1 ...8 9 10 12 13 14 ...28 Amadeus stürzte sich wie ein Rasender über den zusammenbrechenden Körper des schönen Weibes, und da er sah, dass sie lebte, dass sie wortlos die gerungenen Hände zu ihm hob, gellte ein wüstes Triumphgeschrei von seinen Lippen.
„Nun ist’s dein Tod, du Hund!“ schrie er durch den allgemeinen Lärm: „heda, Lambert — Hanno — Gesellen! machet euch auf, den schwarzen Satan zu fangen! Ihr aber, Mägde, bürgt mir für dies braune Liebchen, dass sie meiner an selber Stelle harre! Erst wollen wir richten — und dann herzen!“
Ein furchtbarer Tumult erhob sich: „Hunde los! Er kann nicht entwischen! — Ihm nach! fasst ihn!“ — wetterte und schrie es durcheinander, und in wüster Hast stürzten die Männer dem Flüchtling nach, ihn in der sicher geschlossenen Burg mit Jubel und Halloh wie ein eingelapptes Wild zu jagen.
„Sie werden ihn bald zurückbringen!“ flüsterte Jorg, den Arm um Irregang legend und zärtlich die Wange des niedergebeugten Weibes streichelnd: „Fürchtet euch nicht! ich springe jetzt davon, sag’s der Mutter und schicke des Vogtes Hausfrau! Dann darf er ihm nichts zu leide tun!“ — und der kleine Junker stürmte atemlos davon, um Schutzgeist seines neuen Freundes zu werden.
Auf dem Hof, durch den Barbacan und den Zwinger tobte der Lärm, und da Zinkra mit stockendem Herzschlag ihm lauschte, ward ihre Schulter berührt. Frau Margaret und Lambert standen neben ihr. —
„Flugs von dannen, armes Weib! Nimm deinen Bub zur Hand und mach, dass du aus der Gewalt der trunkenen Männer kommst! Hast mir den zweiten Eheliebsten verheissen, darum soll der Lambert dich und den Irregang entwischen lassen, denn fangen sie den Goykos, nachdem er sich mit seinen Messern zur Wehr gesetzt, so hat auch euer letzt’ Stündlein geschlagen!“
Zinkra erhob sich mit irrem Blick, nahm ihren Knaben hastig auf den Arm, raffte der Schaffnerin Gewand in stummem Dank an die Lippen empor und eilte an Lamberts Seite durch ein Nebenpförtlein aus der Küchenhalle. —
„Laufen wollen wir, dass uns die Hunde nicht auswittern!“ flüsterte der Schliesser: „Beim Satanas, es sollte mein redlich Herz kränken, wenn sie den flinken Bursch zum Krüppel machten! — Hierher! — Dieses Tor hier ist ein Ausfallpförtlein, das dich auf einen Bergpfad führet! Lauf immer grad aus durch den Wald nach Mittag zu, dann triffst du nach einer kurzen Tagereise auf die Stadt Zwingenberg. Da gibt’s Unterschlupf. — Will’s dem Goykos sagen, wo er euch finden mag! Und da .. hier ist noch ein Dolchmesser, das euch zugehöret, magst’s vielleicht brauchen im Tann, und ein Brocken Brot, den ich just vom Tisch genommen, — der Bub wird hungrig werden.“ — Lambert schloss nach etlichen vergeblichen Schlüsselproben die gewölbte Pforte auf, riss sie gewaltsam in den rostigen Angeln zurück und schob die Zigeunerin über die bemoste Schwelle: „Armes Weib!“ murmelte er. —
Da fasste Irregang plötzlich den Arm des Mannes: „Gib uns Hinde mit auf den Weg!“ — flehte er angstvoll, mit schluchzender Stimme. —
„Wenn es geschehen kann, treibe ich euch Vater und Ross gen Zwingenberg, — aber ich fürchte“ ... und Lambert kraute sich traurig hinter dem Ohr, „die Bracken haben das fremde Pferd bei der Hetzjagd jetzt schon angefallen und gerissen!“ — Da weinte Irregang laut auf und hob seine kleinen Fäuste drohend wider die Burg, Zinkra aber flehte aller Heiligen Segen auf den braven Torwart herab, küsste seine schwielige Hand und stürmte, selber einer verfolgten Hinde gleich, an dem steilen, buschbewachsenen Bergabhang hernieder. —
Das Geheul der Hunde schallte wie ein Echo jenseits der Burg herüber, hinter ihr knarrte der Riegel der Pforte, und vor ihr lag eine mächtig dunkle, fremde, unheimliche Welt.
Ohne Rast, ohne Aufenthalt jagte die Heimatlose den Fels hernieder, den Knaben voll zitternder Leidenschaft an die Brust gedrückt, fiebernd in dem Gedanken, dass sich droben die Burgtore öffnen, dass jene blutgierige Meute ihre Fährte findet und sie zerfleischt wie die arme Hinde.
Der Mond brach durch die Wolken; die Wipfel des Buchwaldes rauschten über den Häuptern der Fliehenden, kalte Nebel fielen auf den blitzenden Gauklertand und feuchteten ihn, just, als ob der Himmel über seine armen, geächteten Kinder weine.
Zinkras Füsse bluteten auf dem scharfen Felsgestein, das kühle Waldmoos aber linderte ihre Qual, und da sie keine Kräfte mehr hatte Irregang zu tragen, so setzte sie den Knaben nieder, redete ihm gut zu und eilte weiter mit ihm in den finstern, gespenstischen Wald hinein. —
Dort hatte das Bild des Dreigestirns am Himmel gestrahlt, dort hinaus musste sie, und so dem Goykos die Flucht gelang, folgte er ihr nach in dieser Richtung; — also war’s ein Zeichen unter dem fahrenden Volk, sich wiederzufinden, wenn ein böser Zufall sie versprengte. —
Währenddessen hatte die wilde Hetzjagd den Hof der Burg Darsberg nach allen Richtungen durchtobt. Die Spürhunde jagten unsicher hin und her, und da der Zigeuner zweimal den Weg zum Burgtor geschritten war, so steckte ihnen diese Fährte hauptsächlich in der Nase und leitete sie stets von neuem auf diesen Weg zurück. Der Mond schien so hell und voll, dass man jeglicher Leuchten entbehren konnte, und Amadeus fasste den langen Speer, welcher an der Treppe des Ritterhauses lehnte, stach unter deren Wölbung und sprach: „Ist ein fürnehmlicher Schlupfwinkel für Gesindel. Heda, Hanno! Schau einmal in die Liewe, ob er sich vielleicht dort hinein verkrochen, und dann an die Mauern! Die Hunde schnüffeln an der offenen Turmtür! — So der Galgenvogel hinauf ist, schreiet ihm zu, dass er seine Messer von sich wirft, wenn er nicht den elendesten Tod sterben wolle, so jemals eine Seele aus dem Leibe gejagt! — Ho! er muss dort hinauf sein! Der Boredank kläfft auf der Treppe und gibt Blutlaut!! Lasset mich voran! wirft der Teufel mit der Klinge, fühlt er mein Eisen zu gleicher Zeit in den Rippen! ra, ra, ra, taho, taho!“ Und mit johlendem Geschrei polterten die trunkenen Mannen die Steinstufen des Mauerturms empor, um die Vorratskammern, wozu die Mauertürme bei Friedenszeiten dienten, bis in den kleinsten Winkel zu durchsuchen. Die Hunde aber drängten vorwärts, auf die Mauer. — Ra, ra, ra, taho! taho! —
Als Goykos aus der Küchenhalle entsprungen war, hatte er sofort die Richtung nach jenem Mauerturm eingeschlagen, dessen Pforte weit geöffnet stand. — Während der Rede des Magisters hatte der gefahrgewohnte Mann hastig seine nackten Füsse in den Wein getaucht, welcher auf dem Estrich verschüttet lag, um den Geruchsinn der Bracken zu täuschen, falls man diese auf seine Fährte hetzen sollte. Und er hatte sich nicht verrechnet. Die Hunde verfolgten seine Spur nach dem Burgtor, fielen die unglückliche Hinde an und liessen dem Flüchtling Zeit, den Turm an der westlichen Mauerseite zu gewinnen. Dort war — wie er bei seinem Rundgang um die Burg ausgekundschaftet hatte — eine Kiefer dicht neben der Steinwand aufgewachsen und von dem nachlässigen Burgherrn in dieser Friedenszeit nicht beachtet worden. Jener Baum bot die einzige Möglichkeit, von der beträchtlich hohen Mauer jenseits hernieder zu gelangen, ohne sich alle Glieder zu zerbrechen.
Der Zigeuner stürmte die Turmtreppe empor, — aufatmend und zuversichtlich, — da sperrt ein Hindernis den Weg. Die Ausgangstür auf die Plattform der Mauer ist geschlossen; Goykos muss in der Dunkelheit mit beiden Händen tasten, ob sie geschlossen oder nur geriegelt ist. Das hält ihn lange auf, er hört bereits den Lärm im Hofe — die Hunde haben ihn gewittert.
Endlich greift er den Riegel, aber er ist verrostet und sitzt fest wie ein Stein; — mit knirschenden Zähnen stemmt er sein Dolchmesser ein — es bricht. — Da schimmert Licht, — seitlich von der Wand her fällt Mondlicht in den finstern Raum. Goykos stürzt darauf zu. — Ein Schalter! Er stösst ihn auf und blickt durch eine schmale Längslucke auf die Mauer; kann er sie im Sprung erreichen, ist er gerettet. Da heult ein Hund bereits auf der Treppe. Besser das Genick als die Knochen auf der Folter gebrochen! —
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