Erfunden haben das Brotbacken allerdings die Niltal-Bewohner. Bei den Ägyptern war das Brot die entscheidende Ernährungsgrundlage – es diente sogar als Währung. Aber auch Gewürze und wertvolle Zutaten müssen einen hohen Stellenwert besessen haben: Man gab sie Verstorbenen mit auf ihre letzte Reise. Im Grab einer ägyptischen Adligen fand man als Proviant der Toten: Gerstenbrei, eine Wachtel, zwei Nierchen, Taubenragout, einen Fisch ohne Kopf, zwei Rinderkoteletts, dreieckige Weizenbrötchen und als Dessert einen Brei aus Feigen und Kirschen. In Krügen befand sich eine Art Käse sowie Wein und Bier. Andere Gräber enthielten Muskatnüsse und im berühmten Grab von Tutanchamun fand man Bockshornkleesamen. Unklar ist allerdings die Verwendung: Von Zimt etwa weiß man, dass er nur zu rituellen Zwecken eingesetzt wurde – dienten Muskat und Bockshornklee auch als Kultobjekt oder würzte man mit ihnen? Nicht einmal das Ursprungsland der ägyptischen Gewürze ist gesichert: Seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. bezogen die Ägypter zum Beispiel Weihrauch und Myrrhe aus „Punt“ – wobei nur vermutet werden kann, dass damit das heutige Somalia oder generell die Gegend rund um das Rote Meer gemeint war. Eine kleine Sensation ist in Jordanien entdeckt worden: Ein ganzes Tongefäß, randvoll mit einem Gemisch aus Bockshornkleesamen, Kreuzkümmel und Traubenkernen – datiert auf das 9. Jahrhundert v. Chr. Falls es sich dabei nicht um Medizin gehandelt hat, wäre das die älteste belegte Gewürzmischung der Welt.
GEWÜRZE AUS DEM ALTEN ÄGYPTEN BIS ZUR GRIECHISCH-RÖMISCHEN ZEIT
Seit prädynastischer Zeit (4000–3032 v. Chr.):
Erdmandel
Wacholder
Seit dem Mittleren Reich (2100 bis 1781 v. Chr.):
Zwiebel
Schwarzkümmel
Olive
Pinienkerne
Seit dem Neuen Reich (1550–1070 v. Chr.):
Knoblauch
Mandel
Dill
Sellerie
Saflor / Färberdistel
Koriander
Kreuzkümmel
Schwarzer Pfeffer
Granatapfel
Sesam
Ajowan
Bockshornklee
Seit griechisch-römischer Zeit (4. Jh. v. Chr.):
Senf
Kapern
Haselnuss
Fenchel
Walnuss
Myrte
Tamarinde
Früheste schriftliche Zeugnisse zu Gewürzen, die sich relativ genau deuten lassen, stammen von 1 200 v. Chr., aus der griechischen Stadt Mykene: Auf Steintafeln werden dort unter anderem Koriander, Kreuzkümmel, Fenchel, Sesam, Selleriesamen und Minze erwähnt. Allerdings lässt sich heute nicht mehr bestimmen, ob sie zum Kochen, für Parfüms, als Medizin oder als Konservierungsmittel verwendet wurden – alle Verwendungen wären möglich gewesen.
In der Klassischen Zeit ab 500 v. Chr. bevorzugten die Griechen einen scharfen und essigsauren Geschmack. Als Quelle für Kulinarik und Würzgewohnheiten ist die „Deipnosophistae“ (Das Gelehrtenmahl) von Athenaios aus Naucratis sehr wichtig: Obwohl er viele Jahrhunderte später lebte, beinhaltet sein Werk zahlreiche Zitate aus früheren kulinarischen Werken. Ihm zufolge beruhte die klassische griechische Küche auf Korn, Wein und Öl – dazu kamen gedünstetes Fleisch, Gemüse, Kräuter, Gewürze und Honig. Essig kannte man ebenfalls – etwa in einer sauren Sauce mit scharfen Senfkörnern –, vielleicht eine Frühform unseres Senfs. Zu den häufigsten Gewürzen zählten Mohn, Sesam und Leinsamen, auch verschiedene Käse, Rosinen und andere Trockenfrüchte. Als Fette dienten neben Öl auch Talg oder Schmalz. Des Weiteren kannte man Oliven, Basilikum, Bärlauch, Kerbel und Petersilie. Melisse ist etymologisch griechisch: Im Wortstamm „meli“ steckt das griechische Wort für „Honig“. Die antiken Imker pflanzten dieses Kraut für ihre Bienen. Korianderkraut hingegen erinnerte die Griechen olfaktorisch an die Wanze: „koris“. Langer Pfeffer war beliebt, den Schwarzen Pfeffer brachte Alexander der Große im 4. Jahrhundert v. Chr. von seinen Feldzügen in Indien mit in die Heimat. Auf dem gleichen Weg gelangte auch die Gewürznelke in den Mittelmeerraum. Sie sollte wie der echte Schwarze Pfeffer für viele Jahrhunderte ein sehr teures Luxusgut bleiben.
Angepflanzt oder importiert wurden: Bohnenkraut, Borretsch, Dill, Fenchel, Kerbel, Knoblauch, Koriander, Kümmel, Liebstöckel, Majoran, Melisse, Petersilie, Sellerie und Thymian sowie Mandeln, Kirschen, Pfirsiche, Quitten und Mispeln.
Die berüchtigtsten Delikatessen des Apicius, viele kommen in der gleichnamigen Rezeptsammlung vor: Flamingozunge (wird bei Plinius erwähnt), Gebärmutter einer Jungsau, Hoden von Ziegenböcken, Euter und Schweinezitzen, Papagei, Pfau, gefüllte Haselmäuse.
BEISPIELE VON REZEPTEN AUS DEM APICIUS:
Gemüsezwiebeln: „1. Gemüsezwiebeln serviere mit Öl, Liquamen und Essig, mit ein wenig daraufgestreutem Kümmel {vermutlich ist Kreuzkümmel gemeint}. 2. Auf andere Art: Zerstampfe die Gemüsezwiebeln, worauf du sie in Wasser kochst, dann schmore sie in Öl. Die Sauce mache folgendermaßen: Thymian, Poleiminze, Pfeffer, Oregano, Honig, ein wenig Essig und, wenn es gefällt, auch ein wenig Liquamen {Garum / Fischsoße}. Streue Pfeffer darauf und serviere.“
Gesottene Fische: „Stoße Pfeffer, Liebstöckel, Selleriesamen, gieße Essig, Liquamen und Eidotter dazu, gieße es zusammengemischt darüber und trage auf.“ Eher bedenklich ist sein Umgang mit den kostbaren
Trüffeln: „Schäle die Trüffel, koche sie, bestreue sie mit Salz und stecke sie auf ein Stäbchen. Grille sie an und gib in einen Topf Öl, Liquamen, Caroenum {eingekochter Most}, Wein, Pfeffer und Honig. Wenn es aufgekocht ist, binde mit Stärkemehl. Garniere die Trüffel und serviere.“
Ein Sizilianer, Archestratos von Gela, forderte bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. in seinem einflussreichen Lehrgedicht „Hedypa-theia“ (Leben im Luxus), nur allerbeste Zutaten zu verwenden, so frisch und saisonal wie möglich. Diese erstklassigen Zutaten solle man schlicht zubereiten, um ihren Eigengeschmack zu betonen. Archestratos warnte davor, alles mit Käse und Essig zu begießen – offenbar eine Vorliebe seiner Zeitgenossen – und empfahl, stattdessen nur mit Salz und Öl zu würzen, eventuell mit Kreuzkümmel. Vor allem mochte er die im Altertum äußerst beliebte Alleswürze Silphion (Silphium) nicht. Das Kraut hat vermutlich fenchelähnlich geschmeckt und starb im 1. Jahrhundert aus – aufgrund von Übererntung. Heute weiß man nur noch anhand von Abbildungen auf antiken Münzen, wie das Kraut ausgesehen haben muss. Verwendet wurde, ähnlich wie bei Asant, das aus den angeritzten Stängeln ausfließende Harz. Die letzten Stängel Silphion, so berichtet Plinius der Ältere, wurden Kaiser Nero geschickt.
Die Römer waren sehr an gutem Essen und Trinken interessiert und lernten von allen Völkern, die sie unterwarfen oder kolonisierten. Die Legionäre brachten die Gewürze mit in die Heimat: etwa den Silphion-Ersatz Asant aus dem Nahen Osten oder den Bockshornklee aus Kleinasien. Das ausgedehnte römische Handelsnetz zog sich bis nach Indien: In spätrömischer Zeit wurde zum Beispiel Pfeffer auf dem direkten Seeweg, ohne Zwischenhändler importiert. Dadurch war er preislich keineswegs mehr ein Luxusartikel – was sich im Mittelalter wieder ändern sollte, als arabische Händler das Monopol innehatten. Gleichzeitig exportierten die Römer ihre eigenen Kenntnisse in die entlegensten Teile ihres Reiches und führten viele Kräuter- und Obstbaumsorten im nördlicheren Europa ein, zum Beispiel Dill, das dann zum nordeuropäischen Kraut schlechthin wurde.
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