„Ja, was wollen Sie denn eigentlich von mir?“ hatte von Berghorst ihn gefragt.
„Das Geld, was ich und die beiden anderen von Ihnen zu kriegen haben,“ hatte jener andere ebenso kühl erwidert.
„Ich kann es Ihnen doch aber jetzt nicht geben!“
„Dann werde ich eben solange, warten, bis Sie in der Lage dazu sind.“
„Ich fahre aber jetzt nach Haus, nach Lichterfelde, nach meiner Villa.“
„Dann bitte ich um Entschuldigung, dass ich Ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen muss ... O, ich bin sehr bescheiden und begnüge mich mit einem Platz auf dem Kanapee.“
Einfach sprachlos über soviel Unverschämtheit, fragte der Graf ... „Ja, glauben Sie denn, dass ich Ihnen mit Ihrem Gelde durchbrennen werde?“
Mit jenem Lächeln, wegen dessen man ihn hätte erwürgen können, erwiderte der Rothaarige:
„Ich glaube gar nichts, lieber Graf, ich will nur das Geld haben, weiter nichts.“
Was blieb dem Grafen weiter übrig, wenn er nicht einen öffentlichen Skandal provozieren wollte? Er räumte diesem unbequemen Menschen seinen Salon ein und hörte am andern Morgen, noch im Bette liegend, voll heimlicher Wut, wie jener, ohne sich im geringsten zu genieren, mit lautem pfeifen Toilette machte.
Dann waren sie zusammen zur Bank gefahren.
von Berghorst hatte das Geld behoben, und es war, trotz all seine Nachgiebigkeit, in der kleinen Weinstube, in der sie ihre Rechnung begleichen wollten, zu einer wütenden Auseinandersetzung gekommen.
Der Graf zweifelte keinen Augenblick daran, man betrog ihn!
Nicht allein, dass diese Vermittler sich die unverschämt hohe Provision von zehn Prozent, also zehntausend Mark geben liessen, sie hatten ihn auch mit Extravergütungen, Kostenrechnungen und Spesen um weitere zehntausend Mark zu prellen versucht. Da er in ihren Händen war und an ein Bekanntwerden dieser ganzen Angelegenheit nur mit Grauen denken konnte, so war es ihm nicht möglich gewesen, mehr als zweitausend Mark von dieser Summe herunterzuhandeln.
Dann kamen aber die Sichtwechsel, die er der Bande für geleistete Vorschüsse hatte geben müssen.
Er hatte im ganzen vierzigtausend Mark empfangen in vier Raten. Und für jedesmal, wo er zehntausend Mark erhalten hatte, hatte er, dem das Wasser stets bis an den Hals ging, und der, um überhaupt nur Geld zu bekommen, sich zu allem verstanden hätte, einen Wechsel über fünfzehntausend Mark gegeben. Das waren allein schon sechzigtausend Mark, die man ihm jetzt abknöpfte.
Aber auch dabei hatten es die Blutsauger nicht gelassen.
Wie Kretschmar die Wechsel präsentierte, stellte es sich heraus, dass der zuerst gegebene nicht auf fünfzehn, sondern auf fünfundzwanzig lautete ...
Graf Gert wurde totenblass, als er das Papier in die Hand nahm.
Er betrachtete den Wechsel von allen Seiten, hielt ihn gegen das Licht und prüfte, schief darauf hinsehend, die Glätte des Papieres und die Gleichmässigkeit der Buchstaben, während der rote Teufel an seiner Seite ihm mit einem unverschämt gleichmütigen Gesichtsausdruck zusah. Dann legte der Graf das Papier auf den Tisch und sagte:
„Der Wechsel ist trotzalledem gefälscht!“
Nun sprang der Agent mit brillant gespielter Entrüstung von seinem Platz auf und rief:
„Nehmen Sie das zurück, Herr Graf! Mit wem glauben Sie es denn zu tun zu haben?! ... Das ist eine Infamie!“
Graf Berghorst war ebenfalls aufgestanden. Mit der ganzen, vornehm kühlen Ruhe des Guterzogenen stand er dem Agenten gegenüber.
„Alles, was ich tun werde,“ sagte er eisig, „ist, dass ich Sie und Ihre Komplizen verhaften lasse!“
Laut auflachend erwiderte der Agent:
„Das wird ja reizend! Zu dem Termin, wo Graf Berghorst zeugeneidlich über seine Heirat mit Maria Anna Petersen aussagen wird, kommt ganz gewiss tout Berlin!“
Gert von Berghorst’s Lippen zitterten nervös. Vergeblich suchte er nach einer Antwort. Er kam sich vor, als läge er in Fesseln, die ihn so umschnürten, dass er kein Glied rühren konnte, und er musste zusehen, wie dieser „Ehrenmann“ das Geld einsteckte, für das er den letzten Rest seines guten alten Namens hingegeben hatte. Von den hunderttausend Mark, die er auf so wenig schöne Weise erworben hatte, blieben im ganzen zwölftausend Mark — kaum, dass er die notwendigsten Spielschulden davon begleichen konnte.
Mit trüben Augen durch das Fenster der Droschke sehend, erblickte er Hans von Ballenstedt, jenen jungen Offizier, für den die jetzige Gräfin Maria Anna von Berghorst eine so offensichtliche Schwärmerei hatte.
Ein Gefühl von Neid beschlich den in der Droschke Sitzenden; der da hatte sicherlich keine Schulden! Der ging leicht und frei mit einem reinen und unbefleckten Herzen, und mit berechtigtem Stolz auf seinen glänzenden Adelsschild blickend, durchs Leben. Der hatte auch keine Sorgen, und wenn er seinen Dienst getan hatte, so war das Leben für ihn ein Blumengarten.
Der junge Offizier war längst vorüber, und der Graf, den in diesem Augenblick ein ihm sonst fremdes, fast herzliches Gefühl zu dem jungen Manne hinzog, hätte sich beinahe aus der Droschke gebeugt, um ihm noch einmal nachzusehen.
Aber das wäre ganz zwecklos gewesen, denn Hans von Ballenstedt war längst um die Ecke der Anhaltstrasse in die Wilhelmstrasse eingebogen und, seinen an sich hurtigen Schritt heute mehr als sonst beschleunigend, nach dem Brandenburger Tor zugegangen.
Vor einem jener vornehmen Häuser, in deren elegante und umfassende Räume sich nur wenige Mietparteien teilen, blieb der junge Offizier stehen. Er zögerte einen Augenblick ...
War die Entschuldigung, mit der er die Wohnung der Gräfin Berghorst betreten wollte, nicht doch etwas fadenscheinig? Allerdings hatte er seinen Krimstecher dort vergessen, als er neulich vom Dienst kam, und der Graf ihn zu seiner damaligen Braut und jetzigen Frau mitnahm, aber er hätte ja nur eine Karte schreiben brauchen, so wäre ihm der Gegenstand zweifellos sofort übersandt worden.
Die Gräfin und, wie Hans von Ballenstedt annehmen musste, auch Graf Berghorst selber waren verreist. Indessen jemand war zu Hause geblieben, jemand, der nicht zur Dienerschaft gehörte, jemand, der jung, reizend und kaum sechzehn Jahre alt war und der das sonst so ruhige und geordnete Denken des Leutnants die tollsten Sprünge machen liess.
Selbst die Erwägungen hinsichtlich des Grafen und seiner Gemahlin und das schwer erklärliche, darum aber nicht weniger starke Misstrauen, das er gegen die Verbindung dieser beiden Leute hegte, deren Festgast er gestern gewesen war, konnten ihn nicht dazu bringen, seine Sehnsucht zu zügeln.
Dieses Mädchen brachte ihn noch um Sinn und Verstand!
Und trotzdem er noch vor der Haustür hatte umkehren und den Besuch unterlassen wollen, stand er doch, fast ohne zu wissen, wie er dahin gekommen war, plötzlich inmitten des verblüffenden Luxus der von Berghorstschen Wohnung und erwartete den Eintritt seiner Angebeteten.
Das Gemach, in dem er sich befand, schwelgte förmlich in silbergrauen Plüschwogen, zwischen denen überall der schwere, mit seltsamen Arabesken durchwobene Drap d’or hervorleuchtete. An den mit einer Tapete aus steingrauem Rips bekleideten Wänden hingen herrliche Bilder von alten und neueren französischen Meistern, die einen enormen Wert repräsentieren mussten. Besonders ein Meissonnier, eine Fechtszene unter dem Balkon eines Mädchens darstellend, sprang in die Augen durch die Kraft seines wundervollen Kolorits und durch die packende Darstellung des einen von dem Degen des anderen getroffenen Duellanten, der die Arme wie hilfeflehend zu dem verzweiflungsvoll über den Balkon sich herabneigenden Mädchen emporhob und rücklings sterbend zu Boden sank.
Vor diesem Bilde stehend hätte der Leutnant den leichten Schritt des jungen Mädchens fast überhört, das, nach der Mode der Zeit in leichte, weich fliessende Gewänder gekleidet, über den dicken Teppich mit natürlichem Anstande ihm entgegenging.
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