Aus dunkler Höh, mit wilder Macht,
die Regengüsse träufen;
es ist, als wollt die alte Nacht
das alte Meer ersäufen.
An den Mastbaum klammert die Möwe sich
mit heiserem Schrillen und Schreien;
sie flattert und will gar ängstlich
ein Unglück prophezeien.
11 Der Sturm spielt auf zum Tanze,
er pfeift und saust und brüllt;
heisa! wie springt das Schifflein!
Die Nacht ist lustig und wild.
Ein lebendes Wassergebirge
bildet die tosende See;
hier gähnt ein schwarzer Abgrund,
dort türmt es sich weiss in die Höh.
Ein Fluchen, Erbrechen und Beten
schallt aus der Kajüte heraus;
ich halte mich fest am Mastbaum,
und wünsche: Wär ich zu Haus.
12 Der Abend kommt gezogen,
der Nebel bedeckt die See;
geheimnisvoll rauschen die Wogen,
da steigt es weiss in die Höh.
Die Meerfrau steigt aus den Wellen,
und setzt sich zu mir, am Strand;
die weissen Brüste quellen
hervor aus dem Schleiergewand.
Sie drückt mich und sie presst mich,
und tut mir fast ein Weh: —
du drückst ja viel zu fest mich,
du schöne Wasserfee!
„Ich presse dich in meinen Armen,
und drücke dich mit Gewalt;
ich will bei dir erwarmen,
der Abend ist gar zu kalt.“
Der Mond schaut immer blasser
aus dämmriger Wolkenhöh;
dein Auge wird trüber und nasser,
du schöne Wasserfee!
„Es wird nicht trüber und nasser,
mein Aug ist nass und trüb,
weil, als ich stieg aus dem Wasser,
ein Tropfen im Auge blieb.“
Die Möwen schrillen kläglich,
es grollt und brandet die See; —
dein Herz pocht wild beweglich,
du schöne Wasserfee!
„Mein Herz pocht wild beweglich,
es pocht beweglich wild,
weil ich dich liebe unsäglich,
du liebes Menschenbild!“
13 Wenn ich an deinem Hause
des Morgens vorübergeh,
so freuts mich, du liebe Kleine,
wenn ich dich am Fenster seh.
Mit deinen schwarzbraunen Augen
siehst du mich forschend an:
Wer bist du, und was fehlt dir,
du fremder, kranker Mann?
„Ich bin ein deutscher Dichter,
bekannt im deutschen Land;
nennt man die besten Namen,
so wird auch der meine genannt.
„Und was mir fehlt, du Kleine,
fehlt Manchem im deutschen Land;
nennt man die schlimmsten Schmerzen,
so wird auch der meine genannt.“
14 Das Meer erglänzte weit hinaus,
im letzten Abendscheine;
wir sassen am einsamen Fischerhaus,
wir sassen stumm und alleine.
Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,
die Möwe flog hin und wieder;
aus deinen Augen, liebevoll,
fielen die Tränen nieder.
Ich sah sie fallen auf deine Hand,
und bin aufs Knie gesunken;
ich hab von deiner weissen Hand
die Tränen fortgetrunken.
Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
die Seele stirbt vor Sehnen; —
mich hat das unglückselge Weib
vergiftet mit ihren Tränen.
15 Da droben auf jenem Berge,
da steht ein feines Schloss,
da wohnen drei schöne Fräulein,
von denen ich Liebe genoss.
Sonnabend küsste mich Jette,
und Sonntag die Julia,
und Montag die Kunigunde,
die hat mich erdrückt beinah.
Doch Dienstag war eine Fete
bei meinen drei Fräulein im Schloss;
die Nachbarschafts-Herren und Damen
die kamen zu Wagen und Ross.
Ich aber war nicht geladen,
und das habt Ihr dumm gemacht!
Die zischelnden Muhmen und Basen,
die merktens und haben gelacht.
16 Am fernen Horizonte
erscheint, wie ein Nebelbild,
die Stadt mit ihren Türmen
in Abenddämm’rung gehüllt.
Ein feuchter Windzug kräuselt
die graue Wasserbahn;
mit traurigem Takte rudert
der Schiffer in meinem Kahn.
Die Sonne hebt sich noch einmal
leuchtend vom Boden empor,
und zeigt mir jene Stelle,
wo ich das Liebste verlor.
17 Sei mir gegrüsst, du grosse,
geheimnisvolle Stadt,
die einst in ihrem Schosse
mein Liebchen umschlossen hat.
Sagt an, ihr Türme und Tore,
wo ist die Liebste mein?
Euch hab ich sie anvertrauet,
ihr solltet mir Bürge sein.
Unschuldig sind die Türme,
sie konnten nicht von der Stell,
als Liebchen mit Koffern und Schachteln
die Stadt verlassen so schnell.
Die Tore jedoch, die liessen
mein Liebchen entwischen gar still;
ein Tor ist immer willig,
wenn eine Törin will.
18 So wandl ich wieder den alten Weg,
die wohlbekannten Gassen;
ich komme von meiner Liebsten Haus,
das steht so leer und verlassen.
Die Strassen sind doch gar zu eng!
Das Pflaster ist unerträglich!
Die Häuser fallen mir auf den Kopf!
Ich eile so viel als möglich!
19 Ich trat in jene Hallen,
wo sie mir Treue versprochen;
wo einst ihre Tränen gefallen,
sind Schlangen hervorgekrochen.
20 Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
in diesem Hause wohnte mein Schatz;
sie hat schon längst die Stadt verlassen,
doch steht noch das Haus auf demselben Platz.
Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe,
und ringt die Hände, vor Schmerzensgewalt;
mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe, —
der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt.
Du Doppeltgänger! du bleicher Geselle!
was äffst du nach mein Liebesleid,
das mich gequält auf dieser Stelle,
so manche Nacht, in alter Zeit?
21 Wie kannst du ruhig schlafen,
und weisst, ich lebe noch?
Der alte Zorn kommt wieder,
und dann zerbrech ich mein Joch.
Kennst du das alte Liedchen:
Wie einst ein toter Knab
um Mitternacht die Geliebte
zu sich geholt ins Grab?
Glaub mir, du wunderschönes,
du wunderholdes Kind,
ich lebe und bin noch stärker
als alle Toten sind!
22 „Die Jungfrau schläft in der Kammer,
der Mond schaut zitternd hinein;
da draussen singt es und klingt es,
wie Walzermelodein.
„Ich will mal schaun aus dem Fenster,
wer drunten stört meine Ruh.
Da steht ein Totengerippe,
und fiedelt und singt dazu:
„Hast einst mir den Tanz versprochen,
und hast gebrochen dein Wort,
und heut ist Ball auf dem Kirchhof,
komm mit, wir tanzen dort.
„Die Jungfrau ergreift es gewaltig,
es lockt sie hervor aus dem Haus;
sie folgt dem Gerippe, das singend
und fiedelnd schreitet voraus.
„Es fiedelt und tänzelt und hüpfet,
und klappert mit seinem Gebein,
und nickt und nickt mit dem Schädel
unheimlich im Mondenschein.“
23 Ich stand in dunkeln Träumen
und starrte ihr Bildnis an,
und das geliebte Antlitz
heimlich zu leben begann.
Um ihre Lippen zog sich
ein Lächeln wunderbar,
und wie von Wehmutstränen
erglänzte ihr Augenpaar.
Auch meine Tränen flossen
mir von den Wangen herab —
und ach, ich kann es nicht glauben,
dass ich dich verloren hab!
24 Ich unglückselger Atlas! eine Welt,
die ganze Welt der Schmerzen, muss ich tragen,
ich trage Unerträgliches, und brechen
will mir das Herz im Leibe.
Du stolzes Herz, du hast es ja gewollt!
Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich
oder unendlich elend, stolzes Herz,
und jetzo bist du elend.
25 Die Jahre kommen und gehen,
Geschlechter steigen ins Grab,
doch nimmer vergeht die Liebe,
die ich im Herzen hab.
Nur einmal noch möcht ich dich sehen,
und sinken vor dir aufs Knie,
und sterbend zu dir sprechen:
Madame, ich liebe Sie!
26 Mir träumte: traurig schaute der Mond,
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