Thomas Harry - Echt und stark

Deshalb betete David am Schluss des Psalms die folgenden Worte: »Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz. Prüfe meine Wünsche und Gedanken. Und wenn ich auf einem Weg bin, der dich kränkt, dann bring mich zurück auf den Weg, der zum ewigen Leben führt« (Verse 23-24).

In dem Moment, wo wir ihn an die Stellen heranlassen, die Veränderung brauchen, beginnt unser Heilungsprozess. Wenn er uns hier berühren darf, dann beginnt etwas Neues.

Es gibt noch einen zweiten Grund, warum es sich lohnt, den Blick unter die Oberfläche des eigenen Lebens zu wagen: Jesus ist gerade deshalb in diese Welt gekommen, um uns Menschen einen Neuanfang zu ermöglichen.

C. S. Lewis erzählt in seinen »Chroniken von Narnia« von einem Jungen namens Eustachius, der sich aufgrund seiner Sturheit, seiner Selbstsucht und seines Unglaubens in einen großen, hässlichen Drachen verwandelt hat. Nun will er sich ändern und wieder ein kleiner Junge sein. Aber das geht nicht. Schließlich kommt der große Löwe Aslan (ein Sinnbild für Jesus Christus) und lädt ihn ein, in einer kristallklaren Quelle zu baden. Weil Eustachius aber ein großer Drache ist, ist es ihm nicht möglich, in diese Quelle zu steigen. Aslan fordert ihn darum auf, er solle seine Kleider ausziehen. So zieht er sich seine raue, schuppige Haut aus wie eine Schlange. Kaum ist er fertig, merkt er, dass darunter noch eine Schicht raue, kratzige Haut ist. Er befreit sich auch von ihr. Aber da ist noch eine Schicht. Frustriert ruft er aus: »Wie viele Häute muss ich noch ausziehen, um endlich in dieser Quelle baden zu können?« Nach der dritten Hautschicht gibt er frustriert auf. Denn da sind noch mehr raue, dicke Drachenhäute. Er merkt, dass er das allein nie schaffen wird. An dieser Stelle heißt es im Buch:

Da sagte der Löwe: »Ich werde dich ausziehen müssen.« Ich hatte ziemlich Angst vor seinen Tatzen … aber ich war inzwischen völlig verzweifelt. Deshalb legte ich mich einfach flach auf den Rücken und ließ ihn machen. Der erste Riss war so tief, dass ich dachte, er ginge bis ins Herz. Und als er begann, mir die Haut abzuziehen, da schmerzte es schlimmer als alles, was ich jemals gespürt habe. Ich konnte es nur deshalb aushalten, weil es sich so gut anfühlte, als das Zeug abging. … Da lag es auf dem Gras; nur war diese Haut sehr viel dicker und dunkler und warziger als die vorherigen. Und ich war so glatt und so weich wie eine geschälte Rute und viel kleiner als vorher. Dann packte er mich – das gefiel mir gar nicht, denn jetzt, wo ich keine Haut mehr anhatte, war ich sehr empfindlich – und warf mich ins Wasser. Es brannte wie die Hölle, aber nur für einen Augenblick. Dann wurde es ganz herrlich, und sobald ich zu schwimmen und zu planschen begann, merkte ich, dass der Schmerz in meinem Arm weg war. Und dann sah ich, warum: Ich hatte mich wieder in einen Jungen verwandelt. Nach einer Weile holte mich der Löwe heraus und zog mir neue Kleider an. 6

Diese Geschichte zeigt sehr eindrücklich, was für uns alle gilt: Wir werden immer scheitern beim Versuch, uns selbst von den Nöten zu befreien, die uns lahmlegen. Wir können eine Haut abziehen, doch da ist schon die nächste. Erst wenn wir wie Eustachius zulassen, dass uns Jesus Christus aus der alten kranken Haut hilft, kann Veränderung gelingen. Gott an unser Innerstes heranzulassen, uns von ihm berühren zu lassen, kann im ersten Moment genauso schmerzhaft sein, wie es für Eustachius war. Aber was Gott für uns bereithält, ist wie dieses Bad, in dem sich Eustachius wieder in einen Jungen verwandelt. Nach der Herausforderung kommt die Befreiung. Der Moment, an dem wir aufatmen können. Das ist die gute Nachricht des Evangeliums von Jesus: Wir können anders leben; wir können anders denken als vorher! Es ist die Gnade und Versöhnung von Jesus Christus, die aus uns neue Menschen macht. Es ist die Kraft Gottes, die uns gesund macht und verändert. Dafür ist Jesus Christus gekommen und am Kreuz gestorben.

Paulus beschreibt dies in Titus 3,5 mit diesen Worten:

Wir selbst hatten keine guten Taten vorzuweisen, mit denen wir vor ihm hätten bestehen können. Nein, aus reinem Erbarmen hat er uns gerettet durch das Bad der Taufe – das Bad, in dem wir zu einem neuen Leben geboren wurden, erneuert durch den Heiligen Geist.

Darum lohnt sich der Blick nach innen; darum lohnt es sich, Gott an unsere ungesunden Stellen heranzulassen: Am Ende dieses Weges steht die Verwandlung. Der Neuanfang. Am Ende dieses Weges leben wir gesund und glauben wir gesund. Als Menschen, die durch den Heiligen Geist erneuert werden.

Diese Erneuerung wird in Ihrem Leben Einzug halten, wenn Ihr Blick unter die Oberfläche Ihres Lebens zu einem nächsten Schritt führt, den Sie mutig gehen. Dieser Schritt besteht darin, dass Sie für das, was sich Ihnen unter der Oberfläche zeigt, die Verantwortung übernehmen. Das, was sich Ihnen da zeigt, ist ein Teil von Ihnen. Es ist ein Teil Ihrer Geschichte. Es sind Ihre Gefühle, Ihre Prägungen, Ihre Gedanken und Motive. Wenn Sie sich danach sehnen, dass Gottes Geist zu handeln, zu verändern und zu regieren beginnt, dann müssen Sie für das, was Ihre Seele prägt, Verantwortung übernehmen. Davon handelt das nächste Kapitel.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ] INHALT Über den Autor [ Zum Inhaltsverzeichnis ] Geleitwort zur überarbeiteten Neuausgabe [ Zum Inhaltsverzeichnis ] Vorwort [ Zum Inhaltsverzeichnis ] Einleitung: So was passiert mir doch nicht! [ Zum Inhaltsverzeichnis ] Teil 1 | Glaube und emotionale Reife – Mut zur ehrlichen Auseinandersetzung mit sich selbst [ Zum Inhaltsverzeichnis ] 1 Reife, die von innen kommt [ Zum Inhaltsverzeichnis ] 2 Der Blick unter die Oberfläche [ Zum Inhaltsverzeichnis ] 3 Schluss mit der Opferrolle: Verantwortung übernehmen [ Zum Inhaltsverzeichnis ] 4 Abschied von den Lasten der Vergangenheit 5 Zu meinen Grenzen und Wunden stehen 6 Die Gabe des Trauerns und des Klagens Teil 2 | Die Säulen einer kraftvollen Spiritualität 7 Erneuerung des Herzens: Eine Gottesbeziehung, die verändert 8 Wer stillt den Sturm in mir? Innerlich und äußerlich zur Ruhe kommen 9 Werden, was ich lese: Wie Gottes Wort mein Inneres verändert 10 Abschied von der Gebetsmühle: Schritte in die Tiefe 11 Der Heilige Geist: Gottes Kraft für müde Krieger 12 Vorhang auf: Ehrliche Beziehungen wagen 13 Zu Größerem geboren: Erfahren, wie Gott durch mich wirkt 14 Ein Wort zum Schluss Vertiefungsfragen für das Selbststudium und für Gruppen Allgemeine Vorbereitung Teil 1: Glaube und emotionale Reife TEIL 2: Die Säulen einer kraftvollen Spiritualität Anhang Dank Zum Weiterlesen Anmerkungen

Der ehrliche Blick unter die Oberfläche, von dem im vorangehenden Kapitel die Rede war, fällt vielen Menschen schwer. Er konfrontiert uns mit unseren verdrängten Geschichten, unliebsamen Schattenseiten und schmerzhaften Wunden. Weil sich diese Dinge in unserem eigenen Herzen befinden und abspielen, tragen wir selbst dafür die Verantwortung. Aber wir können auch dafür sorgen, dass sich etwas verändert.

Menschen, die sich weigern, für ihr Leben Verantwortung zu übernehmen, beharren im Blick auf ihre Probleme auf der Überzeugung: »Das Problem, das ich habe, hat jemand anders verursacht. Dass meine Situation so ist, liegt an jemand anderem.« Wenn sie in ihrem Inneren negative Gefühle und Gedanken wahrnehmen, dann denken sie sofort an die Menschen, welche diese in ihnen verursacht haben. Sie führen die Tatsache, dass es in ihrer Seele Ärger, Angst, Minderwertigkeit, Trauer oder Verzweiflung gibt, auf die Fehler zurück, die ihre Eltern, Vorgesetzten, Kollegen und Freunde ihnen gegenüber gemacht haben.