Daß diese Freude so aussehen, explodieren, alle Gebäude und Treppen in ihrer Umgebung, den Himmel über ihnen, Trottoir und Straßen verwandeln und umformen könnte und sie vor Schönheit brausen lassen sollte – nein, das hatte sie nicht erwartet. Es kommt ganz überraschend, verwirrt sie und macht sie nicht wenig verlegen. Aber mißzuverstehen ist es nicht.
„Was macht ihr hier?“ ruft Sheila. „Wir machen Sight-Seeing“, ruft Inger zurück. Und das ist ja auch keine Lüge. Sie macht das wunderbarste Sight-Seeing ihres Lebens. Sie fügt hinzu: „Wir wollen uns Edinburgh Castle ansehen.“ Dann gehen sie vorbei. Sie gehen weiter bis zur Ecke. Aber als ihr klar wird, daß Sheila sie in der nächsten Sekunde nicht mehr sehen kann, dreht sie sich um, sie muß sich einfach umdrehen, um sie noch einmal zu sehen, und um zu sehen, ob Sheila ihr nachblickt, und das macht Sheila – sie schaut ihnen nach, und als sie sieht, daß Inger das sieht, hebt sie den Arm, einen nackten, sonnenverbrannten Arm, und winkt, und wieder bringt sie Schönheit über den ganzen Stadtteil.
Es ist vorbei. Ich habe sie gesehen. Und jetzt sehe ich sie nicht mehr. Eine seltsame Wehmut, fast wie Übelkeit, überkommt sie. So kurz!
Ein furchtbarer Schwindel überkommt sie, als sie die Ecke hinter sich gebracht haben. Es ist ein ganz unbekanntes Gefühl. Und die Sonne, die jetzt noch heißer ist als vorhin, verstärkt das Gefühl, daß alles, was sie um sich sieht, nicht wirklich ist, weil es so entsetzlich klar ist. Die Beine können sie fast nicht durch diese ganze Klarheit tragen.
Sie kann nichts sagen. Sie reden sonst immer sehr lebhaft. Vor Chambers Street hatten sie ununterbrochen geredet. Und jetzt – ist sie stumm. Sie schämt sich. Sie hat das entsetzliche Gefühl, Ella betrogen zu haben, sie in die Irre, hinters Licht, auf Abwege geführt zu haben, auf perverse und widernatürliche Umwege. Und Ella war ganz ahnungslos mitgegangen.
Verstehst du das, Ella? Weißt du, was geschieht? Dieses Licht und dieser Schwindel, die in allem liegen, spürst du sie nicht auch? Kennst du ihre Ursache? Furcht packt Inger. Ella kann es sehen, kann alles durchschauen! Und gegen jedes Naturgesetz tragen ihre Beine sie weiter, The Royal Mile hinauf.
Hier ist schon Maria Stuart gegangen. Hier sieht Inger all die alten Häuser mit ihren seltsamen Läden, Pfandleiher im Souterrain, lebhafter Verkehr, Schotten in karierten Röcken auf der Esplanade, das alles ist plötzlich schöner, klarer, stärker als jedes Bild oder jeder Roman, den sie gelesen hat, obwohl nichts so schön war wie das, aber nicht einmal der schönste Traum von Schlössern und Türmen aus der Märchenwelt kann sich mit den wirklichen Türmen und Schlössern messen, den echten alten Steinen, hier ist St. Margaret’s Chapel, das älteste Gebäude der Stadt, ziemlich klein, hier ist The Banqueting Hall mit ihrem blanken Boden und dem Brausen vergangener Bälle, hier sind Kronjuwelen und Kanonen, hier liegt die Burg, hier erhebt sie sich über Princes Street Gardens, die da mit ihrer Flower Clock mit – wie es heißt – nicht weniger als elftausend kleinen Blumen, die Ziffernblatt, Ziffern und Zeiger bilden, in der Tiefe liegen, als sei hier die ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammengefaßt in einer blühenden Zeitangabe. Und hier steht eine Norwegerin, die gerade die Liebe entdeckt hat.
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