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Verloren hätt’ ich mein Wagnis, verloren an selben Lumpenkerl, der mit dem Satanas im Bund steht und mit behexten Messern wirft?“ keuchte Amadeus endlich, und drückte mit beiden Händen den Hut so gewaltig auf das Haupt, dass die Hahnenfedern knickten. „Ich frag euch beisammen, ob ich verloren hab’?!“
„Gibt die Tür nicht Antwort darauf, edler Herr Ritter?“ höhnte Goykos; „an selber Tür steht’s mit zwölf haarscharfen Dolchen geschrieben, dass ich mir das Pferd verdient hab’!“ —
Ein Murmeln ging durch die Reihen der Dienstbaren. Teils argwöhnisches Staunen über solch seltene Kunst, die wahrscheinlich mit dem bösen Feind Gemeinschaft zu haben schien, teils ein scheues Unbehagen bei dem Gedanken an das Pferd, über welches der Vogt doch allzu voreilig verfügt hatte.
Die Lage war misslich und der Wein spukte in den erhitzten Köpfen. Keiner mochte eine Antwort auf des Amadeus Frage geben, und nur der Magister erhob sich mit seinem boshaften Lächeln, trommelte mit den Spinnenfingern auf der Tischplatte und rief mit krähender Stimme: „Hihi! Natürlich hast du deine Wette verloren, Vogt Amadeus! Der Gaukler hielt, was er versprach, und hat sich das Ross verdient! hihi! ich gönn’s ihm, das Ross, hihi!“
Der Mann mit dem Federhut keuchte vor Wut.
„Glaub’s wohl, dass dich Teufelslateiner solch ein Ding erfreut! Bist du’s doch gewesen, der mich zu solcher Narretei beredet hat, der mir’s in das Maul schob, um ein Pferd zu wetten! Nun magst du helfen, den Handel austragen, und von dem Brei, den du mir gerühret, sollst du jetzt die harten Brocken schlingen!“ — Und damit drang er auf den Magister ein, reckte den Arm hoch empor nach der Gurgel des Langen und stiess ihn gegen die Wand, dass es krachte.
Mit derben Fäusten warf sich der Wildmeister dazwischen, dieweil Lambert, plötzlich wieder völlig ermuntert, mit behaglichem Lächeln die Arme kreuzte und murmelte: „Schad’, dass der Torwart kein Kettenhund ist, möcht’ sonst dem Hallunk von einem Skribenten in diesem Augenblick gern in die Beine fahren!“
„Heda! Amadeus! Plaget dich der Böse, dass du dich um eines Landstreichers willen an dem hochgelahrten und wackern Magister vergreifst? Lass ihn aus, Mann! sonst möchte dir seine zerbrochene Hirnschale teurer zu stehen kommen, denn der Gaul, den du im Rausche verwettet!“
„Sticht einen eine Bremse, so schlägt man sie tot, und sticht einen eine giftige Zunge, so reisst man sie dem Schandbub aus dem Halse!“
„Hihi! .. so höret mich doch, liebwerter Herr Amadeus!“ — zeterte der Gewürgte, sich losreissend und hinter dem Hanno Deckung suchend, „wer sagt, dass ich Euch einen argen Rat gegeben? Dass ich nicht wohlweislich und mit Fürbedacht geredet? So Ihr mich fraget: „Wie soll der Gaukler seinen Willen haben, ohne dass es mich schädigt,“ ei, so werd’ ich Euch ein Wörtlein ins Ohr flüstern, das euch schon behagen wird!“
Der Vogt zog die Arme zurück, wischte langsam mit dem Ärmel über die schweissperlende Stirn und bohrte die funkelnden Blicke drohend in das aschfarbene Gesicht des Sprechers. „Gott verdamm mich“ — grollte er — „wenn ich dich nicht in Stücke hau’, so du abermals eine Lüge gesagt! Gib mir ein Ross für den Zigeuner — — oder“ — — und dabei machte er Miene, abermals auf ihn einzudringen.
Der gelehrte Beistand des Ritters Jossa krallte sich am Wildmeister fest und schob ihn als Schirmwehr noch breiter vor sich, mit freundlichstem Grinsen über die Schulter des vierschrötigen Mannes zu dem kleinen Gegner hernieder sprechend: „Gewiss, mein Herzbrüderlein, werde ich dir helfen! So du dich nur der feindseligen Miene begeben und mein Wort in Frieden hören willst!“ — und der Magister winkte die Mannen herzu, kicherte so boshaft, dass seine Augen nur wie zwei rote Striche aussahen, und flüsterte: „Wisset ihr nicht, lieben Freunde, dass fahrend Volk ein vogelfrei Geniste ist? Hat noch kein Mann sich jemals verantworten müssen, wenn er einem Zigeuner begegnet und ihn gleich wie einen Hasen oder Fuchs zu Schanden geschlagen hat! — Hihi! was schaut ihr so betroffen drein? Gedenket der ergötzlichen Mär, so uns der rühmliche Ardensis erzählet in seiner historia Comitum Ardensium et Ghisnensium, — so von dem Grafen Arnold von Ardres erzählet, der fahrend Volk hat aufgegriffen, es auszurotten und zu verderben. Aber nicht dahinaus will ich mit meinem Rate, will den Goykos nicht zum toten Manne machen, wiewohl es seine Unehrlichkeit und sein betrügerisch Spiel also verdient hätte! Aber einen Schelmstreich wollen wir aushecken und wollen den braunen Bursch ein Liedlein hoch zu Rosse pfeifen lassen, das nicht nach eitel Wohlbehagen klingen soll! Heda, Vogt! hast dem Galgenvogel ein Ross verheissen und musst dein Wort halten! Darum greifet den Hund von einem Possenreisser, so man „scurra“ nennet, führt ihn hinab in die Turmkammer und sattelt ihm das Rösslein Equeleus, und lasset ihn reiten, bis seine Beine lang genug sind! Hat er alsdann noch Lust, das Pferdlein mit sich zu führen, so schenket es ihm getrost, denn es ist die beste Mähre für Gesindel, dieweil sie nicht Heu noch Hafer braucht!“
Ein brüllendes Gelächter erhob sich in der Halle, Amadeus taumelte dem Sprecher entgegen, umhalste und drückte ihn, nannte ihn eine Weisheitsleuchte und ein Bruderherz und lachte, dass ihm das Wasser in die stieren Augen trat. Und die Mannen schrieen wüst durcheinander und lobten solchen Streich, nur der Lambert schüttelte finster des Haupt und sprach: „Das ist ein teuflischer Rat und böse Sitte für ehrliche Gesellen! Der Goykos hat uns Kurzweil geschaffet; jaget ihn mit Weib und Kind über die Zugbrücke, aber foltert ihn nicht wie einen Bösewicht, der das Halsgericht verdienet!“
Amadeus aber fuhr ihn mit zornigen Worten an, und der Lateiner schrie höhnisch: „So man den einen Hund prügelt, heulet der andere mit!
Werfet den Schliesser hinaus, denn er ist trunken!“
Da gab es noch ein kurzes, grimmiges Handeln, und Zinkra presste ihren Knaben an das Herz, brach nieder auf die Knie und schrie mit gellender Stimme: „Erbarmet euch, ihr edeln Herren, und treibet keinen grausamen Scherz! Wenn ihr jenen armen Narren foltert, zerreisset ihr ihm die Gelenke und macht ihn untauglich zu aller Kunst!“
„Der listige Teufel soll künftighin keine Messer mehr werfen!“ — schüttelte Amadeus grimmig das Haupt, „denn er hat mir dadurch ein gross Ärgernis gegeben! Auf ihn, ihr Mannen! — fasst den Hallunken und auf das Folterross mit ihm!“
Da schlang Zinkra voll Verzweiflung die Arme um die Knie des grausamen Sprechers. Ihr bunt Gewand löste sich auf der nackten Schulter, das Haar wogte in wilder Pracht über den schönen, verführerischen Hals und den Arm des braunen Weibes, die Gluten der Leidenschaft flammten in ihren Augen: „Nehmet mein Leben, das kurze, verlöschende, aber schonet Mann und Kind!“ schrie sie auf.
Des Vogtes Blick traf die Knieende, eine jähe Wandlung seiner rachsüchtigen Züge, — und keuchenden Atems, wie ein Raubtier schleichend, unverwandt auf die Gauklerin starrend, trat er neben Goykos —: „Gib mir dein Weib — so geb ich dir’s Leben!“ — stiess er leis flüsternd hervor.
Des Zigeuners Zähne blinkten grell durch die Lippen, ein Gelächter, wie das Brüllen eines wunden Stiers schütterte durch die Halle.
„Narr! sie ist in meiner Gewalt! Gibst du sie nicht, so nehme ich sie!“
Da wand sich die schmeidige Gestalt des braunen Gesellen wie in jähem, wildem Kampfe; einen Augenblick — dann blitzte die Messerklinge in seiner Hand und zischte durch die Luft nach dem Herzen seines Weibes. — Gleicherzeit ein gellender Schrei aus seinem eignen Munde, und die andern Messer in den Köcher auf seiner Hüfte zurückstossend, schnell, lautlos wie ein Schatten war er entschwunden. Schmetternd schlug die Türe hinter ihm zu. Zinkra aber starrte auf die Waffe, welche dicht neben ihr hergesaust und in das Holz des Vogtsessels mit furchtbarer Gewalt eingedrungen war. Ihre Hände krampften sich zitternd zusammen. Leichenblässe deckte ihr Angesicht. Es war das erste Mal, dass Goykos der Zigeuner sein Ziel verfehlt hatte.
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