Bevor man mit dem Knoten beginnt, sollte der Faden soweit hindurchgezogen werden, dass noch etwa 4 cm überstehen, um beim Abschneiden Material zu sparen.
Der chirurgische Knoten
Jede Naht endet mit einem chirurgischen Knoten. Dieser soll verhindern, dass sich die Naht während der Tragezeit von allein öffnet und somit aus einer angestrebten primären Wundheilung eine sekundäre Wundheilung werden könnte. Da Wunden in der Mundhöhle ständigen mechanischen Druck- und Zugbelastungen unterliegen (Kauen, Trinken, Sprechen, Schlucken) und Wunden im Gegensatz zur Dermis nicht ruhiggestellt werden können, muss ein chirurgischer Knoten in der Oralchirurgie über etwa eine Woche bis zur Nahtentfernung stabil bleiben.
Verschiedene Knotentechniken sind für oralchirurgische Eingriffe beschrieben. Über alle Stufen zahnärztlicher Berufserfahrung hinweg hat sich jedoch nur eine bewährt, die aus drei aufeinander folgenden Knoten besteht.
Der erste Knoten ist bei eher dickem (3-0 oder 4-0) und multifilem Nahtmaterial ein Doppelknoten ( Abb. 3-1), bei eher dünnem (5-0 oder 6-0) und monofilem Nahtmaterial ein Dreifachknoten ( Abb. 3-2). Beim Zuziehen dieses ersten Knotens werden die Wundränder adaptiert und in Kontakt zueinander gebracht. Für den nächsten Knoten muss man danach den Faden etwas lockerlassen. Hierbei dürfen sich die gerade adaptierten Wundränder nicht wieder voneinander entfernen. Bei dickem multifilem Nahtmaterial ist die Friktion eines Doppelknotens durch die raue Fadenoberfläche genügend groß, um dies zu verhindern. Bei dünnem monofilem Nahtmaterial jedoch ist ein Dreifachknoten erforderlich, um die gleiche Friktion des glatten Fadens zu erreichen und auf diese Weise einer spontanen Dehiszenz der Wundränder vorzubeugen.
Abb. 3-1Bei multifilem Nahtmaterial ist der erste Knoten ein Doppelknoten (aus: Rasperini 5 ).
Abb. 3-2Bei monofilem Nahtmaterial ist der erste Knoten ein Dreifachknoten (aus: Rasperini 5 ).
Der zweite Knoten ist, unabhängig vom verwendeten Nahtmaterial, ein Einfachknoten, der in die Gegenrichtung des ersten Knotens geschlungen wird. Seine Aufgabe ist es, möglicherweise doch etwas voneinander entfernte Wundränder (re)adaptieren zu können, ohne die Naht von vorne beginnen zu müssen.
Der dritte und letzte Knoten ist, ebenfalls unabhängig vom verwendeten Nahtmaterial, erneut ein Einfachknoten, der noch einmal in die Gegenrichtung (beziehungsweise in die Richtung des ersten Knotens) geschlungen wird. Seine Aufgabe ist zu verhindern, dass die ersten beiden Knoten während der Tragezeit aufgehen könnten.
Das Abschneiden des Fadens nach dem Knoten
Nach Beendigung des Knotens muss die Operationsassistenz den Faden abschneiden. Die verbleibende Länge des überstehenden Nahtmaterials sollte genau so sein, dass sich der Knoten innerhalb seiner Tragezeit von alleine nicht öffnet, die Fadenenden jedoch den Patienten nicht stören. Bei multifilem Nahtmaterial sollte dieser Überstand 3 bis 4 mm betragen, bei monofilem Nahtmaterial 7 bis 8 mm. Zu kurz abgeschnittenes monofiles Nahtmaterial pikst in die umgebende Schleimhaut, ähnlich wie Bartstoppeln. Zu lang abgeschnittenes multifiles Nahtmaterial stört wie ein in die Mundhöhle hängender Wollfaden: Der Patient spielt die ganze Zeit mit der Zunge daran herum.
Damit die Operationsassistenz den Faden immer und zuverlässig mit nur einem Scherenschnitt abschneiden kann, sollte der Operateur nach dem Zuziehen des letzten Knotens die beiden Fadenenden einmal durch Übereinanderschlagen der Hände um die eigene Achse drehen ( Video 3-1). Dann gelingt das Abschneiden der beiden Fadenenden mit einem Scherenschnitt immer, was Zeit und manchmal auch Nerven spart.

Video 3-1Überkreuzen der Fadenenden zum einfacheren Abschneiden.
Nahttechniken
Für oralchirurgische Eingriffe wurden insgesamt fast 20 Nahttechniken beschrieben, die alle ihre eigene Indikation haben. Manche, wie die Einzelknopf-Naht, sind bekannt und verbreitet, andere hervorragende Nahttechniken weniger. Einige dieser Nahttechniken sollen nachfolgend etwas detaillierter beschrieben werden.
Einzelknopf-Naht
Die Einzelknopf-Naht ( Video 3-2und 3-3) besteht aus zwei Einstichen durch beide Wundränder hindurch ( Abb. 3-3). Je dünner der Gingiva-Biotyp und je weiter im sichtbaren Bereich die Naht ist, umso wichtiger ist es, dass am Ende der Knoten nicht direkt auf dem Schnitt liegt ( Abb. 3-4). Die Wunde wird bereits in der Heilungsphase unnötig irritiert und die Narbe wird unnötig breit. Um dies zu verhindern, wird nach dem Abschneiden der Fadenenden eines dieser Enden mit einer Pinzette gefasst und auf diese Weise der Knoten vom Schnitt weggezogen: bei krestal liegenden Schnitten grundsätzlich nach bukkal, damit die Naht für die Zunge nicht unnötig störend ist ( Abb. 3-4).

Video 3-2Einzelknopf-Naht (aus: Rasperini 5 ).

Video 3-3Einzelknopf-Naht.
Abb. 3-3Einzelknopf-Naht: 2 Einstiche (aus: Rasperini 5 ).
Abb. 3-4Der Knoten liegt niemals auf dem Schnitt, sondern wird gegebenenfalls am Ende durch Ziehen an den Fadenenden von ihm weggezogen (aus: Rasperini 5 ).
Horizontale Matratzen-Naht
Im Gegensatz zur Einzelknopf-Naht können Matratzen-Nähte deutlich mehr Kraft aufnehmen und deutlich mehr Kraft halten. Sie sind daher immer dann zu favorisieren, wenn Nähte strategisch wichtig sind und diese in der Heilungsphase nicht aufgehen oder sich nicht lockern dürfen. Dies ist insbesondere bei plastischen Deckungen aller Art der Fall, zum Beispiel nach plastischem Kieferhöhlenverschluss, dem plastischen Decken von Alveolen bei antiresorptiv behandelten Patienten sowie nach plastischer Deckung umfangreicher Augmentationen im Zuge von Implantationen.
Alle Matratzen-Nähte bestehen grundsätzlich aus vier Einstichen und alle Matratzen-Nähte beginnen grundsätzlich bukkal, damit auch hier die Fadenenden die Zunge während der Heilungsphase nicht unnötig stören.
Die horizontale Matratzen-Naht ( Video 3-4) heißt deswegen so, weil die vier Einstiche in horizontaler Ebene angeordnet sind (nebeneinander) ( Abb. 3-5). Der Abstand zwischen dem zweiten und dritten sowie ersten und vierten Einstich darf nicht zu klein sein, weil sich sonst die Möglichkeiten dieser Naht nicht ausreichend entfalten können.

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