Hermann sah sich am Eingang eines weiten Tempels sitzen. Der See waren die blauen Fliessen, die Berge die Säulen und Altäre, über denen weisse Wolken wie Weihrauchschwaden hingen. In der Ferne, wo die Landschaft sich schloss, rundete sich in weitem Bogen das Chor mit geheimnisvoll lauschigem Kapellenkranz. Aber das Chor war noch leer, es stand kein Altar darin, und keine Ewige Lampe lockte mit ihrem traulichen Schein. Es fehlte ihm noch etwas an dem Tempel, sein weites Rund umschloss noch keinen Zentralgedanken; das tat seinem künstlerischen Gefühl weh. Er erwachte aus seinem Traum.
„Fräulein, ich habe Sie eben durch meine Unaufmerksamkeit unterbrochen. Sie wollten mir sagen, wie ich beten soll.“
„Im Gebet erheben wir uns zu Gott, gehen schliesslich mit allen unseren Gedanken in ihm auf, leben und freuen uns in ihm. Er ist uns, unserer Seele so nah wie unser Leib uns nicht näher ist. Wenn es rings ganz still ist, können Sie ihn fühlen im Schlag Ihres Herzens und im Singen Ihres Blutes. Denken Sie daran — es ist keine Phantasie, reine und echte Wirklichkeit —, dann fühlen Sie sich glücklich, dann kann kein Leid Sie beunruhigen, kein äusseres Vergnügen Sie von Gott wegreissen. Alles was von aussen, auch von Ihren Nerven, an Ihre Seele herantritt, prasselt an Ihnen herunter wie ein Platzregen an Ihrem Mantel. Sie sind ein Nichts und doch das Grösste was es auf Erden gibt, wenn Sie denken, dass Gott Ihnen so nahe ist. Schliessen Sie die Augen und sagen Sie sich immer die Worte vor: Gott und ich und ich und Gott! Mein Gott, gib mir die Gnade, dass ich dich und mich immer mehr erkenne. — So betend stehen Sie morgens auf, wandern in die Berge und legen sich abends zur Ruhe.“
Drinnen ging eine Türe. Die Mutter trat heraus. „Darf ich stören? Herr Doktor sind sicher müde und hungrig. Das Essen ist bereit. — Ich will eben die Marie rufen, dass wir dich hineintragen.“
„Nein, Frau Aibl, lassen Sie das Mädchen wo es ist. Es ist mir eine Ehre, das Fräulein mit Ihnen hineinzutragen.“
Hermann war aufgesprungen und fasste den Liegestuhl am Kopfende. Die Mutter in ihrer natürlichen Art machte weiter keine Höflichkeitseinwände.
So trugen sie das Mädchen die Stufen der Haustüre hinauf und ins Zimmer hinein. Vor Hermanns Seele stand das Bild aus ,Parsifal‘, wo die Edelknappen den Gralskönig Amfortas zum heiligen See tragen. Er trug hier die Königin seines Montsalvat, die den heiligen Gral in seiner Seele wieder zum Glühen bringen sollte.
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