1 ...6 7 8 10 11 12 ...19 Das habe ich gehofft , hatte er gesagt.
Hatte er Cian zu den MacGregors mitgenommen, damit der sich in Jaxson verlieben würde? Oder Jaxson in ihn? Natürlich hatten sein Vater und sein Erzeuger ihm vorher erklärt, dass Jaxson MacGregor eine gute Partie war. Aber die Wahl war Cians gewesen. Und dann wieder nicht. Sein Herz hatte schon kapituliert, als Jaxson ihm das erste Lächeln geschenkt hatte.
Gut gemacht, Sohn , hatte sein Erzeuger Cian zugeflüstert, als sie abends beim Bankett zusammengesessen hatten. Ich wusste, dass du diese Beute erlegen würdest.
Sein Vater, sanfter Omega, der er war, hätte das ganz anders ausgedrückt als sein Erzeuger. Aber Cian hatte stolz gelächelt. Lob von seinem Erzeuger war so selten wie ein regenloser Tag im November.
Ich weiß gar nicht, wie ich das den anderen beibringen soll , hatte Fraser gesagt. Der Alpha war Teil der Gesellschaft gewesen, mit der sie die MacGregors besucht hatten. Cian, dir ist klar, wie viele Herzen du mit deiner Verbindung brichst, oder? Jeder Alpha auf Burg MacKay ist in dich verliebt, mein Schöner. Ich auch. Fraser hatte die Hand aufs Herz gelegt und so getan, als wäre er den Tränen nah.
Cians Wangen waren heiß geworden. Hör auf, mir zu schmeicheln , hatte er gesagt. Ich bin ein vergebener Mann.
Fraser hatte gelacht.
Cians Herz trauerte, wenn er an diese Zeit zurückdachte. Hatte Fraser überlebt? Was war mit seinen Omega-Brüdern? Und was zum Halbmond hatten diese Sutherlands mit ihm gewollt?
Kälte kroch in seinen Magen. War es eine Racheaktion gewesen? Hatten die Sutherlands in ihrer Wut über die Niederlage beschlossen, den ältesten Omega der MacKays zu schänden? Oder den zukünftigen ersten Omega der MacGregors? Jaxson würde ihn nicht mehr wollen, wenn er nicht mehr unschuldig war. Die MacGregors waren sehr strikt, so viel wusste Cian. Aber nicht viel mehr. Er brauchte Informationen.
Zehn Tage , dachte er. In zehn Tagen wäre ich bei Jaxson, das haben die beiden gesagt. Er könnte mir erklären, was hier vor sich geht. Er würde mich beschützen. Er liebt mich. Sicher hat er auf mich gewartet, während all dieser furchtbaren Kämpfe. Sicher hat er sich ebenso nach mir verzehrt wie ich mich nach ihm.
Aber zehn Tage auf diesem Weg? Weiter durch den Wald stolpern, über die Highlands, durch noch mehr eisige Nächte? Das würde er nicht überleben. Er würde verdursten. Und so ungern er es sich eingestand, er wäre leichte Beute für jeden, der vorbeikam. Was, wenn er endlich jemand traf und der ihm gar nicht half? Wenn er stattdessen zu Ende brachte, was die beiden Sutherlands angefangen hatten? Jaxson würde ihn nicht mehr wollen.
Cian zitterte, noch mehr als vorher. Nein, er war nicht stark genug. Resigniert strich er seinen Kilt glatt, straffte die Schultern und setzte sich in Bewegung. Nur noch wenige Stunden bis zum Kloster. Nicht mehr allzu lange bis zur Brücke. Endlich würde er etwas trinken. Sein Mund verzehrte sich danach, befeuchtet zu werden. Ja, die Tränen drängten wieder hinaus, wenn er daran dachte, wie lange es noch dauern würde. Aber er weigerte sich, jetzt zu heulen. Er war der älteste Omega der MacKays. Außerdem konnte er es sich nicht leisten, noch mehr auszutrocknen.
Der Weg zur Brücke war länger als er ihn in Erinnerung hatte. Müde schleppte er sich vorwärts. Über Blätter und Steine, durch den dichten Nebel, der sich immer noch nicht verzog, obwohl die Sonne längst schien. Theoretisch. Sie drang nur stellenweise durch das dichte Blätterdach. Immerhin wurde es wärmer. Cian war nicht mehr durchgefroren, ihm war nur noch kühl. Die Gänsehaut verzog sich von seinen Armen, nur die bloßen Beine blieben von ihr bedeckt.
»Gleich«, sagte er sich und tätschelte den leeren Wasserschlauch an seiner Hüfte. »Gleich gibt es etwas zu trinken und dann bin ich stark genug, den Rest des Weges zu gehen. Zurück ins Kloster. Und von dort aus schicke ich eine Nachricht an Jaxson, damit er mich persönlich holt.« Seine Wangen brannten, ob dieser Worte. Jaxson hatte bestimmt Besseres zu tun als ihn holen zu kommen. Cian war nur ein Omega. Das konnte er wirklich nicht von Jaxson verlangen. »Aber ich kann ihn wenigstens darum bitten. Schließlich bin ich der Omega, den er liebt«, flüsterte er und fühlte sich gleich etwas besser.
Er hätte die Brücke beinahe nicht erkannt. Im Nebel wirkte sie wie ein krummes Tier, eine schräg zusammengezimmerte Schlange. Gestern hatte er sich davor gefürchtet, über die Planken zu gehen. Aber natürlich hatte er es Gelbzahn und dem Ochsen nicht gezeigt. Nun schenkte er dem krummen Gebilde nur einen Blick, bevor er die Böschung hinunterkletterte. Zum Wasser.
Dichter Nebel hing über dem gluckernden Bach, verwirbelte, wo das Wasser rissige Steinbrocken umspülte. Der klare Geruch ließ Cians Speichel fließen. Alle Vorsicht vergessend krabbelte er über Steine, rutschte im Schlamm aus, riss sich die Hand an einer Brombeerranke auf und kümmerte sich nicht darum. Sein Kilt flatterte, als er auf dem nackten Hintern die letzten Meter hinunter glitt.
Platsch! Seine Stiefel standen im seichten Wasser des Ufers. Kälte kroch in seine Zehen, aber auch das war egal. Wasser! Cian hockte sich hin und schöpfte es mit beiden Händen. Schlürfte und hustete, als es in seine Nase drang und trank und trank, bis er nicht mehr trinken konnte. Mittendrin holte er den Wasserschlauch raus, füllte ihn, trank ihn leer, füllte ihn wieder. Sah zu, wie sein Bauch voll und rund wurde. Und lachte.
»Wasser!«, rief er grinsend. »Danke, Mond!«
»Ja«, sagte eine Stimme vom gegenüberliegenden Ufer. »Danke, Mond.«
Cian schreckte zurück. Wasser spritzte. Nicht nur um seine Stiefel herum. Jemand kam auf ihn zu, durch den Bach. Schemen lösten sich aus der trüben Suppe vor ihm. Mehrere Schemen, deren Reißzähne größer wurden. Raubtiere. Alphas. Und sie trugen die Farben der Sutherlands.
Cian schrie.
Er erwachte und hatte noch schlechtere Laune als sonst. Knurrend verließ er den Felsüberhang, unter dem er geschlafen hatte, die Wolldecke in der Hand. Logan streckte sich, um die Morgenkälte aus den Knochen zu vertreiben. Nahm einen großen Schluck aus seinem Wasserschlauch. Leerte seine Blase am nächstbesten Stamm. Und packte sein Schwert.
Seine Klinge durchschnitt den Nebel. Amseln kreischten über ihm, als wollte er ihnen ans Leder und mit jedem Schritt wirbelten seine Füße graubraune Blätter auf. Erde und Staub füllten seine Nase, während er die ersten Übungen absolvierte.
Er wurde ruhiger. Machte einen Schritt nach vorn, stach einem unsichtbaren Gegner in den Bauch. Wich ihm aus, parierte einen imaginären Schlag und stach wieder zu. Es war wichtig, zu üben.
Mit einem echten Gegner wäre es einfacher gewesen. Mit Angus und Niall hatte er üben können. Damals war er besser in Form gewesen als je zuvor. Aber die beiden waren tot und er musste sich mit eingebildeten Gegnern zufriedengeben.
Er stellte sich die beiden Sutherlands von gestern vor und zerlegte sie. Dann alle anderen, der Reihe nach. Jeder, dem er die Kehle aufgeschlitzt hatte, jeder, der sein Rudel überfallen hatte. Den Mann, der ihn ins Feuer getreten hatte und den Goldenen, der sich lustvoll unter Logan wand.
Was?
Logan verharrte. Warum hatte er an den Kleinen gedacht?
Muss der verdammte Traum sein , dachte er und spuckte aus. Sein Schwanz hatte sich immer noch nicht vollends beruhigt. Er war mit dem härtesten Rammbock aufgewacht, der je morgens einen Kilt gehoben hatte. Und nur wegen dieses seltsamen Traums. Er konnte sich nicht an viel daraus erinnern. Nur daran, dass der Goldene in einem Zuber gelegen hatte. Nass und glücklich und unendlich begehrenswert. In den Armen eines anderen, was Logan so wütend gemacht hatte, dass er in ihr Badewasser geschifft hatte. Nur, um das blöde Gesicht des Jungen zu sehen.
Читать дальше