Auf der Highschool hatte es genau zwei Fächer gegeben, in denen er gut gewesen war – Musik und Sport.
Zwar konnte er sich nicht merken, von wann bis wann der Zweite Weltkrieg stattgefunden hatte und wie man Unabhängigkeitserklärung fehlerfrei schrieb, aber Musikstücke und deren Notenfolgen kannte er auswendig, wenn er ein Lied erst einmal gehört hatte. Für ihn fühlte sich eine Gitarre nicht wie ein Fremdkörper, sondern wie eine Verlängerung seines Armes an, und wenn er an einem Schlagzeug saß, dann war es ganz einfach, den richtigen Takt zu finden, weil er nur seiner Intuition folgen musste.
Andere lasen Bücher, er las Lieder.
„Eure aktuelle Single It has to be you hat es auf Platz eins unserer Charts geschafft und läuft hier rauf und runter. Und wie es aussieht, klettert die Single auch in den USA immer höher. Ihr hattet euren Durchbruch zuerst in Europa und erobert nun eure Heimat. War das von Anfang an der Plan? Und was ist euch wichtiger? Erfolg in Übersee oder zu Hause?“
Wie immer fand Taylor die richtige Antwort. „Zuerst einmal sind wir völlig überwältigt, dass wir auf Platz eins in den englischen Charts stehen, und freuen uns, dass It has to be you hier so gut ankommt. Dass das Lied zu Hause auch erfolgreich zu werden verspricht, ist sozusagen die Kirsche auf der Sahne. Geplant haben wir nichts von dem, und ich denke, dass man Erfolg auch nicht planen kann.“
Dean räusperte sich und warf mit seiner tiefen Stimme ein: „Abgesehen davon gefällt uns an London sehr gut, dass wir hier Alkohol trinken dürfen, ohne uns strafbar zu machen – jedenfalls die meisten von uns. Babyboy Zac muss noch ein paar Monate warten.“ Er grinste und lachte heiser.
Auch Cole musste lachen, denn Babyboy Zac , der erst in drei Monaten achtzehn wurde, trank sie alle unter den Tisch. Es gab keinen unter ihnen, der so viel Alkohol vertrug wie Zac, auch wenn dieser erst siebzehn war. Weil er der Jüngste von ihnen war, wurde er gerne als harmlos und unbedarft verkauft – sozusagen als ungefährliches Milchbübchen, in das sich auch die ganz jungen Fans verlieben konnten. Natürlich würde niemand aus der Band während einer Live-Show im Radio davon sprechen, dass Zac vor zwei Nächten Drinks gemixt und Tequilashots aus dem Bauchnabel eines Models getrunken hatte, um eine besonders gelungene Show zu feiern. Das war in Spanien gewesen.
Zwei Tage zuvor waren sie in Portugal aufgetreten, wo Cole so freundlich gewesen war, zwei Damen das Innere des Tourbusses zu zeigen. Die Nacht war ziemlich aufregend und alles andere als langweilig gewesen, wie er zugeben musste. Aber auch davon würde niemand von ihnen bei einem Radiointerview erzählen, schließlich wussten alle Bandmitglieder, wie wichtig es war, die weiblichen Fans nicht zu verprellen. Solange die sich einbilden konnten, vielleicht bei den Jungs der Band zu landen, würden sie auch ihre Platten kaufen und stundenlang für Konzerttickets anstehen.
Die Jungs von SpringBreak waren nicht die Rolling Stones, von denen die Fans Alkoholexzesse, wilde Partys und Sexskandale erwarteten. Ihre Plattenfirma vermarktete sie als junge Band ohne Skandale und mit fünf unterschiedlichen Typen, in die sich Mädchen und junge Frauen verlieben konnten. Und ihre Plattenfirma erwartete von ihnen, dass sie nichts taten, was dieses Image zerstören würde oder was die Eltern ihrer minderjährigen Fans dazu bringen könnte, ihren Töchtern zu verbieten, ihre Konzerte zu besuchen. Am wichtigsten war zudem, dass keiner von ihnen eine Freundin haben durfte.
Aber das war für niemanden von ihnen ein Problem.
Sie alle fünf wollten Spaß haben, Musik machen und berühmt werden. Wer brauchte schon eine Freundin, wenn sich ihnen in jeder Stadt, in der sie auftraten, Frauen an den Hals warfen? Cole würde dieses Leben nicht gegen eine Freundin eintauschen wollen, die von ihm verlangen würde, Zeit mit ihr zu verbringen, Kuschelabende auf der Couch abzuhalten und nur mit ihr Sex zu haben. Er war achtzehn und nicht achtzig!
Da sie alle grinsten oder leise lachten, fragte der Radiomoderator nach: „Können wir davon ausgehen, dass Zac in Bezug auf Alkohol nicht so unschuldig ist, wie wir annehmen?“
„Kein Kommentar.“ Das kam von Zac selbst, der gleichzeitig eine Verbeugung andeutete.
Der Moderator schnalzte mit der Zunge. „Ich werte das als ein Ja.“
Jesse nickte ernst. „Ich auch.“
Wieder lachten sie auf. Und Zac, der tatsächlich wie ein harmloser Highschoolschüler und wie ein Mitglied der Marschkapelle seiner Schule aussah, wirkte keinesfalls reuig, sondern wackelte bedeutungsvoll mit den Augenbrauen.
Cole konnte ihn ziemlich gut leiden, auch weil Zac den Mund aufmachte, wenn ihm etwas nicht passte. Er war direkt und sagte anderen auf den Kopf zu, was er von ihnen hielt. Das hätte ihm erst vor Kurzem Probleme bereiten können, als er einem weiblichen Fan ein Autogramm auf die Möpse geben sollte und anschließend auf den Freund dieses Fans getroffen war, der nicht begeistert gewirkt hatte, als er Zacs Unterschrift auf der nackten Haut seiner Freundin entdeckte. Vielleicht war es nicht sonderlich klug gewesen, diesem Freund, der erheblich größer, stärker und älter als Zac gewesen war, zu raten, sich eine neue Freundin zu suchen, wenn die jetzige ganz versessen darauf war, anderen Männern ihre nackten Titten ins Gesicht zu halten , aber glücklicherweise war Dean an Zacs Seite gewesen.
Im Gegensatz zu Zac mit seiner großen Klappe und dem harmlosen Äußeren war Dean eher ruhig. Er war groß und kräftig und musste keine großen Töne spucken, weil sich nur ein Idiot mit ihm angelegt hätte, wenn Dean erst einmal seinen undurchdringlichen Blick aufgesetzt hatte. Keine Frage – selbst mit achtzehn konnte Dean bedrohlich und einschüchternd wirken, auch ohne dabei die Fäuste spielen zu lassen. Dennoch war Cole froh, Dean auf seiner Seite zu haben, sollte es irgendwann einmal hart auf hart kommen.
Unter ihren Fans galt Dean als der gefährliche Badboy, was innerhalb der Band ein Running Gag war, schließlich war Dean derjenige, der in seiner Freizeit Bücher las und einmal in der Woche mit seiner Grandma telefonierte, der er auch aus jeder Stadt, in die sie kamen, eine Postkarte schickte.
Sie alle hatten ihre Rolle innerhalb der Band – angefangen mit Taylor, dem Ältesten und Ernsthaftesten unter ihnen, der tiefgründige Songtexte schrieb und als Frontmann fungierte. Jesse war der Spaßvogel, der stets gut gelaunt war und Witze riss, während Zac der Jüngste und Niedlichste von ihnen war. Dann kam Dean, der angebliche Badboy mit der gefährlich wirkenden Aura.
Und Cole war der Hübscheste.
Ihm war schnell klar gewesen, was die Plattenfirma in ihm sah und von ihm verlangte. Weil er blond war, gut aussah und weil die Mädchen auf ihn flogen, seit er in den Kindergarten gegangen war, und vielleicht sogar wegen seiner guten Stimme und seines musikalischen Talents war er in die Band gekommen, in der es seine Aufgabe war, den Schönling zu spielen, in den sich die Fans verliebten.
Für ihn war das okay, schließlich hatte er bereits in der Highschool sein gutes Aussehen dafür eingesetzt, sich Vorteile zu verschaffen.
Cole hatte schon früh gelernt, dass er nicht auf der Strecke bleiben musste, weil er nicht so klug und so begabt war wie seine Geschwister. Anstatt mit seinem Verstand zu punkten, setzte er seinen Charme und sein hübsches Gesicht ein, um das zu bekommen, was er wollte. Beispielsweise hatte er Stacy Michaelson dazu gebracht, die Hausaufgaben für ihn zu machen, indem er mit ihr geflirtet hatte, und beim Mathetest hatte er von Anna Carmichael abschreiben dürfen, weil er ihr versprochen hatte, mit ihr zum Frühlingsfest zu gehen. Und als es im Abschlussjahr darum ging, einen Laborpartner zu finden, hatte er Steve Riddell davon überzeugt, mit ihm zusammenzuarbeiten, denn Steve war in Chemie ein absoluter Überflieger und eine wahnsinnige Intelligenzbestie mit den besten Noten der ganzen Schule. Mit Steve an seiner Seite hatte sogar Cole eine Chance gehabt, in Naturwissenschaften nicht durchzufallen. Als Gegenleistung hatte er lediglich ein paar Cheerleader zu Steves Geburtstagsparty mitbringen müssen und dafür gesorgt, dass der schüchterne Junge kein Außenseiter mehr war.
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