Damals hatte man ihm eine Menge Fragen nach den Steinen gestellt. Aber er hatte geschwiegen Das hatte nicht dazu beigetragen, die Neugier der Polizei abzukühlen. Im Gegenteil.
Vor einem Blumengeschäft blieb er stehen und bewunderte ein prächtiges Rosenarrangement. Gleichzeitig konnte er dabei seinen Verfolger im Auge behalten.
Der Gentleman verschwand jetzt hinter einer Säule, kam aber auf der anderen Seite nicht wieder zum Vorschein.
Dafür tauchte im Hintergrund ein anderer Mann auf und steuerte auf die Säule zu.
Rebuscini hatte ein gutes Personengedächtnis. Es dauerte nur zwei Sekunden, dann klickte es an der richtigen Stelle ein.
Der Mann war Leutnant Mohanny von der City Police. Der Leutnant hatte ein begreifliches Interesse an Rebuscini. Vor drei Jahren hatte er ah der Aufklärung des Diamantenraubes mitgewirkt.
Rebuscini überlegte. Das Auftauchen von Mahonny bewies, daß man seinem Fall einige Bedeutung beimaß. Was kein Wunder war. Diamanten im Wert von hunderttausend Dollar sind ein ebenso ernster Faktor wie Schnee im August.
Er wandte sich um und steuerte auf die Säule zu, entschlossen, den Stier bei den Hörnern zu packen. Aber er erlebte eine Überraschung. Hinter der Säule war niemand mehr.
Natürlich, dachte er. Das sind auch keine grünen Jungen mehr.
Er durchquerte eilig die Halle, wandte sich am Ausgang nach links und wartete, gedeckt durch einen Zeitungsstand, ab.
Gleich darauf schoß neben ihm Leutnant Mahonny ins Freie.
Rebuscini trat auf ihn zu und tippte ihm auf die Schulter.
„Hallo, Leutnant“, sagte er freundlich.
Mahonny fuhr herum und grinste. Das Grinsen war so falsch wie ein Diamantkollier auf dem Flohmarkt.
„Rebuscini!“ rief der Leutnant. „Was für eine Überraschung. Hat es eine Amnestie gegeben?“
„Machen wir beide uns doch nichts vor“, sagte Rebuscini. „Sie sind hinter mir her, weil Sie hoffen, auf diese Weise zu erfahren, wo die Diamanten sind. Aber Sie verschwenden Ihre Zeit.“
„Da bin ich mir gar nicht so sicher“, sagte Mahonny gedehnt. „Ich bin ein geduldiger Mensch. Mal wird’s schon klappen.“
„Waidmannsheil“, sagte Rebuscini, „Ich wohne im Waldorf Astoria. Nur damit Sie’s mit der Verfolgung nicht so schwer haben.“
Er nickte dem Leutnant zu, der jetzt ein Gesicht wie eine Bulldogge vor demZubeißen machte. Dann marschierte er zur 8. Avenue. Ohne sich umzudrehen, wußte er, daß der andere Bewacher jetzt wieder hinter ihm war.
Yeah, dachte er, die werden sich gleich wundern.
An der Ecke 40. Straße — 8. Avenue blieb Rebuscini stehen und sah auf die Uhr. Noch fünf Minuten. Er riß eine Packung Chesterfield auf und steckte sich eine Zigarette an.
Gleich darauf rollte ein Taxi in langsamer Fahrt heran. Rebuscini winkte, und der Wagen stoppte neben ihm.
Der Fahrer beugte sich nach rechts und grinste.
„Hallo, Luigi!“
„Halt den Schnabel!“ zischte Rebuscini. Er kletterte auf den Rücksitz und stellte den Koffer neben sich.
„Waldorf Astoria“, sagte er nur.
„Zu Befehl, mein Prinz.“ Der Driver legte den Gang ein und brauste ab.
Luigi wandte sich um. Er sah, wie sein Bewacher in einen anrollenden Chevrolet sprang. Der Wagen hielt sich dann immer etwa hundert Meter hinter ihnen.
Der Driver hatte den Chevrolet ebenfalls im Rückspiegel erspäht.
„Sind sie das?“ fragte er.
Rebuscini nickte.
„Wir hängen sie auf die bewährte Tour ab. Ich will den Burschen schnell los sein.“
„Wird gemacht, Luigi“, versprach der Fahrer. Er legte einen Zahn zu. „Wie war’s in Scranton?“ fragte er.
„Ich war mal in Kalifornien“, brummte Luigi, „und ich sage dir, das war nichts gegen Scranton.“
„Ich war selber mal dort“, erzählte der Driver. „Zu meiner Zeit war das Essen saumäßig.“
„Daran hat sich nichts geändert!“
Sie bogen in die Park Avenue ein. Der Koloß des Waldorf Astoria-Hotels tauchte vor ihnen auf.
„Nimm die Kellergarage“, befahl Luigi.
Das Taxi rollte am Hauptportal vorbei und schob sich dann über die Rampe nach unten. Der Chevrolet blieb oben stehen.
„Die Garage hat nur einen Ausgang“, sagte Luigi. „Deshalb fühlt sich unser Freund so sicher.“
„Der wird Augen machen“, kicherte der Fahrer.
Sie schraubten sich durch die spiralenförmige Rampe nach unten, bis sie eine freie Box entdeckten.
„Die Luft ist rein“, sagte Reubscini zufrieden. „Schnell jetzt!“
In drei Minuten hatten sie die Anzüge gewechselt. Rebuscini knöpfte die Lederjacke zu und zog die Mütze in die Stirn.
„Nimm den Lift und geh durchs Hotel“, befahl er. „Wir treffen uns in zwei Stunden bei dir. Ich habe mit euch Burschen eine Menge zu bereden.“
Die Polizisten oben hatten sich inzwischen getrennt. Während der eine mit dem Chevy die Ausfahrt der Garage bewachte, war der andere zum Personenausgang gegangen.
Nach fünf Minuten sah der Mann im Chevy das Taxi wieder hochkommen. Da nur der Fahrer darin saß, ließ er es passieren.
Sein Kollege im Hotel dagegen sah einen Gentleman im pulverblauen Anzug aus der Garage kommen. Da dieser Gentleman nicht Luigi Rebuscini war, ließ er ihn ebenfalls vorbei.
Beide schalteten mit Spätzündung, aber dann ungefähr gleichzeitig. Sie durchsuchten die Garage und sahen sich dann atemlos an.
„Wir Armleuchter“, ächzte der eine.
„Mist!“ fluchte sein Kollege. „Woher sollen wir auch wissen, daß er im Kittchen Kontakt mit seinen Freunden aufgenommen hat?“
„Die in Scranton haben ganz schön geschlafen“, knurrte der andere.
„Jedenfalls ist er fort.“
„Mahonny wird uns die Hölle heiß machen!“
Dann hatten es beide sehr eilig, zur nächsten Telefonzelle zu kommen.
Die beiden Gentlemen in dem Appartement am Riverside Drive unterschieden sich von echten Gentlemen nur dadurch, daß sie keine waren. Sie tranken echten Scotch, aber das kann jeder, der die Dollars dafür hat.
Louis Scarelli war hoch aufgeschossen und hatte den Gesichtsausdruck eines Magenkranken. Tony DiMaggio dagegen war eine Ausgabe im Breitwandformat. Er war es gewesen, der am Nachmittag Taxichauffeur gespielt hatte.
„Ich möchte nur wissen, ob dein Freund Rebuscini wirklich so ein As ist, wie du behauptest“, sagte Scarelli.
„Keine. Sorge“, beruhigte ihn DiMaggio. „Luigi ist ganz große Klasse. Mit ihm gibt es keine Pannen.“
„Drei Jahre Scranton sind keine Empfehlung für einen Mann.“
„Du redest so, weil du’s nicht verstehst. Genau gesehen hat Luigi bei dem Geschäft gewonnen. Aber dir das zu erklären, lohnt nicht.“
„Möchte nur wissen, was er vorhat“, brummte Scarelli mindestens zum zehntenmal.
„Wirst es schon rechtzeitig erfahren. Jedenfalls wird es für uns kein Verlustgeschäft. Ich habe früher mit Luigi zusammengearbeitet. Als ich vor drei Monaten hörte, daß er ’rauskommen sollte, habe ich sofort Kontakt mit ihm aufgenommen.“
„Wie hast du das gemacht?“ erkundigte Scarelli sich. „Wenn ich nicht irre, ist Scranton ein Ort, den Leute wie du nicht mal aus der Ferne ansehen sollten.“
„Kein Problem“, prahlte Tony. „Ich bin ganz normal hingegangen — mit ’ner Besuchserlaubnis.“
Scarelli richtete sich auf.
„Wenn du mich auf den Arm nehmen willst . . .“
„Im Ernst“, versicherte Tony. „Ich habe in Scranton einen Bruder. Betriebsunfall! Er hat zwanzig Jahre bekommen. Ich darf ihn zweimal im Jahr besuchen. Über ihn lief der Kontakt zu Rebuscini.“
„Keine Kunst“, sagte Scarelli gedehnt, „wenn man Beziehungen hat!“
Das scharfe Schnarren der Türglocke unterbrach ihn. Tony nahm den Hörer der Sprechanlage.
„Hallo?“
„Soll ich hier unten Wurzeln schlagen?“ erkundigte Rebuscini sich. „Mach schon auf. Außer dem Überfallkommando hab’ ich niemand mitgebracht.“
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