1 ...6 7 8 10 11 12 ...28 Auf des Vogtes Stirn schwoll die Ader, seine Augen funkelten: „Prahlhans, betrügerischer Schalksnarr du! willst mich lehren, was Messerkunst sei? Will meine heile Haut drein geben, dass ein solches Kunststück, wie du’s soeben beschrieben, kein menschenmöglich Werk sei! Wirfst meinem Schatz die Augen aus dem Kopf und die Klingen ins Hirn, dass sie direkten Wegs zur Höllen fährt!“
„Eia, so waget doch einen Einsatz!“ beharrte der Zigeuner trotzig, ungeachtet der angstvoll warnenden Flüsterworte seines Weibes: „Euere heile Haut aber ist ein Preis, nach welchem es mich nicht jucket, und so Ihr ein reicher und mächtiger Herr seid, so nennet besseren Gewinn, darum wir handeln!“ —
Amadeus erhob sich und stützte sich wankend gegen den Tisch: „Teufelskerl ... willst mir taube Nüsse zwischen die Zähne schieben? — Heda, ihr Leut’, ist etwa der Vogt Amadeus, der jetzt in dieser Halle Hoflager hält wie ein König, ist der etwa ein Bettler und Lump, dass er’s nicht mit einem solchen Gewürm, davor der Rittersmann ausspuckt, aufnehmen könnte?“
Ein wüster Lärm erhob sich, die Mannen sprangen von ihren Sitzen empor und überschrien einander in johlender Versicherung, dass der Vogt Amadeus der Herr der Burg sei und tun und lassen könne, was ihm just behage. Dazwischen heulten und bläfften die Hunde auf, welche unter der Tafel ins Gedränge gerieten, und der Magister rieb sich mit boshaftem Zwinkern die Knochenfinger und krähte: „Mag selbst der edle Amadeus den besten Hengst aus des Darsbergs Ställen einsetzen, so der Gaukler ihn gewinnt, soll er drauf reiten, und hat er Lust, das Ross mit sich führen, so soll’s ihm geschenkt sein!“ —
„Hast recht, Lateiner, der Vogt kanns, wenn er will!“ schrie Amadeus mit rollenden Augen und schmetterte abermals mit der Faust auf den Tisch, dass die Steinhumpen erbebten: „Um das beste Ross! um des Ritters Leibross wag’ ich’s mit dem Schalksnarr hier, dass er die Messer nicht so werfen kann, als wie er prahlt!“ —
„Ein Ross! juhu, ein edel Ross!“ — zeterte Goykos mit hellem Gelächter, stiess Zinkra, welche voll zitternder Angst seinen Arm umklammerte und zur Vernunft beschwor, zurück und trat mit frecher Miene vor die Tafelrunde. Er hatte seinen Hohn über die trunkenen Männer und wollte jeden Vorteil benutzen: „Ihr alle habt’s gehört, Ihr Herrn Ritter und Edelleute, und auch Ihr, schöne Damen, dass es diesem hohen Gebieter wohlgefällt, es mit mir um ein edel Ross zu wagen! Dass er aber sein Wort hält, ist die erste Tugend des Fürsten, und darum rufe ich Euch alle zu Zeugen auf, dass Ihr dieses, sein Wort vernommen habt!“
„Der Schurke bekommt das Pferd, wenn er recht behält!“ keuchte Amadeus „das verpfänd’ ich mit meinem Ehrenwort und Handschlag; was aber, du Tagdieb, gibst du mir, wenn dein Weib am Haupte blutet, oder die Messer weiter entfernt von ihrem Schädel sitzen, denn eine Spanne Raum?“ —
„Joho! was setzest du denn ein, Zigeuner?!“ —
„Ein Gleiches! der Herr mag sich mein Pferd, die Hinde, von der Karre spannen und da behalten!“
Ein leiser Klagelaut Irregangs, — er erstickt unter den Händen Zinkras, welche den Knaben zitternd an sich presst und ihm den Mund schliesst. Brüllendes Gelächter: „Solch eine Mähre in eines Burgherrn Stall? — wäre Jammer und Schad’ um den Häcksel, so man in dies räudige Maul stopfte!“
„Hab ich Besseres zu bieten?“ —
„Hihi!“ kicherte der Magister: „willst du Galgenvogel mit einem Held und fürnehmen Mann wetten, so gibts für solchen Lump wie du nur einen Einsatz. Bist selber nicht mehr wert denn ein Ackergaul, oder ein Maulesel, darum heisst es: „Der Gaukler wird gehängt, wann er verspielt!“ —
„Goykos — wahr’ dich!!“ —
Ein rüder Lärm: „Der Doktor kennt sich aus auf gute Gerichtsbarkeit! Er hat recht! Gehängt wird der Landstreicher! Hat sowieso seit des Jud’ Aaron Halsgericht keiner mehr die schöne Aussicht genossen, die man vom Rabenstein auf den Melibocus hat! Heda, Zigeunerlein, hast du Lust, den Zappelmann zu spielen? Juhu, solches gäb feine Kurzweil in der Darsberger Landheg’.“ Goykos verschränkte spöttisch die Arme über der Brust: „Wohlan! ich trag’ mein Fell zu Markte, und ich halte Wort, wie der Vogt. Will die Sonne nicht mehr sehen, wenn ich im Kunststück verspiel’!“ —
„Goykos .. Mann .. hat dich der gute Geist verlassen?“ stöhnte Zinkra neben ihm. —
„Wahr kalt Blut, Weib, zuckest du, so hänge ich!“
„Vorwärts Gaukler! an die Arbeit Gaukler!“ lachte und schrie es im Kreise, und mit stieren Augen stand der Vogt vor seinem Sessel, lehnte sich schwerfällig gegen die schwere Tischplatte und lachte triumphierend: „Gehängt wird er! Gott straf’ mich, das soll einen Spass geben!“ —
Zinkra wankte nach der Türe nnd stellte sich auf. Der Feuerschein warf zuckende Lichter über ihr leichenfahl Gesicht, welches sich gespenstisch aus den schwarzen Haarmassen abhob. Tiefe Schatten lagen um ihre Augen, gross, unheimlich fast in ihrem starren Blick richteten sie sich auf ihren Knaben, welcher der Mutter gegenüber stand und mit keuchendem Atem die kleinen Arme über der Brust verschlang. Es lag ein fremder Ausdruck in seinen Zügen, und die Art, wie er den Vogt anschaute, hatte etwas Feindseliges.
Jorg stand in angstvoll neugieriger Spannung an seiner Seite: „Bist du nicht bange, Irregang?“
Der Kleine presste die Lippen zusammen und schüttelte heftig den Kopf.
„Wenn er nun deine Mutter trifft?“
„Des Vaters Hand ist sicher und verfehlt kein Ziel“ ..
„Tut er’s doch, so hängt man ihn!“
Da traf ihn des Knaben sprühender Blick: „Du bist des Ritters Sohn und darfst’s nicht leiden! Jene Männer dort sind nur Knechte, und lediglich, weil er ihnen schmeicheln will, heisst sie der Vater: Herren!“
„Nicht doch, der Vogt ist ein Mann, dem auch ich gehorchen muss, bis ich ein Ritter bin. — Aber wart“ — und des Junkers Augen blitzten auf: „ich helf euch dennoch, so man euch übel will, und ich weiss auch wie!“
„So werd ich’s dir danken mein Leben lang.“
Dann schwieg Irregang. Er hob lächelnd den Kopf und schaute seiner Mutter fest und zuversichtlich in das Auge. Die ersten Messer sausten durch die Luft und bohrten sich dicht neben Zinkras Schläfen in das Holz. Der Griff zitterte noch momentan, dann haftete die Waffe so regungslos, wie das bleiche Weib, welches mit ausgebreiteten Armen, gleichwie ein Opfer am Marterpfahl, behangen mit buntem Gauklertand, an der Türe lehnte.
Ihr Narrenkleid! — Jedes Zucken, jeder Pulsschlag von des Goykos Hand kann es zu ihrem Totenhemde machen.
Und die Messer sausen pfeilschnell durch die Luft, mehr, immer mehr. — Mit hohlen Augen starrt ihnen Zinkra entgegen, keine Wimper zuckt in ihrem Angesicht, nur die Münz- und Perlketten zittern auf der schwer atmenden Brust.
Das letzte Messer fliegt, splittert das Holz und sitzt fest in der Türe und langsam, wie eine Mondsüchtige tritt die Zigeunerin aus dem Strahlenkranz der Klingen herfür, wankt gegen Amadeus, sinkt in die Knie und hebt flehend die Hände zu ihm empor.
Was will sie erbitten von ihm? Der Sieg ist ja auf ihres Mannes Seite, die Wette ist gewonnen, und Goykos, der Heimatlose, wirft mit hellem Triumphgeschrei seine Kappe in die Luft, stellt sich breitbeinig inmitten der Halle auf und weist nach der Türe, darauf die Messer blinken. Ein Zittern geht durch die Glieder des gehetzten Weibes, sie umschlingt krampfhaft die Knie des Vogtes: „Vergebt ihm, Herr, — er tat’s, um sein Leben zu retten!“ — stöhnt sie auf.
Amadeus aber hört’s nicht. Er steht unbeweglich auf demselben Fleck denn zuvor; sein Angesicht ist blaurot gefärbt, die Augen rollen im Kopf und treffen mit furchtbarem Blick jenen Tollkühnen, welcher es gewagt hat, ihn zu übertrumpfen. Das war des Vogts Amadeus Punkt, da er sterblich ist, und just ihn hatte der Gaukler getroffen. — Nun Gnade ihm Gott. — Totenstill ward’s in der Halle.
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