„Wir haben ein paar Fragen von unseren Zuhörerinnen und Zuhörern an euch.“ Der Moderator schaute auf einige Karten in seinen Händen und grinste dabei. „Die meisten Fragen gehen an Cole. Es wollten auffallend viele Fans von dir wissen, wie deine Traumfrau aussieht. Du scheinst der Beliebteste von euch zu sein.“
Während seine Bandkollegen buhten, erklärte Cole mit einem Lachen in der Stimme: „Die anderen kommen nicht besonders gut damit klar, dass ich so viel besser aussehe als sie. Wir sollten es ihnen nicht auch noch unter die Nase reiben.“
Jesse räusperte sich und verkündete in Richtung Mikrofon: „Ladys, wenn ihr wüsstet, welchen Saustall Cole regelmäßig im Tourbus hinterlässt, dann würdet ihr euch niemals auf ein Date mit ihm einlassen wollen.“
„Nur kein Neid“, spottete Cole zurück und zeigte Jesse ein breites Grinsen. „Irgendwann wirst auch du jemanden finden, der sich für dich interessiert. Du darfst nicht aufgeben, Jesse. Wenn du Flirttipps brauchst, bin ich immer für dich da.“
„Danke. Du bist zu großzügig.“ Jesse schnalzte mit der Zunge, und Cole lachte leise, während die anderen die Augen verdrehten. Jesse war so ungefähr der Letzte, der Flirttipps brauchte, aber das mussten sie nicht im Radio besprechen.
„Zurück zu unserer Frage, Cole: Wie muss denn nun deine Traumfrau aussehen?“
Cole rang sich ein gequältes Lächeln ab und schaffte es, ehrlich zu klingen, als er erwiderte: „Das Aussehen ist mir gar nicht so wichtig. Meine Traumfrau sollte lustig sein und mit mir lachen können. Und natürlich wäre es schön, wenn sie meine Musik mag.“ Obwohl keiner ihrer Fans ihn sehen konnte, weil dies nun einmal eine Radiosendung war, setzte er seinen glaubwürdigsten Gesichtsausdruck auf und konnte froh sein, dass keiner seiner Kumpels das Gesicht verzog.
Er hätte ja kaum die Wahrheit sagen können!
„Du scheinst keine unüberwindlichen Anforderungen an deine Traumfrau zu stellen.“
„Die Chemie muss stimmen“, entgegnete Cole ernsthaft und erwähnte nicht, dass er überhaupt keinen Bock auf eine Beziehung hatte und sicherlich nicht auf der Suche nach seiner angeblichen Traumfrau war. Er lebte den Traum eines Musikers – für eine Frau hatte er überhaupt keine Zeit. „Wenn die Chemie zwischen uns stimmt, ist alles andere nebensächlich.“ Verdammt, das klang fast schon so wie ein Songtext.
„Wer weiß – vielleicht findest du ja deine Traumfrau, während du in Großbritannien bist.“
„In den nächsten Tagen sind wir noch in England“, korrigierte er den Moderator und wollte gleichzeitig Werbung für die nächsten Konzerte machen, die in den kommenden Tagen anstanden. Schließlich wollten sie die Hallen voll bekommen. „Heute treten wir hier in London auf, übermorgen in Manchester und dann in Newcastle. Anschließend geht es nach Deutschland. In Großbritannien finden zurzeit keine unserer Konzerte statt.“
In dem Moment, in dem er den Satz beendet hatte, wusste er auch schon, dass er etwas Dummes gesagt hatte. Und dass er sich blamiert hatte. Da half es auch nicht, dass Taylor für ihn in die Bresche sprang und irgendetwas von einem Scherz faselte.
Cole hatte mal wieder bewiesen, dass er nicht die hellste Kerze am Baum war. Und das im Radio. Live.
„Fühlt sich das gut an, Baby? Sag mir, wie gut es sich anfühlt.“
Im ersten Moment wusste Holly nicht, was sie geweckt hatte, aber als lautes Stöhnen aus dem benachbarten Raum durch die Wand drang, war sie schlagartig wach. Blinzelnd starrte sie an die Zimmerdecke über sich und lauschte den Geräuschen, die viel zu laut und viel zu eindeutig waren, um sie zu ignorieren. Wer auch immer dieses Haus gebaut hatte, hatte nicht viel Wert auf eine gute Schallisolierung gelegt.
„O Gott ... mach bitte weiter!“
„Sag mir erst, ob es sich gut anfühlt.“
„Ja! Ja ... es fühlt sich ... o ... o Gott! Ja! Ja! Bitte, mach weiter. Mach einfach weiter!“
„Hier? Willst du es hier?“
„Tiefer ...“
„So?“
„Genau so ...“
„O Baby ... du machst mich verrückt ...“
„Taylor ... das ist so gut ... so gut!“
„Ah ... Alexis!“
Wieder erklang ein Stöhnen – dieses Mal eindeutig männlich, bevor rhythmische dumpfe Geräusche folgten. Ein pochendes Klopfen direkt gegen die Wand, an der Hollys Bett stand.
Man musste kein Hellseher sein, um zu erahnen, was das für Geräusche waren, denn alles deutete daraufhin, dass ein Bettgestell im Eifer des Gefechts immer wieder gegen die Wand gestoßen wurde. Holly konnte sich sehr bildlich vorstellen, was im Schlafzimmer ihrer Schwester gerade vor sich ging. Und das war irgendwie ... verstörend.
Sie schlug die Decke zur Seite und schlüpfte aus dem Bett, während im Zimmer nebenan die Post abging – im wortwörtlichen Sinne, denn das Stöhnen steigerte sich von Sekunde zu Sekunde.
Irgendwie war Holly nicht in Stimmung, hier im Gästezimmer im Haus ihrer Schwester zu liegen und abzuwarten, bis die beiden zum Höhepunkt ihrer Vorstellung kamen und vermutlich ein Loch in die Wand schlugen. Denn ganz so klang es, als das Bett immer heftiger und lauter gegen die Wand rumste.
Wer zum Teufel hatte so dünne Wände in dieses Haus einbauen lassen? Für den Preis, den Alexis für die luxuriöse Villa in Brentwood hingelegt hatte, hätte man wenigstens Wände erwarten können, die ein bisschen dicker als eine Reiswaffel waren!
„Oh Gott! Ich ... ich komme!“
Holly sprang förmlich in das erste Kleidungsstück, das in greifbarer Nähe war, und entschied spontan, dass sie heute in einem anderen Gästezimmer übernachten würde, weil sie weder ihrer Schwester noch deren Freund am nächsten Morgen ins Gesicht sehen könnte, wenn sie etwas länger hierbleiben würde und Zeuge ihres Sexlebens werden müsste.
Sie war weiß Gott keine prüde Nummer. Auf dem College war sie mindestens ein dutzendmal in irgendein Zimmer getorkelt, in dem es gerade zur Sache ging. Und sicherlich war sie selbst das eine oder andere Mal beim Sex beobachtet worden, denn Privatsphäre wurde unter Studenten nun einmal nicht gerade großgeschrieben. Und auch von ihrer Mitbewohnerin und deren Sexleben wusste Holly mehr, als sie eigentlich wissen wollte, weil Donna ziemlich laut werden konnte.
Aber das hieß noch lange nicht, dass Holly seelenruhig daliegen und zuhören würde, wie sich ihre eigene Schwester die Seele aus dem Leib schrie, während ihr Freund alles dafür tat, um ihr einen Orgasmus zu verschaffen.
In das Liebesleben ihrer älteren Schwester wollte Holly nicht involviert werden, zumal sie davon ausgegangen war, dass zwischen Alexis und ihrem Loverboy nichts lief. Eigentlich war ihr Loverboy namens Taylor nämlich angeheuert worden, um Alexis’ Freund zu spielen und der Öffentlichkeit eine stabile Beziehung vorzugaukeln. Lauter, Wände erschütternder Sex hatte nach allem, was Holly wusste, nicht zur Stellenbeschreibung dazugehört.
Während sie aus dem Zimmer stolperte und im Dunkeln fast über ihre Laptoptasche und einen Stapel Bücher gefallen wäre, die sie einfach auf den Boden gelegt hatte, als sie sich heute Abend im Gästezimmer ihrer Schwester einquartiert hatte, vermied sie es, darüber nachzudenken, wie sie es fand, dass Alexis mit Taylor schlief.
Im Grunde schien er ein netter Kerl zu sein, aber in Hollywood gab es viele nette Kerle, die sich irgendwann als widerliche Wichser entpuppten, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn hatten. Leider war Alexis auf diese Art Mann bereits einmal hereingefallen, und Holly hoffte nicht, dass ihre Schwester den gleichen Fehler ein weiteres Mal beging. Als Alexis nämlich das letzte Mal das Herz gebrochen worden war, war sie völlig ausgeflippt und nicht wieder zu erkennen gewesen. Und dazu kam, dass sie und Taylor bereits eine Vorgeschichte hatten.
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