Das Guinness-Buch der Rekorde führt aber weder Roberts oder Messi noch Pelé als Rekordhalter, sondern einen Mann namens Paul Moulden, der im Profibereich für Manchester City, Oldham Athletic und Birmingham City spielte. In der Jugend lief er für den Bolton Lads Club auf, und für den schoss er in der Saison 1981/82 in der U-15, also etwa der C-Jugend, in 40 Spielen phänomenale 289 Tore. Sein Großonkel schrieb einen Brief an die Redaktion des Guinness-Buches, und nach eingehender Prüfung bekam Moulden seinen Eintrag.
In seiner späteren Karriere hatte Moulden nicht mehr so viel Erfolg. Zwar schoss er Manchester City mit 13 Toren zum Aufstieg 1989, aber er brach sich allein viermal das Bein und beendete seine Karriere im Amateurfußball. Im Alter von 32 Jahren eröffnete er in der Stadt Glossop, östlich von Manchester, einen Fish-and-Chips-Laden. Er kann immer noch auf die reinen Zahlen pochen und sagen, dass er öfter traf als Messi, Müller oder Pelé. Zieht man aber alle Umstände in Betracht, wie etwa die Qualität der Liga, die Anzahl der Partien und das Niveau der Gegenspieler, dann müsste man wohl Pelé den Rekord zugestehen.
Kann ein Fußballer wirklich beidfüßig sein?
In den 1990er Jahren entbrannte in England – und nicht nur dort – eine Diskussion darüber, dass es kaum noch gute linke Verteidiger gab. Das läge, so hieß es, an einem generellen Mangel an Linksfüßern und führe dazu, dass man auf dem linken Flügel Spieler aufstellen müsste, die zumindest beidfüßig wären, wie in Deutschland Philipp Lahm, der jahrelang auf dem linken Flügel eingesetzt wurde. Diese Debatte weckte das Interesse eines Neuropsychologen der Universität im walisischen Bangor. Dr. David Carey kannte Unmengen von Untersuchungen über Rechts- und Linkshänder, doch kaum jemand hatte sich bisher die Mühe gemacht und sich mit Füßen beschäftigt.
Dr. Carey nahm sich des Themas an und fand zunächst heraus, dass vier von fünf Spielern Rechtsfüßer sind. Dann untersuchte er neun Spiele der WM 1998 in Frankreich Pass für Pass, Schuss für Schuss, um zu sehen, wie beidfüßig Fußballer sein können. Sein Kriterium war ebenso simpel wie einleuchtend. Da man es von einem Berufsspieler selbstredend erwarten darf, dass er einen Pass oder einen Schuss mit links hinbekommt, wenn es nicht anders geht, musste sich Beidfüßigkeit nicht bloß in einem gelegentlichen Benutzen des anderen Fußes zeigen, sondern in einem andauernden. Anders gesagt: Ein wirklich beidfüßiger Spieler müsste beide Füße fast gleich häufig einsetzen.
Doch Dr. Carey kam zu dem Schluss, dass es keinem einzigen Spieler wirklich egal war, mit welchem Fuß er den Ball stoppte oder passte. Jeder hatte eine bestimmte Vorliebe. Selbst Lahm, der so großartig als linker Verteidiger auftrat, bevorzugte ja die Rolle als Rechtsverteidiger, weil er eben mit rechts dann doch besser, härter oder präziser flanken konnte als mit links. Obwohl man also in den Medien immer wieder hört, dass ein Spieler beidfüßig ist, legen die Untersuchungen von Dr. Carey nahe, dass es keinen Profi gibt, der beide Füße mit gleicher Häufigkeit und Intensität einsetzt.
Am nächsten kam dem Idealbild noch der slowakische Nationalspieler Lubomir Moravčík, der in Careys Stichprobe bei 100 Ballberührungen seinen rechten Fuß 64 Mal benutzte, den linken 36 Mal. „Das ist so beidfüßig, wie man nur sein kann“, erklärte Carey 2011 dem Magazin Champions . Moravčík schoss Elfmeter mit seinem rechten Fuß, benutzte aber den eigentlich schwächeren linken bei anderen Standardsituationen.
Ähnlich verhielt sich auch ein deutscher Abwehrspieler, der als Prototyp des beidfüßigen Profis gilt, Andreas Brehme. „In der Jugend hat mir mein Vater bei jedem Training die Bälle abwechselnd rechts und links zugeworfen“, erinnert er sich. „Dadurch ist mein schwächerer linker Fuß so stark wie der rechte. Mit links schieße ich härter, mit rechts platzierter, zum Beispiel alle Elfmeter.“ Und so, mit dem rechten Fuß, verwandelte er auch den Elfmeter im WM-Finale 1990. „Das ist, als ob ich eine Waffe wähle, je nach Bedarf“, sagt Brehme. Folgt man Dr. Carey, dann könnte man allerdings auch sagen, diese Worte legten die Vermutung nahe, dass Brehme eben nicht wirklich beidfüßig war – sonst hätte er nämlich mit beiden Füßen gleich hart und gleich platziert schießen können.
Auch die Untersuchungen eines Bloggers mit dem Namen S. McCarthy, der sich die von Opta Sports erhobenen Daten in der englischen Premier League für die Jahre 2008 bis 2012 genau angeschaut hat, widerlegen die These von Dr. Carey nicht, schränken sie aber ein wenig ein. McCarthy fand heraus, dass der Nigerianer Peter Odemwingie 81 Torschüsse mit dem rechten Fuß abgegeben hatte und fast die gleiche Anzahl, nämlich 85, mit seinem linken. Damit kam er dem 50/50-Ideal schon sehr nahe, erheblich näher jedenfalls als Moravčík, auch wenn man Torschüsse natürlich nicht mit Pässen und Ballannahmen vergleichen kann. Doch in vielerlei Hinsicht unterstreichen McCarthys Ergebnisse die Argumentation von Dr. Carey, denn der Blogger fand nur sieben Spieler, die mehr als 40 Prozent aller Schüsse mit ihrem schwächeren Fuß abgaben.
Da Dr. Carey seine Untersuchungen anhand einer Weltmeisterschaft machte, kann man davon ausgehen, dass Beidfüßigkeit auch in anderen Fußballkulturen nicht verbreiteter ist. Dennoch gibt es in England Bestrebungen, sich in der Trainingslehre anderen Nationen anzugleichen, um – wenn schon nicht mehr Linksfüßer zu bekommen sind – wenigstens eine größere Zahl von ansatzweise beidfüßigen Spielern heranzuziehen. Ein Mitarbeiter des englischen Verbandes sagte dem Magazin When Saturday Comes: „In Brasilien, Holland oder Afrika legt man großen Wert darauf, dass die Spieler während eines Spiels ihre eigenen Entscheidungen treffen. Wenn der Trainer zu viel reglementiert, dann wird ein Spieler unter Druck in alte Muster zurückfallen und kein Risiko eingehen, indem er seinen schwächeren Fuß benutzt.“
Es scheint absolut einleuchtend zu sein, dass ein Trainer Spieler haben möchte, die mit beiden Füßen passen und schießen können. Doch eine Studie, die Alex Bryson vom englischen Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung im Jahre 2010 durchgeführt hat, kommt zu dem Schluss, dass eine Mannschaft mit vielen nahezu beidfüßigen Spielern nicht wesentlich mehr Punkte gewinnt als eine mit wenigen. Muss man also annehmen, dass wahre Beidfüßigkeit nicht nur nicht existiert, sondern auch keine echten Vorteile böte? Einer der großen „einfüßigen“ Spieler der Geschichte würde die Frage wohl mit Ja beantworten. Schließlich sagte Ferenc Puskás einmal: „Im Fußball muss man mit dem einen Bein ausholen, während man auf dem anderen steht. Und ich wähle es, auf meinem rechten zu stehen.“
Welchen eigentümlichen Rekord stellte Gareth Bale auf?
Als der Waliser am 1. September 2013 von Tottenham Hotspur zu Real Madrid wechselte, meldeten britische Medien, die Ablösesumme habe 100 Millionen Euro betragen. Das wäre Weltrekord gewesen. Doch inzwischen gilt es als sicher, dass die Spanier nur 91 Millionen bezahlten, womit der Transfer von Cristiano Ronaldo zu Real weiterhin als teuerster der Geschichte gelten darf. Und dennoch hält Bale einen Rekord. Allerdings einen, auf den er vermutlich nicht besonders stolz ist.
Im Sommer 2007 wechselte der damals 18-jährige Bale vom Zweitligisten Southampton in die Premier League, zum Londoner Verein Tottenham Hotspur. Am vierten Spieltag der neuen Saison wurde der Linksfuß zum ersten Mal eingesetzt – bei Manchester United verloren die Spurs mit 0:1. Nur fünf Tage später gelang dem jungen Mann schon sein erstes Tor in der obersten Liga. Beim Spiel in Fulham traf er nach einer Stunde zum 3:1 für sein Team. Doch zu einem Sieg langte es nicht. In der 90. Minute traf Fulhams Diomansy Kamara mit einem akrobatischen Fallrückzieher zum nicht mehr für möglich gehaltenen 3:3.
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