Hans Hyan - Nächte von Fondi

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Ippolito de' Medici, Kardinal im Waffenrock, und Julia Gonzaga, ein Paar, das schönste, vornehmste, das es zur Zeit der Renaissance in Italien gab. Doch nur ein knappes Jahr der Liebe ist ihnen gewährt. Ein mitreißender historischer Roman und eine überirdisch schöne Liebesgeschichte.-

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Hans Hyan

Leichte Mädchen, schwere Jungen

Illustriert von

Erich Godal

Saga

Chansonetten-Schule.

Jn der „Fürstenkrone“ war heute wieder mal ein ganz unheimlicher Radau. Die im Souterrain belegene Kneipe hallte wider von dem Brüllen und Gröhlen der angezechten Jünglinge, die mit ihren Biergläsern klapperten und das schrille Stimmchen der kleinen Chansonette oben auf dem Podium übertäubten.

Die Mimi sang gerade. Es war eine kleine, fast winzige Person, an der aber alles rund war. Die Augen und die Wangen und besonders die Bäckchen unter dem kurzen grünen Seidenrock, der pralle Waden und in schmutzigen, viel zu weiten Atlasschuhen steckende Füßchen sehen ließ. Ihre Stimme glich einer elektrischen Glocke von mäßiger Stromstärke in Musik übertragen.

„Ich laß’ mich nicht verfüh!—ren,

Dazu bin ich zu schlau,

Ich kenne die Manie!—ren

Der Männer zu genau!“

Das Publikum johlte. „Jawoll, die kennt se!“ — „Aber se kennen ihr ooch!“ — „Mensch, is det ’ne Pflaume!“ — „Wat meenste, wenn die Hochberg heeren wirde!“ ... —

Die kleine Mimi nahm ihr grünes Seidenröckchen mit den Spitzenvolants von Jandorf zusammen, machte eine nur ganz kleine, unanständige Gebärde, was ihr mehr Beifall eintrug, wie ihr Lied, und setzte sich wieder als siebente und letzte in der Reihe ihrer Kolleginnen.

Die nächste, die sang, war ziemlich groß und nicht ohne eine gewisse Grazie, offenbar eine Jüdin. Sie sang mit der verschleierten Stimme der Orientalin, in der das Geschlecht bebt, und wenn auch die Worte des Liedes, welches sie vortrug, dumm und zotig waren, so war es doch nicht unangenehm, ihre Stimme zu hören. Und jedesmal, wenn sie den Refrain sang:

„Das geht doch wirklich über’n Spaß.“

Ich bin noch Jungfrau, glauben Sie mir das ...“

ging eine Bewegung durch die Zuschauer. Nicht als ob es ihr wirklich jemand geglaubt hätte, sondern im Gegenteil, gerade weil man es ihr nicht glaubte.

Dann stand die erste auf in der Reihe. Sie war groß, kräftig und die Töne, die aus ihrem vollen, tief dekolletierten Busen drangen, stießen den Zigarrendampf zurück, der in breiten Schwaden unter der Kellerdecke heranschwebte und die Milchglasglocken der Gasflammen in bläuliche Schleier hüllte. Die Sängerin hieß Melitta und, ihrer ganzen Art nach mehr für kräftige Sachen geeignet, schmetterte sie eine Lobhymne auf die bombenschmeißende Artillerie hinaus, zu der man sich unwillkürlich die Begleitung eines Bombardons dachte. Als sie schließlich ausbrach in die glückseligen Worte:

„Ja, bei jenen habe ich längst kapituliert,

Denn sie haben mir mein Herz gerührt!!!“

da brach ein donnerndes Beifallklatschen los. Einige Einjährige in Zivil, oder am Ende waren es auch Offiziere, schrieen „Bravo!“ und „bis!“ und ruhten nicht eher, als bis die entzückte Melitta ihr Lied da capo sang. Dann stellte sich einer dieser Herren auf den Stuhl, ein Hüne, der sich bücken mußte, um nicht mit seinem Schädel den Kalk von der Decke zu stoßen, und erklärte Fräulein Melitta für die erste Gesangskünstlerin ihrer Zeit, und daß er und seine Freunde jedem die Karbonaden entzweitreten würden, der sich erlaubte, daran zu zweifeln. Darauf bestellte er mit lauter Stimme beim Kellner eine Brauselimonade für die Sängerin und setzte hinzu, daß es ein grauenhafter Irrtum sein würde, ihn für betrunken zu halten. Er und seine Freunde seien zwar schon von heute früh an unterwegs und kein noch so begabter Adam Riese könne die Anzahl der von ihnen konsumierten Getränke ausrechnen, aber nichtsdestoweniger seien sie sämtlich tadellos nüchtern. Gleich darauf fiel er vom Stuhl, seine Freunde hoben ihn auf, setzten ihn hin und brachten ihn durch einige Kognaks wieder zu sich.

Unterdessen war hinter dem Kattunvorhang, der sich an der rechten Seite des Podiums befand, eine Dame hervorgetreten im dunkelroten Seidenkleide, das trotz eifriger Bearbeitung mit Benzin und ähnlichen Reinigungsmitteln eigentlich nur ein großer Bier- und Fettfleck war.

Frau Amalie Rickert, Inhaberin der Chansonettenschule, sang selber nicht mehr mit, sie präsidierte nur. Schon ihre zweihundert Pfund gewährleisteten ihr eine gewisse Würde, und die höhnenden Zurufe aus dem Auditorium prallten machtlos ab an diesem Fettpanzer. Früher selber Chansonette und von einer beinahe ebenso dicken Chansonettenmutter ausgesogen, hatte sie ihr Metier vorzüglich begriffen. Das erste Jahr arbeiteten ihr die kleinen Mädchen rein für den Preis der Annonce, durch welche sie ihrer habhaft wurde. Dabei war Frau Rickert außerordentlich moralisch und duldete in ihrer Wohnung nie irgendwelche Herrenbesuche. Was die „Jöhren“ draußen machten, ging sie nichts an ... Uebrigens nahm sie auch keine unter sechzehn Jahren in ihre Schule auf, sie hatte da früher verschiedentliche Unannehmlichkeiten gehabt.

Inzwischen sang Antonie.

An’onie war wie ein junger Spatz, eckig und sozusagen noch voller Flaumfedern. Wenn sie wirklich nicht ihren Taufschein gefälscht hatte und in der Tat schon sechzehn Jahre alt war, so war doch die Magerkeit und Unentwickeltheit ihrer stöckerigen Gliedmaßen durchaus geeignet, selbst den verwöhntesten Geschmack à la Sternberg zu befriedigen. Aber sie war hier auch die einzige, die Talent besaß. Sie sang ein Lied von einem jungen Hahn, der, von seinem älteren Kollegen immer weggebissen, nie Gelegenheit findet, seinen Liebeshunger zu stillen. Und wie sie das gaak ... gaak ... gaak ...!“ einer koketten Henne nachmachte, und dann den ganzen sehnsüchtigen Liebesjammer des jungen Sporenträgers in ihrem „Kikirikiki“ herausbrachte, das war zwerchfellerschütternd.

Die Idioten dort unten im blauen Qualm lachten auch darüber, weil sie eben mußten. Allerdings waren sie der Meinung, daß sie die Künstlerin auf der Bühne, für deren humoristisches Talent den meisten von ihnen natürlich jeder Maßstab fehlte, verlachten.

Und so empfand es Antonie, die ein vollkommener Neuling auf den Brettern war. Und was hier wohl noch nie geschehen war, die Kleine brach in helle Tränen aus.

Einen größeren Spaß hätte sie ihrem Publikum gar nicht bereiten können. Alles wälzte sich vor Lachen.

„Se heult!“ schrie einer, „se will bei ihre Tante! ... Hat woll nen Floh, wat? ... Olle Tränenweide! ... Na, wat se weent, det braucht se nich zu pinkeln!“, entschied ein dicker Student.

Unterdessen war Antonie von ihrer Pflegemama, der Dicken im Rotseidenen, ins Schlepptau genommen und durch den Vorhang hinausbugsiert worden.

Aber trotzdem zur selben Zeit die blonde Julie, ein schweres, anscheinend etwas wassersüchtiges Mädchen, im Gesang behauptete, daß eine Frühlingsnacht und ein Kuß von ihres Liebsten Munde im Mondenschein ihr lieber wären, als alle Schätze der Welt, und obwohl die blasse Blonde sich augenscheinlich anstrengte, das Geräusch hinter dem Vorhang mit ihrem Gesang zu übertönen, so blieb das Weinen der kleinen Künstlerin da hinten doch immer vernehmbar. Jetzt hörte man ein klatschendes Geräusch, das sich mehrmals wiederholte, ein lautes Schluchzen folgte, und gleich darauf stürzte Antonie wieder auf das Podium. Ihre gelbseidene Taille war zerrissen und die Watte, welche den Busen vortäuschen sollte, quoll reichlich hervor. Aus ihren kleinen blauen Schweineritzen, denn mehr waren die Augen nicht, floß eine unaufhörliche Tränenflut, und das Kartoffelnäschen war rot und geschwollen vom Künstlerelend.

Gleich hinter ihr kam aber Madame Rickert und wollte sie, die dicken Fleischerarme mit zärtlicher Gewalt um Antoniens mageren Körper schlingend, wieder hinausführen.

Doch da kam sie beim Publikum schlecht an.

„Hier bleiben!“ schrie alles, und „Wat macht se denn mit det arme Meechen?!“ Einer faßte die Sache humoristisch auf und gröhlte: „Ach, das arme Me—echen! ...“

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