Und Fritz fragt mit trockenem Halse: „Aber du wirst immer kommen, wenn du bei den Büchern sein willst.“
„Noch bleibt sie ja bei uns,“ sagt die Mutter warm. — —
Erst mit den Büchern ist Heinrich in das Vaterhaus zurückgekehrt, Konstanze ganz verbunden. Die Unterbringung macht einige Schwierigkeiten; wie sie gelöst wird, bestimmt das Weitere. Das ist so mit den Jahren gekommen, dass das Balkonzimmer mit Robert Gundermanns Schreibtisch und den breiten, bequemen roten Ledermöbeln der allgemeine Wohnraum wurde. Daneben der Salon in dunkelgrüner Seide war eigentlich vom täglichen Verkehr weniger berührt. Hier steht Heinrichs Flügel. Hier werden seine Bücher und Noten aufgestellt und weisen ihren guten Inhalt mit goldbedruckten Rücken. Eine Tür weiter aber ist Heinrichs Zimmer, das nun seine Frau bewohnt. Dort ist sein Bett, und dort sind in anderen Schränken seine Entwürfe und Studien, seine Lehrbücher. An den Wänden ein paar kühne Bilder von fremder Hand. Auf dem breiten Toilettentisch aber das ansehnliche Rüstzeug der Schauspielerin mit Scheren, Feilen, Kämmen, Bürsten.
Einmal sagt die Mutter, als sie mit den Männern allein ist, lächelnd:
„Ich habe nie geglaubt, dass eine Schauspielerin auf so pedantische Ordnung halten könnte.“
Als die erste Woche verflossen ist und in das schwere Grau der Trauer schon freundlichere Töne der Vertrautheit klingen, meint der Vater:
„Man müsste nun den Tod Heinrichs in der Zeitung anzeigen.“
„Ich dachte, ihr wolltet überhaupt nicht —“
„Doch, Konstanze. Und wenn’s aus keinem anderen Grunde ist als um Fragen zu entgehen. Die nächsten Verwandten wissen es ja natürlich. Aber du kannst dir denken, wie peinlich es ist, womöglich nach Monaten dies und das gefragt zu werden. Wir wollten erst mit dir ins reine kommen. Denn es ist natürlich, dass du die Anzeige machen musst.“
Konstanze nickt: „Aber ich habe dann auch noch eine Bitte.“
„Welche, Kind?“
„Dass die Beziehungen zu meinem Vater hergestellt werden.“
„Aber gewiss, Konstanze, wir warten ja nur darauf, dass du uns von ihm was sagst.“
Konstanze neigt den Kopf. „Man kann eben nicht alles an einem Tage erledigen.“
Dann erzählt sie ruhig und einfach von dem Königlichen Oberbaurat Eduard von Distel, der zwar im Ministerium der öffentlichen Arbeiten ein ansehnliches Gehalt bezog, aber mit allerhand Spekulationen geschäftlicher und künstlerischer Art sein Vermögen und schliesslich auch seine Stellung verlor, seelisch zusammenbrach, als ihm die Frau gestorben, und der nun mit Konstanzens einziger Schwester lebt.
„Hast du dich denn mit ihm überworfen?“
„Nein, nicht eigentlich; aber das Leben in dem Hause wurde traurig, und ich hielt es nicht aus. Denkt euch einen Menschen — ich kann es ja nicht beurteilen —; aber Christine und ich haben aus unserer Kinderzeit die deutliche Erinnerung an einen fröhlichen, starken, bedeutenden Menschen. Und es traf ihn in guten Jahren so schwer, so unwiderruflich. Ich lief weg — Christine blieb. Ich habe in den Jahren schwer am Gewissen gelitten. Und ich hatte ja nur die eine Genugtuung, dass es mir nicht besser ging.“
„Du hattest doch Heinrich —“
„Ja — Heinrich, Mutter; aber stelle es dir nicht leicht vor! Alles macht die Liebe nicht gut; der Künstler, der kämpft, der sich durchsetzen will, und der nur mühevoll einen Schritt nach dem andern vorwärtskommt — der wird von so bösen Zweifeln heimgesucht. Manchmal kneift er sich in den Arm, nur um zu wissen, ob er noch lebt.“
„Und du hast dem Vater nie geschrieben?“
„Gewiss, Mutter, ich schrieb an Christine, sie weiss auch, dass ich mich verheiratete. Ihre Briefe waren karg, und selbst wenn ich — was mal geschah — in Berlin war — ich traute mich nicht hin. Aber jetzt will ich hin.“
„Warum jetzt?“ — Fritz fragt es leise.
„Sieh, Fritz, das mit dem Vater habe ich früher selbst nicht begriffen. Man trauert nicht bloss um eine zerstörte Jugend. Man zürnt auch. Man malt sich ja auch aus, wie es den andern gegangen ist, all den Distelkindern, deren Väter in den Ministerien sassen. Sie waren vielleicht nicht gerade von Talent geplagt, und das Leben ging dennoch seinen Gang; man heiratete oder wurde ein altes Jüngferchen und versauerte so. Aber zu essen hatten sie alle, und eine saubere, sorgenlose Luft im Hause. Da zürnt man einem Vater — ob es recht ist oder nicht. Heute weiss ich, dass ich ihm ähnlicher bin als Christine, die mehr aushält, weil sie mehr von der Mutter hat.“
„Und du willst geradenwegs zu ihm gehen?“
„Nein, Papa.“ Konstanze richtet die bittenden Augen auf Fritz. „Wenn Fritz mir den Liebesdienst erweisen will. Er wird hören, wie es steht — und wenn ich darf, will ich kommen.“
Fritz sagt eifrig zu.
„Ihr müsst verstehen. Ich bin jetzt auf einem Punkt, wo ich alle meine Kräfte sammle. Ich denke nach, denke so viel nach. Ich habe euch gefunden und denke auch, was Heinrich zu dem und jenem sagen würde. Und ich muss alles beisammen haben, bis ich mich entschliesse.“
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