Dieses kindliche Freundschafts-Empfinden habe ich als Erwachsene nicht mehr und ich merke, dass ich manches regelrecht kaputtdenke:
• Wie gut ist eine Freundschaft?
• Komme ich dem anderen so nah, dass ich ihm oder ihr vielleicht auf die Nerven gehe – der andere aber nur zu viel Anstand hat, um es mir zu sagen?
• Was teile ich mit wem, was teilen andere mit mir?
• Ist eine Freundschaft stark genug, dass ich auch Kritik üben kann und sie sogar mal einen handfesten Streit aushält?
• Kann ich den anderen in einer Notsituation mitten in der Nacht anrufen? Oder sind wir noch nicht so weit?
Hinzu kommt für mich persönlich, dass ich mich mit Job, Ehe, Kindern, Ehrenämtern etc. auch nicht mehr so leicht mal eben verabrede, wie es früher noch möglich war. Die Terminkalender von zwei (oder mit befreundeten Ehepaaren sogar vier) Individuen jenseits der dreißig nebeneinanderzustellen und eine gleichzeitige Lücke zu finden, reicht bisweilen an ein Wunder heran! »Ich möchte lernen, Gast zu werden im Leben des anderen!«, heißt es in dem Buch »Herzheimat« von Daniela Mailänder. 7Wie treffend. Ja, das ist Freundschaft! Das will ich – denn es klingt gut und erstrebenswert. Aber wenn ich ehrlich mit mir selbst bin: Habe ich dazu wirklich Kapazität und Kraft? Sind die Themen meines Lebens nicht ausreichend, um meine ganze Festplatte zu belegen? Und wenn der andere mir sein Lebensland zeigt – bin ich dann auch bereit, an seinen Baustellen mit Hand anzulegen, wenn ich um Hilfe gebeten werde?
Ein noch minenreicheres Feld ist vielleicht das Gebiet Glaube und Gemeinde. Auch hier möchte ich noch einmal betonen, dass beides in seiner Ursprünglichkeit vor Weite und Freiheit nur so strotzt. Doch der von einem unperfekten Menschen gelebte Glaube und das Zusammentreffen von unperfekten Menschen in einer Gemeinde lassen das Potenzial für Schwierigkeiten nur so in die Höhe schnellen.
Für mich gilt: Genau wie alle anderen Themen meines Lebens hat mein Glaube bereits eine Geschichte. Ich habe Gutes und Wunder erlebt, habe Dinge verstanden und erfasst und durfte schon so oft erleben, wie mein Glaube gewachsen und stärker geworden ist. Doch zugleich holen mich auch immer wieder dieselben Themen und Probleme ein:
• Wie gehe ich mit Enttäuschungen um? Den Punkten, an denen ich Gott einfach nicht verstehe?
• Wie lerne ich Vertrauen entgegen aller Vernunft?
• Kann ich das Wachstum meines Glaubens begünstigen oder hemmen?
• Wie viel liegt im Glauben an mir, wie viel ist Gottes Part?
• Mache ich Dinge wie Stille Zeit oder den Gottesdienst besuchen, weil ich sie brauche? Oder habe ich sie erlernt und gar nicht bemerkt, dass sie mit der Zeit zu leeren Ritualen geworden sind? Kann ich sie wieder mit Leben füllen?
• Wie sieht es mit meinem Gottesbild aus? Ist es starr oder weit? Entspricht es der Realität oder ist es durchzogen von Lügen, die mir aber vielleicht gar nicht bewusst sind?
• Und wie gehe ich damit um, wenn ich in sogenannten Wüstenzeiten überhaupt nichts von Gottes Gegenwart, Liebe oder Fürsorge spüre?
Das alles ist natürlich eng verknüpft mit der Gemeinde. In der heutigen Zeit gibt es unzählige Gemeindeformen: von hip bis konservativ, von missional bis charismatisch, von liturgisch bis frei von jeglicher Form. Die Weite ist positiv gemeint, kann aber auch total überfordern:
• Halte ich es in meiner kleinen, vielleicht alten Gemeinde aus und versuche, mitzugestalten und zu verändern?
• Oder gehe ich und suche mir auch eine junge, frische, moderne Gemeinde, weil es leichter ist? Aber ist es dort wirklich leichter, besser?
• Und ist mein Befinden in der Gemeinde überhaupt ein zulässiger Gradmesser dafür, ob ich richtig bin? Heißt Glaube nicht auch schon mal durchhalten? Mich investieren und kämpfen?
• In dem bereits angesprochenen vollen Alltag stellt sich noch eine weitere Frage: Wie viel Gemeinde ist »genug«? Wo bringe ich mich ein, wo grenze ich mich ab? Muss ich überall mithelfen, wo es »brennt« – auch wenn die Arbeit unter Kindern oder Beamerdienst überhaupt nicht meinen Gaben entspricht?
Bis hierher ging es nur um Gemeindeformen und persönliches Engagement in der Gemeinde. Von den zahlreichen Konflikten, die die verschiedenen Menschen mit ihren verschiedenen Ansichten und Geschmäckern mit sich bringen, will ich erst gar nicht sprechen …
Die verschiedenen Typen des Kampfes in meinem Lebensland
Zoome ich ein wenig raus und nehme mein Lebensland auf dem Rundflug in seiner Gesamtheit in den Blick, dann stelle ich fest, dass die einzelnen Kämpfe meines Lebens einen unterschiedlichen Charakter haben. Im Wesentlichen kann ich drei Typen voneinander unterscheiden:
• Ich kämpfe mit mir: mit meinem inneren Schweinehund, meinen zu hohen Ansprüchen, meinen erlernten Mustern, meinen Grenzen …
• Ich kämpfe mit meinen Mitmenschen: zum einen mit denen, die mir nahestehen – und gerade deshalb, weil sie mir so nahestehen (wie mit meinem Partner, meinen Kindern oder meinen Eltern) –, oder zum anderen mit Menschen, die mir eben gar nicht nahestehen und es aus diesem Grund nicht gut mit mir meinen.
• Ich kämpfe gegen Umstände: wie eine Krankheit, Schwierigkeiten im Job, meine finanzielle Situation und, und, und …
Manche Kämpfe sind zugegeben hausgemacht, für andere kann ich rein gar nichts. Demnach haben auch die Kämpfe unterschiedliche Dimensionen und eine große Bandbreite. Sie reichen von den kleinen Alltagsthemen (ich will mal wieder eine Diät machen oder strample mich durch einen zu vollen Terminkalender) über langwierige und nagende Kriege (Erziehung eines Teenies oder Streitigkeiten in der Nachbarschaft) bis hin zu den alles erschütternden Lebenskrisen (wie eine Scheidung oder die schlimme Diagnose des Arztes).
Summa summarum stelle ich aber fest, dass in meinem Leben mehr ungeklärt als geklärt ist. Manchmal sogar längst Geklärtes plötzlich und unerwartet wieder ins Wanken gerät. Und angesichts der vielen offenen Fragen und Baustellen, die doch eigentlich einladende und fertiggestellte Lebensräume sein sollten, schwinden meine Motivation und Leichtigkeit, weil es so scheint, als sei alles nur Arbeit und Kampf.
Sooo viele Fragen: nicht immer leicht zu beantworten
Fragen über Fragen. Große Fragen. Wichtige Fragen. Weitreichende Fragen. Nagende Fragen. Auch kleine Fragen, die aber genauso geklärt werden wollen. Manchmal empfinde ich das Finden der Antworten als leicht, horizonterweiternd und erhebend. So, wie das Erringen eines Erfolges. Aber genauso kann es auch den absoluten Kampf bedeuten. Ich ringe um das Richtige, frage mein Herz, meinen Gott, meine Freunde und werde in meinen Antworten doch immer wieder hin und her geworfen, weil ich einfach nicht den Durchblick habe. Und selbst da, wo ich nicht mehr um Antworten ringen muss, weil ich gute gefunden habe, hört das Kämpfen nicht auf. Denn nun lautet die Aufgabe, an meinen Überzeugungen festzuhalten (aber bitte, ohne starr und eingefahren zu werden!) und sie auch zu leben.
Gottes Hilfestellung: nicht immer leicht anzunehmen
Als Christen haben wir den großen Vorteil, dass Gott in der Bibel viele oder nahezu alle Lebensthemen anspricht und gute Antworten sowie praktische Anweisungen für die Gestaltung gibt. Doch ich merke, dass es mir oft schwerfällt, ihnen wirklich Glauben zu schenken. Denn nicht selten widersprechen Gottes Prinzipien und Maßstäbe denen der Welt um mich herum und es erscheint mir naheliegender, zunächst meine eigenen Erfahrungen zu machen, anstatt einfach zu glauben und dem zu folgen, was Gott vorschlägt. Den anderen höher achten als mich selbst? Den Sabbat einhalten? Meine Eltern ehren? Um Vergebung für meine Schuld bitten? Dinge aufgeben, die mir zwar Spaß machen, mir aber nicht guttun? Echt jetzt? Wäre es nicht vielleicht doch besser, wenn … Ein bisschen ist es so, wie wenn man einem Kind gute Ratschläge gibt, es aber erst einmal selbst gegen die Wand laufen muss, bevor es glaubt, dass das nicht der geschmeidigste Weg ist.
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