»Konnte ich wohl!«, rief Cian. »Das hat nichts zu bedeuten. Was tust du?!«
Ein gelber Strahl schoss aus dem Schlitz in der Eichel. Urin plätscherte in den Zuber, in dem Cian saß. Der fuhr hoch.
»Hör auf, in mein Badewasser zu pissen!«, brüllte er und fuhr herum. »Jaxson! Sag ihm, dass er aufhören soll!«
Doch Jaxson war verschwunden. Und der Zuber auch. Hinter ihm war der dunkle Wald. Die Bäume ragten noch höher auf, der Mond war noch ferner. Und Cian war winzig. Auf einem trockenen Blatt sitzend, das von Rissen durchsetzt war, starrte er zu dem Tier auf, das den Mond verdunkelte. Das seine Rute rieb, bis sie über ihm aufragte wie ein Baumstamm. Angst schoss in Cians Bauch.
»Bitte«, flüsterte er.
»Bitte was?«, grollte das Tier.
»Bitte«, Cian breitete die Arme aus, »komm her. Ich brauche dich.«
Stumm sank das Tier auf die Knie. Es schien zu schrumpfen. Oder wuchs Cian? Raue Pranken packten seine Wangen. Raubtieraugen funkelten, direkt vor ihm. Die Angst raubte ihm den Atem. Oder war es etwas anderes? Bebend hob er eine Hand. Strich über die klaffenden Wunden. Fühlte heisses Blut über seine Finger strömen.
»Sie haben dich getötet«, sagte er und das Tier nickte. Cian schnupperte, roch ihn. Eisen und Erde. Dunkle Erde, schwer, als würde sie ein Grab bedecken. »Deshalb kannst du ohne Rudel überleben. Du lebst gar nicht. Du bist tot.«
»Ja.« Das Tier regte sich nicht. Wie eine Statue kniete es über ihm, die behaarten Beine links und rechts von Cians zitternden Schenkeln. »Ich bin tot. Aber ich kann dir helfen, am Leben zu bleiben.«
»Du wolltest mich nicht einmal zurück auf den Weg bringen«, flüsterte Cian. »Du hilfst mir nicht.«
»Kleiner.« Das Tier klang, als würde es direkt aus dem Totenreich zu ihm sprechen. »Das hier ist ein Traum. Ich kann alles tun, das du willst.«
»Ich wollte nicht, dass du mir ins Badewasser pisst«, knurrte Cian. »Das warst ganz allein du.«
Das Blut lief schneller aus den Wunden. Es glänzte im schwachen Schein des Mondlichts. »Ich mochte es nicht, dass du mit dem Schönling gebadet hast.«
»Er ist mein Gefährte«, sagte Cian.
»Er ist ein Schönling.«
»Nein, er ist einfach schön.« Cians Kehle schnürte sich zu. Er versuchte zu schlucken, aber es ging nicht. »Und du bist ein Mistkerl. Ein Mörder. Du hast die Sutherlands getötet.«
»Ja, das habe ich.« Blut rann über Cians Hand, die immer noch auf der stoppeligen Wange des Tiers lag. »In Wahrheit bin ich ein Monster. Aber hier bin ich alles, was du dir vorstellst. Du hast die Kontrolle.«
Cian fühlte sich nicht, als hätte er irgendetwas unter Kontrolle. Sein Körper bebte, sein Magen flatterte und da, wo die nackten Beine des Tiers seine berührten, kribbelte alles. Furcht rann durch seine Adern. »D-dann hör auf zu bluten. Deine Wunden sind längst verheilt.«
Der warme Strom auf seinen Fingern versiegte. Schnitte verschlossen sich, wurden zu Fleischwulsten.
»Besser«, murmelte Cian. »Und jetzt komm her, Tier.«
Zitternd lehnte er sich zurück. Sein Körper war eine einzige Schwachstelle, jeder Muskel kurz davor, aufzugeben. Aber seine Rute war hart. Wie ein Dorn stand sie von seinem Körper ab, pochend und sehnend. Sie stach in den Bauch des Tiers, als es sich über Cian beugte. Als vernarbte Lippen sich öffneten und Raubtierzähne freilegten.
»Du kannst es kaum erwarten, was?« Das Tier leckte sich über die Lippen.
Cian konnte es nicht verneinen. Hilflos bebend lag er unter dem Tier. Spürte die Blätter in seinem Rücken, roch alte Erde im kalten Wind und konnte doch nichts anderes anstarren als den Mund des Biests. »Halt die Klappe«, krächzte er. »Ich habe die Kontrolle, nicht du.«
Das Tier verharrte. Abwartend sah es Cian an. Der bockte aufwärts, rieb sein Becken über die harten Muskeln des Tiers.
»Küss mich endlich«, stöhnte er. Er legte den Kopf in den Nacken, krallte die Finger in die steinharten Arme des Tiers und schlang die Beine um dessen Hüften. Das Rauschen in seinem Körper wurde lauter. Drängender. Er war fast soweit. »Schnell.«
Trockene Lippen senkten sich auf seine. Rissig strichen sie über seine Haut. Cian jaulte.
Mehr , dachte er, denn seine Stimme versagte. Mehr.
Die fleischige Zunge des Raubtiers drang in seinen Mund. Er spürte ihre glatte Unterseite, ihre Stärke, schmeckte Salz und Zimt. Aufschreiend schlug er die Krallen in den Nacken des Tiers, küsste ihn zurück, mit aller Kraft. Bäumte sich auf und rieb sich an dem Tier, dem Himmel entgegen. Zuckend verglühte die Nacht, spülte die Erlösung ihn den Sternen entgegen. Er verströmte sich unkontrolliert, beschoss das Tier mit seinem Samen und brüllte seinen Namen in dessen Mund.
Logan.
Als sie sich voneinander lösten, weinte Cian. Die Schluchzer schüttelten seinen Körper und verengten seinen Hals. »Es tut mir leid«, schniefte er. »Es tut mir so leid, Jaxson!«
Denn es war nicht mehr das Tier, das über ihm aufragte. Es war Jaxson. Dessen braune Augen sahen auf ihn hinunter, drangen bis tief in seine Brust.
»Verräter«, hauchte Jaxson. »Unreines Stück.«
Angewidert erhob er sich. Er trug seine offizielle Kleidung, den MacGregor-Tartan, und hielt sein Schwert in der Hand. Cian versuchte, sich hochzustemmen, aber er war zu schwach. Zu nackt und erbärmlich. Und er stank.
Das Metall der Klinge wirkte schwarz, als Jaxson die Schwerthand hob. »Verräter«, zischte er. »Ich wollte dich zu meinem Partner machen. Ich wollte, dass du an meiner Seite bist. Mein Omega.« Seine Züge verzerrten sich, wurden scharfkantig wie Messer. »Ich muss dich bestrafen, Cian.«
»Ja«, schluchzte Cian. »Es tut mir leid. Es tut mir so leid, Jaxson. Ich bin deiner unwürdig. Ich bin eine Scheußlichkeit, ein Stück Dreck, ein«, er schluckte, »ekelhaftes Vieh. Ich verdiene dich nicht.«
Jaxson nickte. Dann hob er das Schwert. Schatten krochen über die Klinge. Der Wald zog sich um sie herum zusammen und Cian schrie.
»Nein!«
Das Schwert bohrte sich in seinen Bauch. Blut floss über die harten Muskeln, über die hässlichen Brandnarben, über seinen gigantischen Prügel. Schreiend sah er auf seine Hände, aber es waren nicht länger seine. Es waren die Pranken eines Tiers.
***
»Nein!« Cian fuhr hoch. Und stöhnte. Sein Körper war steifgefroren und fühlte sich an, als würde er bei jeder Bewegung splittern. Leises Wimmern kroch durch die Dämmerung. Sein Wimmern. Sein Körper, in dem er immer noch steckte, fror. Cian sah sich um.
Der Waldweg war leer. Nebel verdeckte alles, das mehr als ein paar Schritt weit entfernt war. Dornen und krallenartige Zweige stachen aus dem Grau. Kälte kroch über Cians Haut. Es war Morgen.
Er unterdrückte ein Schluchzen. Niemand war gekommen, um ihm zu helfen. Niemand hatte ihn gefunden. Er fror so sehr, dass er glaubte, nie wieder warm zu werden. Seine Zunge klebte am Gaumen, ihm war schwindlig vor Durst und die verkrustete Wunde in seinem Nacken brannte. Tau und Regen durchnässten seine Kleidung. Samen rann seinen Oberschenkel hinab und erinnerte ihn an den grauenvollen Alptraum der letzten Nacht. Sein ganzer Körper schmerzte und seine Blase drückte. Er hatte Hunger. Er stank.
»So ein Mist«, murmelte er und hustete. Hoffentlich hatte er sich in diesem höllischen Wald keine Lungenentzündung geholt. Die konnten nicht einmal die Mönche mit all ihrem Wissen über Kräuter kurieren. Er sah sich um, lauschte. Aber keine Schritte waren zu hören. Bei seinem Glück hätten die auch nur zu weiteren Sutherlands gehört.
Die Sutherlands. Immer wieder kehrten sie in sein Gehirn zurück, während er den Kilt hob und sich wie ein Tier am Wegesrand erleichterte. Warum hatten sie ihn mitgenommen? Was hatten sie mit ihm gewollt? Hatte Jaxson wirklich nach ihm geschickt? Wussten die Sutherlands, dass er Jaxson versprochen war? Hatten sie versucht, die Verbindung zu verhindern? Die Allianz zwischen den MacKays und den MacGregors war alt und stark. Cians und Jaxsons Verbindung war nur ein weiterer Stein, der die Burgmauer verstärkte. Allerdings ein großer. Sein Erzeuger war sehr glücklich gewesen, als Jaxson um Cians Hand gebeten hatte.
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