Unser Würzmittel Nummer eins riecht nach nichts und schmeckt eigentlich nur salzig. Aber es steigert den Eigengeschmack der Speisen. Außerdem gibt es einige Salze, in denen dann doch „mehr“ steckt (
Salz). Reines Koch- oder Speisesalz, NaCl, besteht lediglich aus Natrium- und Chloridionen, die in einem Kristall regelmäßig zusammengefügt sind. Bei Kontakt mit Wasser löst sich der Kristall auf und zerfällt in seine ionischen, also elektrisch geladenen Bestandteile: das einfach positiv geladene Natriumion und das einfach negativ geladene Chloridion. Die Geschmacksempfindung „salzig“ wird erst durch dieses Lösen ermöglicht, da die Rezeptoren der Zunge die elektrischen Ladungen der Ionen wahrnehmen (
Wie funktionieren Rezeptoren?, Seite 12).
SALZEN
Obwohl salzen der vielleicht einfachste Würzvorgang überhaupt ist, gibt es auch hierbei sowohl feine Unterschiede als auch einige Tricks für mehr Geschmack. Weltweit werden die verschiedensten „Sorten“ von Salz abgebaut (
Salze der Welt, Seite 295).
KRISTALLFORM UND TEXTURsind entscheidend für die Salzempfindung. Wird nachgesalzen, sind nicht nur die Ionen entscheidend, sondern auch die Art und Geschwindigkeit, in der sich das Salz zusammen mit dem Lebensmittel im Mund unter Speicheleinfluss auflöst. So können die gleichen Stücke eines Steaks je nach Form und Größe der Salzkörner deutlich unterschiedliche Geschmacksnuancen entwickeln. Feine Salze dominieren über das Fleisch, grobes Salz wirkt milder und Salzflocken entsprechend fein – selbst wenn alle aus reinstem Natriumchlorid bestehen und keine weiteren Mineralien eingelagert sind. Kleine Kristalle haben im Vergleich zum Volumen große Oberflächen, sie lösen sich schneller als große Kristalle. Perfekte Kristalle – wie häufig bei Salzflocken – sind sehr dünn, lösen sich aber dennoch verhältnismäßig langsam. Sie wirken beim Zerbeißen zusätzlich „knusprig“, ohne ein Zuviel an Salzgeschmack hervorzurufen.
SALZ IM KOCHWASSERerhöht die Siedetemperatur je nach Salzkonzentration, weil die Salzionen wegen ihrer Ladung die (dipolaren) Wassermoleküle besser festhalten. Messbare Effekte für eine Verkürzung der Gardauer, wie immer wieder spekuliert wird, hat dies allerdings nicht – zumindest bei physiologisch erträglichen Salzkonzentrationen. Sobald das Wasser kocht und Flüssigkeit verdampft, nimmt die Salzkonzentration zu. Deshalb kann man ein Gericht auch versalzen, wenn man das Salz zu früh dazugibt. Profis salzen vorsichtig und schmecken zum Schluss noch einmal ab: Nachsalzen kann man immer, ein versalzenes Gericht ist nicht mehr zu retten.
WEGEN SEINER OSMOTISCHEN WIRKUNG„zieht“ Salz Wasser aus allen Lebensmittel. Damit wird vielen Mikroorganismen ihre Lebensgrundlage entzogen, was die Verderblichkeit dieser Lebensmittel verringert. Gepökeltes Fleisch und Fisch lassen sich auf diese Weise lange konservieren.
NITRITPÖKELSALZverleiht Fleisch und Wurst eine rote Farbe. Es enthält Stickstoffverbindungen, deren Stickoxid sich mit dem Eisen-Ion der Hämgruppe des Muskelfarbstoffs Myoglobin verbindet. Myoglobin kann daher nicht oxidieren: Das Fleisch wird nicht grau.
NATRIUMREDUZIERTE DIÄTSALZEenthalten Kaliumchlorid und Glutamat, das Salz der Glutaminsäure. Damit lässt sich dezenter salzen als mit Salz, und über das Glutamat erhält man zusätzlich umami-Würzkomponenten.
„SALZEN“ LÄSST SICH AUCH MIT ANDEREN LEBENSMITTELN.In der mediterranen Küche ist das „Salzen“ (und „umamisieren“) mit Sardellen sehr beliebt. Diese in Salzlaken konservierten Minifische lassen sich leicht zu Pasten verarbeiten, die neben dem salzigen Geschmack auch herzhafte Anklänge beisteuern und gleichzeitig Meeresnoten im Aroma liefern. Salzig-fischige Noten werden ebenso durch Poutargue (Bottarga) beigefügt, dem gepressten und getrockneten Rogen der Großkopfmeeräsche. Auch Räucherspeck oder Salzfleisch eignen sich zum feinen und wohldosierten „Salzen“. Werden salzhaltige
Algen zu Speisen gegeben, wird der salzige Geschmack „frei Haus“ mitgeliefert. Dazu gehört auch Queller (Salicorn). Ebenso lassen sich viele Wildkräuter der Salzwiesen an der Nordsee zum „Salzen“ verwenden.
VERSALZENE SUPPEN LASSEN SICH RETTEN– bei richtigen Missgeschicken ist aber alles zu spät. In übersalzene Cremesuppen gibt man eine fein geriebene Kartoffel. Bei klaren Suppen oder Brühen hilft, das Eiweiß von einem bis drei Eiern mitzukochen. Nachdem das Eiweiß geronnen ist, wird es abgeschöpft und nicht weiterverwendet: Es hat einen Teil des Salzes absorbiert, aber leider auch andere Aromen und Geschmacksstoffe.
Struktur eines Salzkristalls
ABSCHMECKEN: BITTER
Eine Präferenz für Bitteres ist nicht angeboren (
Geschmack und Funktion, Seite 10). Ganz im Gegenteil: Der Geschmacksreiz signalisiert weder wertvolle Energie (süß) noch Mineralstoffe (salzig), sondern: Achtung, giftig! Gefahr! Sofort ausspucken! Deswegen mögen Kinder keinen Rosenkohl, kein Bier, keinen Kaffee: Der Genuss dieses Geschmacks muss erst „erlernt“ werden. In der westlichen Kultur gibt es kaum bittere Würzungen, die bewusst zu Tisch eingesetzt werden.
Zu starke Bitternoten können den Genuss eines ganzen Gerichts zerstören – ganz ohne Bitternoten bliebe allerdings der Genuss auf der Strecke. Bitternoten lassen sich kaum dominant einsetzen, es sei denn separat zum Aperitif – in Form vom Drinks bei Zubereitungen mit Kräutern sowie bei Chartreuse, Kräuterlikören oder gar gekräuterten Artischockenschnäpsen (
Alkohole, bittere, Seite 470) – in Softdrinks wie Tonic Water oder bei einem bitteren Pils. Auch bei
Kaffee, Tee oder bei dunkler Schokolade beziehungsweise
Kakao treten Bitterstoffe in den Vordergrund. Olivenöl, Chicorée oder Radicchio würde ohne den Bittergeschmack etwas fehlen. Die Köpfe (Innereien) von Meeresfrüchten wie Garnelen lassen sich aufgrund ihrer Bitterstoffe exzellent als Pürees zum dezenten Abschmecken oder als Tellerelemente nützen. Manchmal wird jedoch der Braten ungewollt bitter oder das Brokkolipüree fast ungenießbar. Die Grenze zwischen „gut“ oder „zu bitter“ findet man nur, wenn man die Kunst beherrscht, eine Balance mit den anderen Geschmacksrichtungen hinzubekommen.
Die Bitterkeit eines Stoffes wird mit dem sogenannten Bitterwert gemessen. Dieser standardisierte Wert gibt an, welche Gewichtskonzentration des Stoffes einen Liter Wasser erkennbar bitter schmecken lässt. 1 g Chininchlorid lässt bereits 200 l Wasser bitter schmecken. 1 g Absinthin des
Wermutkrauts macht sogar 3000 l Wasser bitter. Das zeigt, wie wenig dieses Stoffes in entsprechenden Alkoholika wie Absinth enthalten sein darf, damit dieser überhaupt genießbar ist. Das Amarogentin der Enzianwurzel ist noch einmal 20 Mal bitterer (siehe Tabelle).
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