb voll mit Menschen – und nur mit Menschen. Im dritten schnappte eine Frau in einer der hinteren Ecken nach Atem, als sie sich auf dem Schoß ihres Partners bewegte. Ihr Stöhnen war über den Ton des Actionstreifens hinweg, den sie nicht beachteten, kaum zu hören.
Er zwang sich dazu, den Kinosaal gründlich abzusuchen, trotz der wachsenden Hitze seines Verlangens. Es war eine Sache, Rhys zu verführen, während sein Illusionszauber sie umgab, aber eine ganz andere, in der Öffentlichkeit zu vögeln, wie die Menschen es taten.
Silas hatte das nie gemacht. Es nie gewollt, bis zu diesem Moment. Wie wäre es wohl, an so einem Ort zu sitzen und Rhys einen runterzuholen, ohne dass der Schutz seines Illusionszaubers sie umgab? Wo jeder sie bemerken könnte?
Feuer lief Silas' Rücken hinunter. Eine klauenartige Hand bedeckte seinen Mund. »Suchst du nach etwas, Fee?« Fauliger Atem an seinem Gesicht.
Oh Scheiße. Orkus möge ihn im Boden versinken lassen!
Der Seelenlose biss in seine Schulter und Schmerz explodierte in Silas' Nerven. Jahrhundertelange Disziplin übernahm. Er taumelte vorwärts und warf die Kreatur über sich hinweg. Kleidung und Fleisch rissen, als Silas den Seelenlosen durch die Luft und auf die abgedunkelte Rampe des Kinosaals schleuderte. Dünne Linien eisigen Feuers brannten auf seiner Schulter.
Silas achtete nicht darauf, wo die Kreatur landete. Er rannte zum Ausgang. Es war eher ein strategischer Rückzug, nicht etwa ein aus Angst geborener. In der Lobby gab es mehr Platz und es war heller. Die Chance, einen Menschen mit seinem Schwert zu treffen, war geringer. Die Götterboten verziehen viele Dinge, aber nicht, wenn er aus Versehen einen Menschen mit dem von einem Phönix geschmiedeten Schwert tötete.
Keiner der Kinobesucher bemerkte den Kampf. Die Seelenlosen woben ihre eigene Art von Illusion, um die menschlichen Sinne zu täuschen.
Silas stolperte ins Foyer. Bei den Göttern, wie hatte er die Schmerzen und das Taubheitsgefühl vergessen können, die so ein Biss mit sich brachte?
Leichtsinnig und dumm war es, sich so erwischen zu lassen.
Gift wütete durch seine Glieder, verlangsamte ihn. Keine Zeit, sich zu heilen.
Schritte hinter ihm. Verdammt noch mal! Er drehte sich um und schwang sein Schwert in Richtung des Seelenlosen, der ihn verfolgte – und verfehlte ihn.
Verfehlt. Zum ersten Mal seit fünf Jahrhunderten. Er konnte nicht anders, als geschockt einen Schritt zurück zu machen.
Mehr brauchte es nicht. Der Seelenlose erwischte seine Schulter, als Silas sich drehte, vergrub seine Krallen darin und schleuderte ihn mit dem Gesicht voran gegen die Wand. Sein Nasenbein brach und Blut floss ihm das Gesicht hinunter. Die raue Tapete an Silas' verletztem Gesicht brannte wie Säure auf seiner Haut. Lichtpunkte tanzten in seinem Blickfeld. Er wollte aus tiefstem Halse schreien, aber die Genugtuung würde er der Kreatur nicht geben.
Alles roch nach Blut.
»Der große Silvanus also.« Eine männliche Stimme, tief und kalt, sprach in sein Ohr. »Ich dachte immer, der Gott des Waldes würde eine Herausforderung darstellen.«
Erneut sanken Zähne in Silas' Fleisch, noch tiefer als zuvor. Qualen durchfluteten ihn, doch dieses Mal folgte eher Zorn als Scham. Silas drehte den Griff des Schwertes in seiner Hand und rammte es rückwärts in die Magengrube der Kreatur. Die heulte auf und ließ ihn los. Der Seelenlose musste sich von seiner Klinge gezogen haben, denn das Gewicht auf dem Schwert verschwand.
So viel zum Thema Überraschungsmoment. Silas drehte sich um, lehnte sich Halt suchend gegen die Wand.
Der Seelenlose war einst ein Mann gewesen und hatte noch immer diese Gestalt, doch er hatte einen blutigen Schlund mit gezackten Zähnen als Mund und vogelartige Klauen als Hände. Braunes Haar, schwarze Augen und ein Gesicht, das attraktiv gewesen wäre, wäre es menschlich.
Der Seelenlose spuckte Silas an und zog sich zurück, eine klauenartige Hand auf die Wunde in seinem Bauch gedrückt. Teile des Fleisches fielen herunter und verwandelten sich in Asche. Dann war es also ein junger. Wäre er älter, hätte der Hieb ihn höchstens verlangsamt.
»Doch nicht so leicht.« Silas veränderte den Griff um sein Gladius und wischte sich mit seinem Ärmel das Blut vom Mund. »Und Herausforderung genug, um dich auszulöschen.«
Die Kreatur bleckte ihre Fangzähne. »Aber zu welchem Preis, Silvanus? Das Meer ist dir kein Freund.«
Wieder sein Name. Woher kannte die Kreatur den? Silas stieß sich von der Wand ab und stakste auf den Seelenlosen zu. Blut aus der Wunde an seiner Schulter lief seinen Nacken hinunter und tränkte sein Hemd.
Der Seelenlose versuchte zurückzuweichen, doch er taumelte auf den Boden.
»Langsam oder schnell«, sagte Silas. »Egal, auf welche Art, die Götter werden deinen Körper bekommen.« Er blieb stehen, als er die am Boden liegende Kreatur erreichte.
»Und der Meister wird deine Seele nehmen.« Die Kreatur stürzte sich auf Silas' Bein. Vergrub ihre Fänge und Klauen in seiner linken Wade.
Silas fluchte und hieb mit dem Schwert nach dem Hals der Kreatur. Seine Muskeln wappneten sich gegen den Aufprall, doch die Klinge glitt sauber hindurch. Der Körper löste sich in Asche auf. Der Kopf prallte einmal vom Boden ab, ehe dasselbe mit ihm passierte.
Stille, abgesehen von seinem abgehackten Atem. Silas riskierte es, sich im Foyer umzuschauen. Niemand, Fortuna sei Dank. Sein Illusionszauber war in Fetzen, genauso wie sein Körper.
Tausende von Messern tobten in seinem Blut. Das war wirklich schlecht gelaufen. Stolz war das Einzige, was ihn aufrecht hielt. Er hatte viel Schlimmeres überlebt, aber nicht seit einer langen Zeit.
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