Die Welt des Dufts und des Geschmacks ist so vielfältig wie nie zuvor, zu Hause und im Restaurant: Fast alles ist fast überall verfüg- und machbar. Jung und Alt besucht Kochschulen, beschenkt sich mit Kochbüchern immer exotischerer Küchen. Man lädt Freunde zu sich nach Hause ein, um mit ihnen gemeinsam „indisch“ oder „mexikanisch“ zu kochen. Vermutlich hat die Menschheitsgeschichte noch nie so viele kompetente und experimentierfreudige Hobbyköche wie heute gekannt. Das führt zurück zu dem philosophierenden Gourmet Brillat-Savarin: Kenntnisse – und ihre Anwendung bei der Auswahl der Lebensmittel – erhöhen den Genuss. Selberkochen hebt die Lebensfreude und ist gesünder als jede Form von Convenience Food – und die eigens angemischte Gewürzmischung ist fast immer besser als die gekaufte aus dem Supermarkt.
Auf den folgenden Seiten finden Sie in alphabetischer Ordnung 126 Kräuter, Gewürze und andere Würzmittel aus aller Welt. Mit dabei sind Zutaten wie Algen, Trockenfrüchte, Harze, Nüsse, Pilze, Kaffee, Kakao – schlicht alles, mit dem Sie Würze, Geschmack und Aroma in Ihr Essen bekommen. Zu allen Einträgen gibt es einige ausgewählte Kombinationsvorschläge und ein kleines Rezept – meist für zwei Personen –, mit dessen Hilfe Sie den jeweiligen Nuancen jedes einzelnen Gewürzes nachspüren können. Einzig diejenigen Zutaten, die hierzulande nicht erhältlich sind oder bei denen die Inhaltsstoffe noch nicht chemisch identifiziert wurden, sind hier nicht aufgenommen worden. Das schließt einige ausgefallene, aber hochinteressante Exoten aus, aber sicherlich werden Sie auch so von vielen Dingen lesen, die Sie schon immer einmal kosten wollten.
DAS FARBSCHEMA: SO FUNKTIONIERT’S
Durch das gesamte Buch zieht sich ein Farbschema: Es teilt alle Duftstoffe in acht farblich gekennzeichnete Gruppen ein – die neunte Gruppe beinhaltet nichtduftende Stoffe, die trigeminal reizen, also scharf oder adstringierend wirken.
Diese Farbgruppen kommen in der Randspalte neben jedem Gewürz zum Einsatz: So machen sie es möglich, „Gewürzchemie“ ohne die genaue Kenntnis chemischer Details anzuwenden und verschiedenste Zutaten miteinander zu kombinieren. Harmonien und Spannungen zwischen Gewürzen können auf einen Blick erkannt werden: Ähnliche Farben deuten auf eine Verstärkung des Dufts hin, unterschiedliche Farben auf eine Ergänzung des Aromenspektrums um neue Noten. Selbst wenn das Gewürz unbekannt ist, weiß man anhand der Farben genau, wozu es passt und wie man es zu verwenden hat.
Da alle Aromen einer Farbgruppe zudem ähnlich flüchtig sind, lässt sich in der zweiten Grafik (siehe links, unten) leicht die optimale Verarbeitungstemperatur für ein bestimmtes Aroma ablesen.
MYRCEN süßlich-würzig, balsamisch, pfeffrig, terpentinartig
Alkohol, Fett LINALOOL blumig, zitrusartig, frisch
Alkohol, Fett GERANIOL blumig, floral
Alkohol, Fett 1,8-CINEOL T
Im Beispielgewürz Rosmarin sind die Farben für zitrusartigfruchtig-blumige, balsamisch-kampferige, schwer-florale und würzige Duftnoten aktiv sowie die für einen herb-bitteren Geschmack. Wer es genauer wissen möchte, kann sich darunter die einzeln aufgeschlüsselten Duftnoten jedes Aromas und dessen Löslichkeit ansehen. Das kleine hochgestellte „T“ zeigt zudem an, ob das Aroma in diesem Gewürz auch einen trigeminalen Reiz auslöst.
GESCHMACK
Rosmarin schmeckt etwas bitter und duftet angenehm nach Pinien und Fichten. Der harzige Ton verstärkt sich getrocknet noch.
Dieses Schema zeigt an, welche der fünf Geschmacksrichtungen in dem Gewürz schwach – heller Grünton – oder stark – dunkler Grünton – aktiv sind. Ist ein Grundgeschmack nicht aktiv, bleibt die Fläche weiß. Zudem gibt es eine kurze Geschmacksbeschreibung zu dem jeweiligen Gewürz.
HARMONIE
Im Abschnitt „Harmonie“ zeigen gleiche Farben an, dass sich das typische Aroma dieser Gruppe in Kombination weiter verstärken würde. Sind Farben im jeweils anderen Gewürz nicht enthalten, findet in der Kombination der Gewürze eine gegenseitige Erweiterung um die jeweiligen Aromen statt.
AROMENENTFALTUNG
A Dominant floral-herbal, „grüner“ Eindruck B Würzig, balsamisch-herbal C Würzig-aromatisch D Starker Bittergeschmack
Dieser Abschnitt zeigt den optimalen Temperaturbereich für den Einsatz einer Zutat auf einen Blick. Darf ein Kraut oder Gewürz mitgekocht werden oder sollte es eher zum Schluss untergehoben werden? Entstehen unter starker Hitze neue Röstaromen oder bleibt nur ein bitterer Geschmack zurück? Einzelne Temperaturbereiche zeigen mitunter verschiedene Charakteristika für ein und dasselbe Gewürz.
Die Aromen des niedrigeren Temperaturbereiches sind nicht wiederzuerlangen, wenn man den durch gestrichelte Linien begrenzten Temperaturbereich verlassen hat.

GRUPPE 1: ALIPHATISCHE KOHLENWASSERSTOFFE
(Z)-Hex-3-enal: grün, grasig, wachsig, grüner Apfel 1-Octen-3-ol: Champignon, erdig, pilzig
GRUPPE 2: SCHWEFELVERBINDUNGEN
Dimethylsulfid: schwefelig, zwiebelartig, kohlartig Methional: knoblauchartig, gekochter Kohl, käseartig
GRUPPE 3: ACYCLISCHE TERPENE
Citronellol: floral, lederartig, wachsig, Rosenknospen, leicht zitrusartig Geraniol: süßlich, floral, fruchtig, rosenartig
GRUPPE 4: CYCLISCHE TERPENE
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