In meiner Not habe ich nun Küchenrollen gekauft. Jetzt hab’ ich ein Problem. Ich habe mir überlegt, dass man aus einer Küchenrolle zwei Klopapierrollen machen kann. Ich habe zu Hause, weil ich einen modernen Haushalt führe, eine Brotschneidemaschine: Da kriegst keine gescheiten Bandbreiten zusammen, wenn du was runterschneidest. Und jetzt bin ich meine Nachbarin, die Gundi, fragen gegangen, ob sie vielleicht ein gescheites Brotmesser hat. Die ist vielleicht alt, aber nicht dumm. Sofort hat sie gefragt, wofür. Damit ich meine Küchenrollen teilen kann, muss ich zugeben. Sie hat für sich drei durchgeschnittene Rollen ausverhandelt. Ich bin stolz auf sie.
Wir brauchen immer noch keine Masken. Zumindest wenn wir uns die Zeit nicht als Ärzte oder Schwestern im Krankenhaus vertreiben. Die brauchen die Masken dafür umso mehr. Man sagt ja, Österreich und Deutschland trennt die gemeinsame Sprache. Eh schon wissen: Schlagobers versus Schlagsahne, Topfen versus Quark, Semmel versus Brötchen, Frankfurter versus Wiener Würstchen … Nun trennen uns auch die gemeinsamen Masken. Unsere Lieblingsnachbarn stehen nämlich auf der Bremse bei den so dringend bei uns benötigten FFP3-Masken. Die fangen nämlich auch die Aerosole ab, in denen sich wiederum unsere Karonaviren fortbewegen – vielleicht. Weil nichts Genaues weiß man nicht. Bezahlt hätten wir Ösis die Millionen von Masken ja schon. Blöd nur, dass die Piefke einen Exportstopp verhängt haben und die Masken jetzt im Lastwagen an der Grenze hängen. So ein Topfen!
Tag 5 der Isolation, 20. März 2020
Liebes Tagebuch,
ich fühle mich leicht mulmig, muss ich sagen. Da ist das Kratzen im Hals, sind die Wallungen in der Nacht und das Fieberthermometer klettert in meiner Achsel regelmäßig über die magische Zahl 37,0. Und dann der Bericht in der Zeitung, dass es nicht genug Covid-19-Tests im Land gibt.
Liebes Tagebuch, du musst wissen, dass ich in so einem Fall normalerweise schnellstens zu meinem Doktor gehe. Das geht jetzt nicht, denn Ärzte wollen ihre Patienten grad nicht sehen – wegen der Pandemie. Sie könnten sich ja anstecken. Anrufen wäre eine Option, aber in dem Fall geh’ ich gleich zum Profi: Ich wähle die Notrufnummer 144. Dort erkläre ich meine Symptome. Mir wird sofort geholfen: Ich soll bei der AGES anrufen, die haben die Telefonnummer 1450. Die sind spezialisiert auf Fälle wie mich, muss ich mir anhören.
Nach ein paar Versuchen merke ich: Die sind offensichtlich nicht nur auf mich spezialisiert. Aber so schnell gebe ich nicht auf, ich will meinen Covid-19-Test. Nach Stunden in der Warteschleife erkläre ich meine Symptome noch einmal. Dann kommen die Gegenfragen: Ob ich Kontakt mit Karona-Infizierten gehabt habe? Ich verneine und merke, dass das Gespräch in eine falsche Richtung zu laufen beginnt. Nächste Frage: Ob ich in den letzten zwei Wochen in China gewesen bin? Ich verneine wahrheitsgemäß. Wenn die Dame jetzt nicht bald ein Erfolgserlebnis hat, kann ich mir meinen Test abschminken … Sie fragt, ob ich in der Lombardei gewesen bin. Ich frage, warum sie das wissen will. Sie sagt, weil das auf dem Fragebogen steht. Ich frage, ob noch viele Fragen auf dem Fragebogen stehen. Nicht mehr so viele, meint sie. Will sie mich damit beruhigen? Also gehe ich aufs Ganze und sage, dass ich in Mailand einkaufen war. Und dann noch in einem Fußballstadion. Plötzlich Stille. Sie will noch einmal meine Fieberwerte wissen. 45 Grad, sage ich. So knapp vorm Ziel lasse ich mich nicht abwimmeln. „Wir schicken eine Mannschaft, die einen Test bei Ihnen vornehmen wird“, sagt sie. Dabei würden sie in meiner Nase und in meinem Rachen minutenlang herumstierln. Ich solle mich isolieren, niemanden mehr treffen, auch niemanden im selben Haushalt.
Da ist mir der Hansi eingefallen. Schon das Stierln in Mund und Nase hat mir nicht besonders behagt, aber meinen Kanari, den kann ich nicht verhungern lassen, also habe ich aus Mailand Meidling gemacht, und aus den 45 Grad 35. Ich hab’ der Dame noch kurz erklären müssen, dass es sich bei „Meid-Ling“ sicher nicht um eine Stadt in China handelt, sondern um einen Bezirk in Wien. Da hat sie aufgelegt. Ich habe mich zum Hansi gesetzt und mit ihm ein paar Kanari-Vitaminperlen geknabbert.
Tag 6 der Isolation, 21. März 2020
Liebes Tagebuch,
in Zeiten wie diesen ist es am besten, man geht gar nicht mehr raus.
Ich sage mir: Amalie, du bist jetzt eine brave Staatsbürgerin und hältst dich an alle Vorgaben der Regierung, das ist jetzt einfach erforderlich. Ich nehme mir also vorbildlich ein gutes Buch, setz’ mich auf das Sofa und lese. Ich bleibe zu Hause mit Doktor Schiwago . Ärzte-Romane habe ich immer schon geliebt. Sie sind einfach geschrieben und voller Leidenschaft!
Ja, die Ärzte, das sind die wahren Helden! Und die Krankenschwestern! Wie sie alle an und über ihre Grenzen gehen, um zu helfen! Also wahrscheinlich nicht ganz alle. Die Zahnärzte haben grad wahrscheinlich deutlich weniger zu tun als die Kassiererinnen unten im Supermarkt. Und auch die meisten Augenärzte befassen sich grad mehr mit Netflix als mit der Netzhaut. Aber bei den Helden und Heldinnen wollen wir uns bedanken: Jeden Abend um 18 Uhr betreten die dankbaren Mitbürger ihren Balkon und klatschen laut Applaus. Also halt die, die einen Balkon haben. Manche klatschen auch aus dem Fenster. Die haben halt nicht verstanden, worauf es ankommt. Berührend ist das, und ein bisserl zum Fremdschämen.
So, liebes Tagebuch, ich schreibe später weiter, ich muss jetzt Schluss machen. Ich muss nämlich wieder weg, meine Freundin treffen. Da fahre ich eine halbe Stunde mit der Straßenbahn zum Einkaufszentrum, wo wir uns auch früher immer getroffen haben, vor dem Karona. Das ist die Freundin, von der ich mir den Doktor Schiwago ausgeborgt habe. Am Vormittag. Sie hat im Gegenzug etwas über Tiere haben wollen. Sie kriegt Die Dornenvögel von mir. Das muss ich ihr unbedingt bringen. Das habe ich gelernt: Eine Hand wäscht die andere. Hygiene muss sein, und zwar in jeder Hinsicht.
Tag 7 der Isolation, 22. März 2020
Liebes Tagebuch,
ich musste leider feststellen, dass das Karonavirus vor nichts Halt macht! Jetzt hat es mich erwischt! Also nicht direkt, sondern indirekt! Es hat nämlich den Spargel befallen! Also nicht direkt, sondern indirekt! So gefreut hab’ ich mich auf mein Spargelgröstl, und jetzt heißt es, dass es für meinen Spargel keine Erntehelfer gibt! Die kommen ja jedes Jahr aus Rumänien, und wegen dem Karona werden sie heuer nicht reingelassen! Die Grenzen sind dicht, nicht nur unsere, auch die von den Ungarn … Die Monarchie hat schon auch den einen oder anderen Vorteil gehabt. Da waren die Grenzen nicht so geschlossen wie jetzt in der Europäischen Union.
Ich frag’ mich, was mit all den Arbeitslosen ist? Können sich die nicht erbarmen und ein bisserl Spargel brocken gehen? Muss das Gemüse jetzt wirklich in der Erde verrotten? Und mit den Künstlern erst, die alle nicht auftreten dürfen. Die Kabarettisten zum Beispiel: Statt ihre Pointen abzustechen, könnten sie doch locker Spargel ausstechen!
Bei einem hab’ ich angerufen, einem ganz bekannten Kabarettisten, also einem mir persönlich bekannten Kabarettisten, dem Norbert Peter. Und ich hab’ ihn gefragt, ob er vielleicht helfen kann. Ich hab’ ihm gesagt, er soll etwas tun, denn: „Das Volk hat keinen Spargel mehr!“
Sagt er drauf: „Dann soll es halt Kuchen essen!“
Vielleicht ist es eh besser, wenn die Kabarettisten auf die Bretter warten, die ihre Welt bedeuten. Wenn die auf dem Feld arbeiten müssen, kannst hinter jedem einen Masseur und einen Heilpraktiker herschicken.
Da muss doch ein Krisenstab einberufen werden. Eine Pressekonferenz muss her! Die Regierung soll gefälligst Sonderzüge losschicken, die Erntehelfer in Bukarest in den Zug setzen, den Zug plombieren und erst im Marchfeld wieder aufmachen, gleich neben dem Spargelfeld. So steckt sich keiner an – und ich krieg bald mein Gröstl!
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