Dieser Ankündigung folgte langes Schweigen, bis Oberst MacLeod es mit einer Frage an Mercedes Laurent brach. »Wo steht ComStar bei alledem, Präzentorin? Es war ComStar, der den Waffenstillstand ausgehandelt hat, der uns und die Clans fünfzehn Jahre daran hindern soll, uns gegenseitig anzugreifen. Die Highlanders wollen nicht Teil einer Operation werden, die einen neuen Krieg mit den Clans auslösen könnte.«
»Eine gute Frage, Oberst«, bestätigte die Präzentorin. »Aber Wayside V ist nicht Teil der Clan-Besatzungszone hier in der Inneren Sphäre. Es handelt sich um einen Clan-Stützpunkt in der Äußeren Peripherie. Ich bin autorisiert, Ihnen alle vom Explorerkorps über diese Welt gesammelten Daten sowie die Koordinaten der Sprungrouten in das Waysidesystem zu übergeben.«
In ihrer Antwort erklärte Loren weitgehend, warum all dies nicht auf Outreach stattfand. Weder Theodore Kurita noch seine ComStar-Verbündeten konnten ein Interesse daran haben, dass Außenstehende von einer Mission dieser Bedeutung erfuhren. Mit Hilfe der Monitorkontrollen seines Tischs lokalisierte er in kürzester Zeit eine Sternenkarte, auf der die Lage des Zielplaneten ein gezeichnet war. Er war Wochen vom äußersten Peripherievorposten des Kombinats entfernt.
Während er die Karte genauer analysierte, sprach Ruth Homer weiter. »Soweit wir wissen, handelt es sich bei Wayside V um ein Nachschubdepot der Nebelparder, und wir vermuten, dass er auf der Route zurück zu den Clan-Heimatwelten liegt. Ich biete Ihnen hiermit einen Kontrakt für eine Invasion von Wayside V durch ein Regiment der Highlanders an, sowie ein Entsatzbataillon als Garnison nach Erreichen des Missionsziels. Dieses Ziel besteht in der Vernichtung der auf dem Planeten befindlichen Clan-Einheiten und seiner Eroberung für das Draconis-Kombinat.«
Augenblicklich erhob sich ein lautes Murmeln in den Reihen der versammelten Krieger, aber Oberst Senns scharfe Stimme schnitt durch die Geräuschkulisse. »Sie verlangen von uns, eine unkolonialisierte Welt zu erobern, die noch kein bekannter Einwohner der Inneren Sphäre jemals auch nur besucht hat, korrekt?«
Jeder im Saal verstand nur zu gut, was er damit sagen wollte. In den letzten dreihundert Jahren hatten die Highlanders alle Schlachten auf Welten geschlagen, die schon Tausende Male kartografiert worden waren, deren Probleme und Gefahren bis hin zu den Wetterschemata genau bekannt waren.
Sho-sa Horner lächelte. »So ist es. Durch eigene und Explorerkorps-Beobachtungssatelliten wissen wir, dass die Parder auf der Oberfläche Gebäude errichtet haben, ohne Zweifel Lagerhallen für ihren Nachschub. Für das Kombinat ist es wichtig, diese Welt anzugreifen und den Clannern abzunehmen. Zum einen würde es die Parder zwingen, Mittel zum Aufbau einer anderen Nachschubbasis umzuleiten. Zum anderen bedeutet jede Clan-Einheit, die mit solchen Aktivitäten beschäftigt ist, eine Einheit weniger, die unsere Grenzen bedroht.« Horner trat einen Schritt nach vorne, wohl, um ihren Zuhörern die Dringlichkeit ihrer Worte klarzumachen. »Das Kombinat hat durch die Clan-Invasion zahlreiche Systeme verloren. Bisher haben wir ständig auf unseren eigenen Welten darum kämpfen müssen, sie zurückzugewinnen. Diesmal wäre es anders. Wir würden den Krieg ins Territorium der Clans tragen, eine ihrer Welten einnehmen. Wayside V mag für die Pläne der Nebelparder wichtig sein oder nicht, für unser Volk wäre es ein bedeutender Erfolg, ein System zu erobern, auf das die Clans Anspruch erheben.«
Sie hatte recht. Wayside V hatte das Potential, als Hoffnungsschimmer zu dienen, als Sammelpunkt. Symbolische Siege dieser Art waren häufig ebenso wichtig wie bedeutende militärische Erfolge.
»Aus den vom Explorerkorps gesammelten Daten lässt sich vermuten, dass der Planet von einem einzelnen Einstweiligen Garnisonssternhaufen verteidigt wird. Wie Sie sehen können, haben unsere Computer die dort anwesenden Mechs als Clan-Modelle der Garnisonsklasse identifiziert. Es wurden weder OmniMechs noch Luft/Raumelemente gesichtet.«
»Sie schlagen also vor, eine kleine Armee gegen einen einzelnen Clan-Sternhaufen der Garnisonsklasse zu entsenden?« fragte Oberst Stirling.
Horner nickte entschieden. »Der Angriff mit einem kompletten Kampfregiment und die spätere Verstärkung mit einem ganzen Bataillon ist angesichts des Alters unserer Daten die einzige Hoffnung, die wir haben, die Welt einzunehmen. Wenn der erste Versuch misslingt, werden die Parder einfach die Garnison verstärken, und wir bekommen nie wieder eine derartige Gelegenheit.«
Loren betrachtete die Daten. Die Mechs waren ältere Clan-Modelle. Das machte sie nicht weniger tödlich, aber es waren zumindest nicht die hochmodernen OmniMechs, mit denen die Fronteinheiten der Invasoren ausgerüstet waren. Als er sich die Geländekarten von Wayside V ansah, weiteten sich seine Augen ungläubig. Diese Daten müssen falsch sein. So sieht keine Welt aus.
Ruth Horner sprach weiter. »Wie Sie inzwischen sicher bemerkt haben, stellt die Oberfläche von Wayside V eine Herausforderung ganz eigener Art dar. Irgendwann in der planetaren Geschichte muss es zu einem Meteor- oder Kometeneinschlag gekommen sein, der die oberen Atmosphärenschichten praktisch völlig vernichtet hat. Die Kontinente wurden sterilisiert und sind bis heute äußerst kalte, luftleere Felsebenen. Die ehemaligen Meere wurden zu den einzigen Gebieten, in denen es noch Leben gab. Als der Wasserspiegel sank, wurde ein Leben auf den Kontinenten unmöglich. Nur die tiefsten Senken der ehemaligen Meeresböden enthalten noch Wasser; der Rest der ehemaligen Ozeane stellt die einzigen bewohnbaren Regionen des Planeten. Die Parder haben ihre Installationen in einem dieser ausgetrockneten Meeresgebiete aufgebaut, am Ufer einer der wenigen noch existierenden Wasserflächen.«
Mulvaney beugte sich vor und flüsterte in Lorens Ohr, während dieser auf den Monitor starrte. »Die ganze verdammte Welt ist auf den Kopf gestellt. Mechs könnten zwar auf den luftleeren Kontinenten operieren, aber es brauchte nur einen Cockpittreffer, und du wärst innerhalb von Minuten Geschichte.«
»Ein einzigartiges Gefechtserlebnis«, flüsterte Loren zurück.
»Und das ist ein Meisterstück der Untertreibung«, erwiderte Chastity Mulvaney.
3
Das Fort, Tara, Northwind
Chaos-Marken
13. Mai 3058
Loren Jaffray schaufelte die Berichtsausdrucke, die er auf dem Tisch in einer hinteren Ecke des The Pub ausgebreitet hatte, der sein inoffizielles Büro geworden war. Die kleine Gaststätte, die auch als Offiziersclub der Highlanders fungierte, war einer der wenigen Orte innerhalb des Forts, an denen er sich besonders wohlfühlte. Die dunkle Holztäfelung und die vom Zahn der Zeit gezeichnete Einrichtung gaben ihm ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Möglicherweise lag es daran, dass er sich hier zum ersten Mal darüber klar geworden war, dass sein Platz bei den Northwind Highlanders war. Und ebenso verwurzelt im The Pub, wie dieser in Herz und Hirn der Highlanders war sein Bartender.
Mr. Pluncket brachte ein Pint Northwind Red herüber, und humpelte heftig mit seinem künstlichen Bein. Loren war so in seine Arbeit vertieft, dass er erst aufblickte, als er fühlte, dass der alterslose Bartender und frühere Truppführer ihm über die Schulter sah. »Wir kennen uns schon eine ganze Weile, nicht wahr, Laddie?«
»Ja, Mr. Pluncket, das kann man sagen. Sie waren einer der Ersten, die ich kennengelernt habe, als ich nach Northwind kam.« Loren wusste, dass Pluncket auf irgendetwas hinauswollte.
»Und wir sind Freunde, stimmt doch?«
Loren nickte. Die beiden hatten Seite an Seite gegen die VerCommies gekämpft und dabei vielen in MacLeods und Stirlings Regimentern das Leben gerettet. »Ja, Sie sind einer von einer Handvoll Menschen, die ich als meine Freunde bezeichnen würde.«
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