Weißbier |
ca. 15 |
Pils |
20–25 |
Dunkle Biere |
ca. 30 |
Kaffee |
100–500 |
Löwenzahn |
ca. 800 |
ABSCHMECKEN: UMAMI
Als der japanische Chemiker Ikeda Kikunae 1908 den Geschmack „umami“ isolierte – japanisch für „fleischig“, „herzhaft“, „wohlschmeckend“ –, war er einem uralten Küchengeheimnis chemisch auf die Spur gekommen. Tatsächlich würzten schon die Römer und Griechen ihre Speisen mit einer fermentierten Sauce aus Salz und Fisch: Garum (
Geschichte des Würzens, Seite 68). Umami-Geschmack wird durch freie Glutaminsäure erzeugt. Bekannter ist deren Salz, das Glutamat, auch „Geschmacksverstärker“ genannt. Dieser Begriff ist aus physiologischer und aus küchenpraktischer Sicht irreführend. Der Geschmack wird nicht – wie bis vor einiger Zeit angenommen – „verstärkt“, sondern es werden speziell für den umami-Geschmack zuständige Rezeptoren zusätzlich angeregt. Letztlich wird der Geschmack also um eine Empfindung erweitert.
Glutaminsäure ist eine proteinogen Aminosäure, die auch in uns vorkommt: Durchschnittlich 2 kg proteingebundenes und etwa 10 gfreies Glutamat nehmen in einem 70 kg schweren, gesunden Menschen biochemische Aufgaben bei der Zellkommunikation wahr – auch im Gehirn. Glutaminsäure ist in praktisch jedem Protein zu unterschiedlichen Anteilen gebunden. Beim Kochen werden viele dieser Proteine zerhackt, in der Fachsprache: hydrolysiert. Dabei bilden sich Proteinbruchstücke und freie Glutaminsäure. Das lange Kochen eines Gulaschs, eines Schmorbratens oder eines Fleischfonds dient also nicht nur dem Zartmachen des Bratens. Reduzierte Fonds und Saucen sind folglich die reinsten „Glutamatbomben“, auch wenn dies die Verächter von Glutamat vermutlich nicht wahrhaben wollen. Die eigene Erfahrung zeigt: Je länger der Fond gekocht wird, desto tiefer und herzhafter wird sein Geschmack, erst recht beim Reduzieren und beim Konzentrieren der Sauce.
Fermentation mit Enzymen oder Bakterien kann ebenfalls eine Hydrolyse bewerkstelligen. Das prominenteste Beispiel sind die
Sojasaucen aus der asiatischen Küche. Bei ihrer Herstellung muss der Proteinspaltprozess so geführt werden, dass zwar keine bitter schmeckenden Proteinbruchstücke entstehen, aber viel Glutamin freigesetzt wird. Darüber hinaus soll je nach Art ein malziges, fruchtiges bis alkoholisches Aromenspiel entstehen. Eine hohe Handwerkskunst – tatsächlich haben viele Sojasaucen aus dem Supermarkt mit den besten Sojasaucen Japans nichts gemein. Bei der enzymatischen Fermentation von Weizen- und anderen Getreideproteinen wiederum – angewendet etwa in der Herstellung der
Maggi-Würze – entsteht zwar auch viel freie Glutaminsäure, darüber hinaus werden hier aber ganz andere Aromen frei, die nur noch entfernt an die Sojasauce erinnern.
„SAUCENPULVER“ SELBST GEMACHT
Etwas Maltodextrin – daran werden die flüchtigen Aromen gut gebunden – unter einen dicklichen Fleischfond heben, etwas im Ofen auf 80 °C erhitzte Kartoffelstärke für erhöhte Rieselfähigkeit zugeben und den Brei bei 40–45 °C trocknen. Das entstandene Pulver nochmals kurz aufmixen und etwa über gekochte und in Butter geschwenkte Kartoffeln oder Kürbis geben. Das ergibt eine kleine geschmackliche Sensation – und ist ein einfaches, lehrreiches Küchengeschmacksexperiment.
Das Brechen der Eiweißketten kann durch die Beigabe von Säure effektiver werden. So ist die Schmorbeigabe Wein oder Essig eine schmackhafte Methode, um den Spaltungsprozess der Proteinketten zu verstärken. Der Côtes du Rhône in einer provenzalischen Daube oder der Riesling im elsässischen Coq au riesling wird also zu Beginn des Schmorprozesses nicht wegen des ohnehin zum Großteil verdampfenden Alkohols zugegeben, sondern wegen der Säure – die über Umwege auch den Geschmack umami verstärkt.
IST GLUTAMAT GEFÄHRLICH?
Mit dem Begriff Glutamat und Glutaminsäure werden allerlei Geschichten und Horrormeldungen verbunden. Es gibt allerdings bis heute keine seriöse wissenschaftliche Studie, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Genuss von Glutamat und gesundheitlichen Beeinträchtigungen festgestellt hat. Es gibt Menschen, die empfindlich auf Glutamat reagieren können, und natürlich ist Glutamat ab einer gewissen Menge nicht gesundheitsförderlich – aber das trifft auf normales Kochsalz genauso wie auf jedes andere Gewürz zu. Übrigens: In wunderbar schmeckenden, selbst hergestellten, lange geschmorten und anschließend geklärten Fleischfonds ist nicht nur viel Glutaminsäure vorhanden – sondern auch kein Gramm Fleisch mehr (→ Hydrolyse). Im Grunde genommen wäre diese Saucengrundlage einer ähnlichen Kritik zu unterziehen wie Saucenpulver.
UMAMISIEREN
Zum Abschmecken mit „umami“ gibt es zwei Methoden. Man kann das reine Pulver verwenden – so kann man selbst genau kontrollieren, wie viel man dazugeben möchte – oder Zutaten benutzen, die auf natürliche Weise viel freie Glutaminsäure besitzen. In unserer europäischen Kultur spielt das direkte Würzen mit Glutamatpulver keine Rolle, wird von vielen Verbrauchern sogar als kritisch angesehen – aber die Idee der „Geschmacksverstärkung“, genauer: des Hinzufügens der Geschmackskomponente umami, besteht nichtsdestotrotz:
Parmesan über Pastagerichte gestreut wirkt genauso wie gebratene und mitgekochte
Zwiebeln, wie mitgeschmorte
Morcheln und
Steinpilze oder wie
getrocknete Tomaten. Diese „Geschmacksverstärker aus der Natur“ fügen Speisen zusätzlich auch viele ihrer eigenen typischen Aromen bei, weswegen sie ausführlicher im Lexikonteil des Buches besprochen werden.
GLUTAMAT,meist Natriumglutamat, kann als Pulver ganz trivial über einen garenden Topf gestreut werden – fertig. Weil sich der Stoff in Wasser löst, ist die Anwendung so einfach wie salzen. Sein Vorteil ist der fast reine umami-Geschmack, ohne „störende“ zusätzliche Aromen: Manchmal macht das den kleinen Unterschied aus, etwa wenn es um geschmorte Früchte im Dessert geht, die einen Hauch umami-Geschmack ohne Sojasauce- oder gar Maggiaromen bekommen sollen. In komplexen Desserttellern kann dies manchmal eine Hilfe sein, um Fruchtsäuren abzuschwächen, ohne gleichzeitig mit zusätzlichem Zucker arbeiten zu müssen. Die Glutamatdosen hierfür sind allerdings extrem gering zu halten. Der bereits bestehende Eindruck darf nicht durch zu viel umami-Geschmack überdeckt werden – das würde den bekannten unangenehmen Geschmack „künstlich“ wirkender Saucen erzeugen.
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