„Der Magister sagt, das Glück sei ein Weib, teilt man’s, so tötet man’s.“ —
„Ein Weib? — ein einz’ges nur? Warum gibt’s nicht für jedermann ein Glück?“ —
Da schüttelte Jorg die blonden Locken aus der Stirn und legte die Hände rückwärts zusammen.
„Das weiss ich nicht! In der Kemnate haben sie sich jüngst eine Legende erzählt, die auch vom Glücksweib handelte, und da waren ihrer zwei Gesellen, die danach jagten. Hatten beide sich verschworen, selbes Weib zu gewinnen. Und waren doch zuvor Freunde gewesen, die Gold und Ehr’ brüderlich geteilt hatten; da aber das Weib ins Spiel kam, konnten sie nimmer teilen, sondern mussten kämpfen.“ —
„Blieb einer tot?“ —
„Da das Ende kam, nahm mich Frau Margaret bei der Hand und führte mich ins Schlafgemach, denn es war sehr spät geworden.“ —
„Hör’“ — sprach Irregang — „wenn wir einer solchen Teufelin begegnen, soll sie keiner begehren, auf dass sie uns nicht den schlimmen Weg bereite!“ —
„Und schlagen ein Kreuz vor ihr, wie vor dem bösen Feind!“ — Jorg bot plötzlich mit ernsthaft würdevollem Angesicht die Hand entgegen und fuhr fort: „Ich werde niemals mein Schwert wider dich kehren, ich schwör’s!“ —
„Du wirst ein Ritter sein, ich ein Hansnarr, der keine Rüstung tragen darf“ — murmelte Irregang mit düster gesenktem Blick: „aber ich halte auch dir die Treue, wenn du sie mir hältst!“ —
„Du darfst nicht Harnisch, Schwert und Helm tragen? Ei, womit wirst du dich wehren, wenn dich einer kampflich angeht?“
Da bekam des Kindes Zigeunergesicht einen gar seltsamen Ausdruck und zeigte zum erstenmal eine Ähnlichkeit mit seinem Vater: „Fahrend Volk muss sich schlagen lassen und sich ducken. Aber es kann sich rächen, wenn es klug ist. Wenn wir auf unsrer Fahrt Feinde hatten, verbargen wir uns während des hellen Tags im Forst, weil wir uns im offnen Kampf nicht rühren dürfen, — wenn aber die Nacht kam, dann schlich der Vater herzu an seine Peiniger nnd sprach: „Für jeden Schlag einen Stich, — für jeden Hieb einen Biss!“ — und dann hat er ihnen Schaden getan, dass sie seiner gedenken mussten.“
„Nein, da ists mir lieber, im ehrlichen Zweikampf dreinzuschlagen, zu ringen, oder den Speer zu werfen im hellen Sonnenlicht! Überfall und Hinterlist sind feig. Wenn du aber bei mir bliebst, Jung Irregang, so würdest du auch ein Rittersmann werden und das Schwert führen!“
„Hoho!“ lachte des Lambert tiefe Stimme hinter ihnen: „Was redet der Junker für artige Märlein! Ist noch niemals aus einem Spatz ein Aar geworden, wenn man solch Gelbschnäblein auch zehnmal in den Adlerhorst einsetzen wollte! Ist gelenk wie eine Blindschleich’, der braune Bub’, aber Kraft sitzt nicht drinn! Wird zeitlebens ein Kasparlein bleiben und nicht von seiner Art lassen, denn Nachtvolk muss kriechen und schleichen, und wenn’s auch ans Tageslicht herauf wollt’, es kann’s nicht, die Sonn’ sticht ihm die Augen aus.“ —
Irregang liess den Kopf tief auf die nackte Brust herabsinken; sein Blick schweifte unter den dunklen Wimpern zu Jorg empor: „So werden alle Leute zu dir sagen, und dein Wort wird dir leid sein, und wirst nimmer daran denken auszureiten, um des Irregang Spur zu finden.“
Da zog der junge Jossa eine finstere Stirn und sprach: „Wenn du nicht zu den Türken oder den Kreuzigern gehst, werd’ ich dir folgen! Schau, ich habe eine Armbrust droben, die mir lieb ist, ich schenke sie dir, weil du mir gefällst!“
„So geb’ ich dir mein vierfarben Hütlein dafür! Die Mutter hat noch Flicken und näht mir ein neues!“ — erwiderte der kleine Zigeuner nach kurzem Sinnen: „Und so will ich’s halten immerdar, denn ich denk — hast du mich lieb, so lieb’ ich dich auch, und hassest du mich, so hasse ich dich wieder!“ —
Jorg schritt eilends durch die Halle, die Armbrust aus dem Herrnhaus zu holen, und als er wiederkehrte, schaute ihm Irregang leuchtenden Auges entgegen, zog seine Schellenkappe vom Hanpt und bot sie zur Gegengabe dar. — Er wusste, dass sein Vater ihn darum schlagen würde, aber solche Prügel litt er gern, weil er sah, dass sein neuer Freund schier närrisch tat vor Freude über solch ungewohnten Tand, und dass er so gut und freundlich zu ihm war, wie noch nie ein anderes Kind gegen den Sohn eines fahrenden Mannes. —
In dem weiten Raum war währenddessen eine tiefe, feierliche Stille nach dem wüsten Beifallslärm eingetreten. Goykos hatte viel des Erstaunlichen gezeigt, und nun trat sein Weib herfür und sprach: „Habet Ihr hochlöblichen Ritter bisher unserer Kurzweil Huld gespendet, so möget Ihr nun als zum letzten ein Kunststück sehen, welches auf der ganzen Welt kein Gaukler uns nachtut, und so Ihr es geschaut, Ihr reichen und mächtigen Herrn, so wollet fein darauf sinnen, dass Ihr uns armem Volke ein Scherflein reicht, und wir wollen zu Tal fahren und es Euch segnen und gedenken in unsres Herzens Freud’ und Dankbarkeit!“
„Heda, was soll’s werden?!“ rief der Vogt, dessen Blicke immer heisser auf ihr brannten, mit lallender Stimme, „ist es wahrlich ein Wunderbares, was ihr zeigt, so will ich euch lohnen wie ein Fürst, denn ich hab Geld wie ein solcher und bin just so fürnehm, wie sechs Könige zusammen! Eia, was will der Goykos mit den Messern schaffen?!“
„Seht, edler Herr“ — rief der Zigeuner keck, „jetzt wird sich jenes Weib gegen die hölzerne Tür stellen und die Arme ausspannen, wie Ihr es seht, und ich will die Messer nach ihr werfen, dass sie wie ein Strahlenkranz rings um ihr Haupt stehen, und doch soll kein Wurf fehl gehn! Haarscharf neben Wang’ und Schädel sollen die Klingen in das Holz treffen, und kein Tröpflein Blut wird fliessen und mit keiner Wimper wird Zinkra zucken, dass es Angst oder Schreck bedeute!“ —
„Hoho!“ schrie der Vogt, schüttelte das Haupt und kratzte sich hinter dem Ohr, dass sein Hut weit in den Nacken flog: „Das ist ein Unding, Bursch. Bin selber ein Meister im Messerwerfen, das ein gefährlich Waffenspiel ist und im Zweikampf auf Leben und Tod geht! Heda, Wildmeister! Hast’s damals mit angesehn, wie ich beim Maigang in Werlau drunten Händel bekam! Um des Gildmeister Pfaffus wild’ Mägdlein kam’s, so mit einem Liebsten nicht Genüge hatte! Da begehrte ich dem Krämerlein auf, dem Hänfling, vermaldeiten, und“ — —
„Beim Satanas, Vogt — er hat dran denken müssen! Seh dich noch stehn unter den Linden ... nackte Brust und ohne Hauptwehr ... mit Muskeln wie Schiffstaue, — als einzig Rüststück ein kleines Schildlein zum parieren! Und man gab einem jeden von euch drei lange Dolchmesser, die zischten durch die Luft wie Blitzfunken — —
„Hähä! — und der Amadeus sprang und schnellte zur Seite, so rasch und behende wie ein Seiltänzer, dass des Krämers Klinge fern ins Erdreich fuhr, oder von des Gegners Schild gefasst wurde, wie ein Fisch, so auf Köder stösst!“ —
„Wie des Lanzelot, des wackren Ritter Tapferkeit, da er gegen Galagandreiz sein Leben durch die Messer schirmte!“ nickte der Magister mit schriller Stimme und hochgelehrtem Gesicht.
„Der Lanzelot war ein Held, und ich bin’s ihm gleich!“ schrie Amadeus, mit Wucht auf den Tisch schlagend, „denn meine Klingen fuhren dem Quacksalber zwischen die Rippen und in die Eingeweid’, dass er des Aufstehns vergass!“
„Bist ein tapfrer Mann, Amadeus!“ nickte der Lambert mit schläfriger Miene.
„Gott verzeih mir die Sünd’, aber ich will nicht selig werden, wann ich nicht der beste Messerwerfer war, der jemals sich wider den Dolch geschirmet, und jener Lausbub, jener Landstreicher da will ein Ding vollführen, das nicht zu machen ist, so wahr als ein Brunnesel keinen Psaltrion spielt!“
„Wollet Euch doch erst überzeugen, gestrenger Herr!“ rief der Goykos, beim Anblick des trunkenen Mannes immer dreister werdend: „Ein Leichtes ist es nicht um solche Kunst, und da Ihr edler und reicher Ritter diese so trefflich versteht, so werdet Ihr sie auch durch reichen Lohn anerkennen!“
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