Uli Hesse, Paul Simpson
Wer erfand den Übersteiger
… und andere lebenswichtige Fußballfragen
VERLAG DIE WERKSTATT
Für Yannick und Jack. You’ll never walk alone.
Bildnachweis
Getty Images: 15, 58, 120, 185, 222
Horstmüller: 199
Imago: 89, 91 (2x), 203
Nowara, Daniel: 61
Verlagsarchiv: 135, 267
Alle übrigen Abbildungen: Profile Books, London
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel „Who Invented the Stepover?
And other Football Conundrums“ bei Profile Books Ltd., London.
Aus dem Englischen übersetzt, bearbeitet und ergänzt von Uli Hesse.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
Copyright © Paul Simpson and Uli Hesse, 2013
Copyright © 2015 Verlag Die Werkstatt GmbH
Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen
www.werkstatt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-7307-0184-3
Vorwort
Irgendwann im Sommer des Jahres 2010 bekam ich eine E-Mail von Paul Simpson. Ihr Text lautete: „Hi Uli! Wer hat den Übersteiger erfunden? Grüße, Paul.“
Es war nicht ungewöhnlich, dass Paul sich so kurzfasste; der Mann hat viel zu tun. Auch seine Frage überraschte mich nicht weiter. Paul will öfter meine Meinung zu solchen Dingen hören. Manchmal erklärt er mir, warum ihn eine bestimmte Frage beschäftigt oder wofür er die Antwort braucht. Meistens tut er das nicht. Ich gehe dann einfach davon aus, dass es um einen Artikel in einem der Magazine geht, die er leitet und für die ich arbeite. Früher war dies das FourFourTwo, heute ist es das Champions, das offizielle Magazin der UEFA zur Champions League.
Wenn man wissen will, wer etwas zum ersten Mal gemacht hat, begibt man sich auf eine Reise durch die Zeit und sucht so lange, bis es keine Verweise mehr auf einen Vorläufer gibt. Dann kann man sich noch nicht sicher sein, auch wirklich den Erfinder entdeckt zu haben, denn es ist natürlich immer möglich, dass über den wahren Pionier einfach nicht berichtet wurde. Aber erstens hat man dann auf jeden Fall eine ziemlich gute Diskussionsgrundlage. Zweitens ist es oft so, dass die Reise das Ziel ist: Man lernt auf der Expedition durch die Zeit so viel Neues und trifft so viele interessante Typen, dass es am Ende gar nicht schlimm ist, wenn man die Ausgangsfrage nicht mit letzter Sicherheit beantworten kann.
Deswegen begebe ich mich immer gerne für Paul auf die Jagd nach einem Namen, einem Ort, einem Datum oder einem Spiel. Aber es hilft natürlich, wenn man das Revier eingrenzen kann. Wenn man zum Beispiel bei der Jagd nach dem ersten Übersteiger nicht bei Cristiano Ronaldo anfangen muss. Zum Glück hatte ich mich kurz zuvor aus ganz anderen Gründen mit einem holländischen Spieler namens Abe Lenstra beschäftigt. So konnte ich Paul antworten: „Hi Paul! Es gibt bei YouTube einen Film aus den 1950ern, in dem Abe Lenstra ein paar Tricks vorführt. Unter anderem zeigt er einen Übersteiger. Die Finte ist also ziemlich alt. Ich forsche mal weiter. Grüße, Uli.“
Auf unserer Suche stießen wir auf Pier Paolo Pasolini, den italienischen Filmregisseur. Und auf einen tragischen Helden aus Indonesien, der von Eisschnellläufern fasziniert war. Sowie auf einen legendären Kicker, der Fußballschuhe hasste und lieber in Espadrilles spielte. Wir reisten von den 1950ern, in denen Abe Lenstra seine Tricks zeigte, bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs und von Friesland nach Südamerika. Am Ende einigten wir uns auf einen Kandidaten, von dem wir glauben, dass er der Gesuchte ist.
Aber absolute Gewissheit hat man, wie gesagt, sehr selten. Wenn also ein Leser einen früheren Übersteiger kennt – oder, um ein paar andere Beispiele zu nennen, einen Spieler, der mehr als fünf Kopfballtore in einem Spiel erzielt hat, und eine Mannschaft, die schon einmal ein 0:6 aufgeholt hat –, dann ist er oder sie eingeladen, uns zu schreiben. Vielleicht gibt es eines Tages eine neue Auflage dieses Buches.
Ach ja, das Buch. Auch das hing mit einer Mail von Paul zusammen. Sie erreichte mich nicht lange nach seiner Frage zum Übersteiger. Als ich sie überflog, las ich: „Warum können Elefanten nicht springen?“ Diese Frage überraschte mich nun wirklich. Ich wusste, dass ein Elefant schon einmal Elfmeter geschossen hat. (Warum er das tat? Auch diese Frage wird in diesem Buch beantwortet.) Doch über die mangelnde Sprungkraft von Rüsseltieren hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht und konnte mir auch nicht wirklich vorstellen, dass wir sie auf den Seiten des Champions erörtern sollten.
Nicht der Erfinder, aber einer der großen Meister des Übersteigers: Cristiano Ronaldo.
Dann las ich genauer. Paul erwähnte ein Buch mit dem Titel Why Can’t Elephants Jump? Es war von der Wissenschaftszeitung New Scientist herausgegeben worden und behandelte Fragen der Leser wie eben die titelgebende. (Andere Bücher in dieser Reihe heißen Leiden Polarbären unter Einsamkeit? , Gibt es irgendwas, das Wespen frisst? oder Warum frieren die Füße von Pinguinen nicht fest?. ) Paul hatte einen Verlag gefunden, der solch ein Buch über Fußball veröffentlichen wollte, voller Fragen wie „Wer hat den Übersteiger erfunden?“. „Schaffen wir es wohl“, schrieb mir Paul, „etwas mehr als 100 Fragen dieser Art zu sammeln und zu beantworten?“
Ich tippte: „Hi Paul! Keine Ahnung. Wir können es ja mal versuchen. Grüße, Uli.“
Uli Hesse, Oldenburg in Holstein, November 2014
Stars
Wer hat am längsten für denselben Verein gespielt?
Am Abend des 18. Mai 2014 endete eine große Karriere. Zum Spiel zwischen Chievo Verona und Inter Mailand schnürte der Argentinier Javier Zanetti zum letzten Mal seine Fußballschuhe. Viele Dinge an seiner aktiven Laufbahn sind bemerkenswert. Als er zum Beispiel im Oktober 2010 für Inter einen Treffer gegen Tottenham Hotspur erzielte, wurde er zum ältesten Torschützen der Champions League. (Zanetti war zu diesem Zeitpunkt 37 Jahre und 71 Tage alt. Der Rekord wurde allerdings später gebrochen.)
Zanetti hat außerdem auf neun verschiedenen Positionen für Inter gespielt (nur Torwart und Mittelstürmer war er nie), und obwohl er vorrangig als Verteidiger eingesetzt wurde, bestritt er 547 Spiele in der italienischen Serie A am Stück, ohne des Feldes verwiesen zu werden. Als seine Serie schließlich Ende 2011 in einer Partie gegen Udinese Calcio riss, reichte Zanetti einfach nur seine Kapitänsbinde einem Mitspieler und ging ohne jede Diskussion mit dem Schiedsrichter vom Rasen. Er war auch stets ein tadelloser Sportsmann.
Doch nichts von alldem beeindruckte die Fußball-Fans so sehr wie Zanettis Vereinstreue. Er spielte 19 Jahre lang für Inter, bestritt fast 860 Partien in dem berühmten blau-schwarzen Trikot und war 15 Jahre der Kapitän des Teams. Das ist umso bemerkenswerter, da die meisten Leute davon ausgehen, dass alle Bestmarken, die mit Treue und Loyalität zu tun haben, schon vor langer Zeit gesetzt wurden. Im modernen Fußball, so eine weitverbreitete Meinung, gibt es fast nur noch sogenannte Söldner, die ständig von einem Klub zum nächsten ziehen. Doch dieses Vorurteil entspricht nicht unbedingt den Tatsachen. Im Gegenteil, Zanetti hat so einige Zeitgenossen, die noch länger für den jeweils selben Klub aktiv waren als er.
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