»Ich muss kurz austreten. Dreht euch um.«
Das wölfische Grinsen des Ochsen war unerträglich. »So, so. Also doch.« Seine Augen glänzten gierig. »Na dann mach mal.«
»Dreht euch um!«, fauchte Cian. Er hatte genug von der Frechheit seiner Begleiter. Sein vermaledeites Temperament war nicht mehr zu zügeln. »Oder ich erzähle Jaxson, wie ihr mich behandelt habt! Der wird euch prügeln und von der Burg jagen, das verspreche ich euch!«
Sie hätten zurückschrecken müssen. Angst hätte in ihre Mienen kriechen müssen, Unsicherheit in ihre Züge. Doch sie kamen näher. Schritt für Schritt drängten sie Cian zurück, bis er mit dem Rücken an einem Baumstamm endete.
»Was soll das?« Panik verkrampfte seinen Magen. »Zurück mit euch!«
»Kleiner Goldschopf.« Beide lächelten und einen Moment wirkten sie wie Zwillinge aus der Unterwelt.
Ihr säuerlicher Schweißgeruch verpestete seine Nase. Darunter lag etwas, das er nicht wahrhaben wollte: Lust. Der wilde Geruch der Paarungsbereitschaft hätte ihm alles gesagt, selbst, wenn er die harten Ausbuchtungen unter ihren Kilts nicht gesehen hätte.
Der Ochse streckte die Hand nach ihm aus. »Kleiner Auerhahn. Du wirst uns schön dein kleines Schwänzchen zeigen und wenn du gepullert hast, drehst DU dich um, nicht wir. Und dann wirst du geritten, bis der große Wolf den Mond anheult.«
Nein , dachte Cian. Nein, das können sie nicht ernst meinen.
»Ihr seid MacGregors.« Er deutete auf ihre Kilts. »Euer nächster Rudel-Chief hat euch befohlen, mich unversehrt zu euch zu bringen.«
»Ach, Kleiner.« Die stinkende Pfote streichelte Cians Wange. »Wir wollten die Überraschung eigentlich aufsparen.«
»Welche Überraschung?«, fragte Cian, obwohl er sicher war, dass er diese Überraschung hassen würde.«
Ein stinkender Mund voller Reißzähne näherte sich. »Wir sind gar keine MacGregors. Wir sind Sutherlands.«
Cian schlug die Hand aus seinem Gesicht, drehte sich um und rannte. Durch das dichte Unterholz, über knackende Zweige und Reisig und Dornen. Panik ließ ihn die Schmerzen ignorieren, als sie seine Beine aufrissen. Feuer brannte in seinen Lungen, doch er rannte weiter.
Er kam nicht weit. Schon Sekunden, nachdem er in die Finsternis geflüchtet war, packte eine harte Hand ihn und riss ihn zurück.
»Oh, Kleiner.« Der Ochse lachte. Fauliger Atmen schlug Cian ins Gesicht. »Das wird Spaß machen.«
Stoff riss und plötzlich war Cians Unterleib bloß. Die Kälte drang in seine Haut und seine empfindlichen Genitalien.
»Da ist er ja!« Gelbzahn hielt Cian fest, verdrehte ihm die Arme auf dem Rücken, während der Ochse bewundernd auf Cians Körpermitte starrte. »Hübscher Anblick. Weißt du was, ich nehm ihn von vorne.« Schon gruben sich Krallen in Cians Oberschenkel und drängten sie auseinander.
»Nein!«, brüllte Cian. Und verlor die Kontrolle. Heißer Urin spritzte über die Vorderseite des Alphas, der ihn mit einem Aufschrei losließ. Er taumelte mehrere Schritte zurück, bevor er in Sicherheit war. Nass und wütend starrte er Cian an.
»Du kleiner Scheißer!«
»Pisser, meinst du.« Gelbzahn lachte dröhnend. »Oh Mann, du hattest eh ein Bad nötig, aber jetzt stinkst du noch mehr als vorher!«
»Halt die Fresse! Ich bring ihn um.«
Panik krallte sich in Cians Brust. Heiße Flüssigkeit rann über seine zitternden Schenkel. Nein! Er wollte nicht sterben, wollte leben, wollte bei Jaxson sein.
Er verwandelte sich. Blitzschnell, so sehr, dass der Schmerz bis in seine Knochen schoss. Arme wurden zu Vorderläufen, Gesicht zu Schnauze. Ein Schwall Gerüche stürzte auf ihn ein. Er fiel. Aber als Wolf schaffte er es, sich aus dem Griff des Alphas zu winden. Es geschah unbewusst. Normalerweise verbrachte Cian so wenig Zeit wie möglich als Wolf. Es war ewig her, dass er ich zuletzt verwandelt hatte.
Er hatte kaum realisiert, was geschehen war, als er schon durch das Unterholz hetzte. Dornen rissen ihm Fellbüschel aus, hinterließen schmerzhafte Kratzer, aber er rannte. Der Wolf wusste, was er tat.
Leider war Cian zu schwach. Die lange Zeit im Kloster hatte seine Muskeln weich werden lassen. Seine Lungen brannten und gerade, als er aus dem Unterholz brach und vierpfötig auf eine Lichtung taumelte, erwischten sie ihn.
Zähne schlossen sich um seinen Nacken. Er stürzte. Landete mit der Schnauze im Dreck und kam jaulend auf. Er roch Urin im Fell des anderen Wolfs und wusste, welcher es war. Der, der ihn umbringen wollte. Cian winselte, fiepte unterwürfig und hoffte, dass das den Ochsen gnädiger stimmen würde. Tat es nicht. Dessen Reißzähne gruben sich nur umso fester in sein Fleisch. Blut lief an seinem Hals entlang. Grelle Lichter blitzten vor seinen Augen.
Ich werde hier sterben , dachte er. Ich werde hier sterben und diese beiden Bastarde werden meine Unschuld rauben, wenn ich selbst längst tot bin.
Tränen quollen aus seinen Augen. Das Atmen fiel zusehends schwerer und gerade, als er glaubte, das Bewusstsein zu verlieren, drängte der Wolf über ihm seine Hinterläufe auseinander. Nein! Er spürte etwas Heißes, Hartes an seinem Loch und versuchte, sich wegzudrehen, sich zu winden. Aber der Alpha war zu stark.
Nein!
In seinem Augenwinkel blitzte etwas Rotes. Nasses Reißen ertönte. Etwas Schweres prallte gegen Cian und den Alpha und schob sie über den Blätterboden. Dann schmeckte er Blut und roch Fell. Der Biss in seinem Nacken lockerte sich. Der unbarmherzige Druck auf seiner Pforte verschwand. Es war dunkel.
Ein Wolfsleib war auf ihm gelandet. Er spürte rasselnden Atem, fühlte ein krampfhaftes Zucken, das den Körper auf ihm erfasste, und dann nichts mehr. Gar nichts. Der Wolf über ihm erschlaffte und wurde schwer. Voll Ekel schüttelte Cian ihn ab. Der Wolf landete mit einem dumpfen Laut im Moos und gab den Blick auf den Rest der Lichtung frei.
Zwei Wölfe standen sich gegenüber. Der eine mit nassem Fell, der Ochse, der Cian beinahe geschändet hätte.
Und ein Monster.
Der gigantischste graue Wolf, den er je gesehen hatte, knurrte seinen Angreifer an, das Nackenfell gesträubt und die Zähne gebleckt. Blut tropfte von einer Wunde an seiner Flanke. Nicht alles an ihm war grau. Über Gesicht und Schultern zogen sich grässliche Narben, rot und wulstig. Auch in der Nase war ein tiefer Schnitt. Grauenerregend.
Doch als der Graue knurrte, geschah etwas Seltsames: Cian spürte ihn. Über die Entfernung hinweg füllte die Anwesenheit des riesigen Wolfs seinen ganzen Geist.
Ihn habe ich vorhin gespürt , dachte Cian und schluckte. Panisch robbte er rückwärts, stieß mit dem Rücken gegen einen Baumstamm und schaffte es doch nicht, den Blick von den beiden Wölfen zu reißen, die sich vor ihm umkreisten.
Der Ochse duckte sich und sprang. Der Graue ebenfalls. Er war so schnell, dass er wie ein Schemen in der Luft wirkte. Seine Kiefer schnappten zu. Blut spritzte. Blätter stoben auf. Der Ochse fiel zu Boden. Und in seiner Kehle klaffte ein dunkles Loch. Ein entsetzliches Pfeifen erklang, als er Luft holte, die nassen Ränder zitterten. Ein weiteres Pfeifen, ein Aufbäumen, ein Zittern. Dann erschlaffte sein Körper.
Cian starrte. Panik schnürte seine Kehle zu. Der Graue schüttelte sich, knurrte durch rote Zähne hindurch und dann wandte er den Kopf. Sein Blick war das Kälteste, das Cian je erlebt hatte. Kälter als die Klostermauern bei Nacht, wenn sie im Winter zu Eis gefroren. Er wimmerte.
Es hatte keinen Sinn: Bebend warf er sich vor dem Grauen auf den Rücken und bot ihm seine Kehle an. Der Wolf in ihm wusste wieder, was zu tun war. Wenn das Monster auch nur einen Funken Anstand besaß, würde er einen Omega verschonen, der sich freiwillig unterwarf. Nun, er würde ihn nicht töten. Ein Schluchzen drängte Cians Hals hoch, als der Graue näherkam. Er würde ihn schänden. Das wusste er. Der Graue würde seine Hinterläufe auseinanderdrängen, so wie der Alpha vorhin und diesmal würde niemand ihn aufhalten. Er würde sich das nehmen, was Jaxson gehörte. Cian schluchzte verzweifelt.
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