Betroffen sehen die Detektive sich an. Keiner sagt ein Wort. „Heute Morgen habe ich meine Sachen abgeholt. Ich wollte mich von ihm verabschieden, aber er hat mich kaum beachtet.“ Saskia kann ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Vermischt mit schwarzer Wimperntusche schlängeln sie sich ihre Wangen hinunter.
Marie reicht ihr ein Taschentuch. Als Saskia sich beruhigt hat, sagt sie: „Ich wohne jetzt bei einem Mädchen aus meiner Klasse. Aber eigentlich geht euch das alles gar nichts an.“
„Geht es doch!“ Laura stellt sich vor Saskia und guckt ihr ins Gesicht. „Die Zeitungen haben aus deinen Frustbriefen einen Kriminalfall gebastelt. Scotland Yard sucht nach dir. Du musst sofort hingehen und das alles aufklären.“
Saskia wird blass. „Zu Scotland Yard?“
„Wir kommen mit“, schlägt Marie vor. „Den Inspektor, der für den Fall zuständig ist, kennen wir schon. Wenn du ihm alles ganz ehrlich erzählst, bekommst du vielleicht nur eine Verwarnung.“
Saskia schaut zur Uhr. „Aber ich muss jetzt zur Schule. Können wir nicht morgen früh zu Scotland Yard gehen?“
Die Detektive sehen sich an.
„Kommst du auch bestimmt mit?“, fragt Laura.
„Versprochen“, antwortet Saskia.
„Alles klar“, sagt Laura. „Wir treffen uns um neun vor New Scotland Yard.“
„Boah! Das war aufregend! Jetzt brauche ich aber unbedingt was zu futtern“, stöhnt Moritz, als Saskia außer Sicht ist. „Und wir müssen noch Mama anrufen.“
„Dann können wir ihr gleich erzählen, dass wir den Fall schon gelöst haben.“ Laura freut sich. „Morgen kann Inspektor Appleby ihn zu den Akten legen.“
Doch da hat sie sich getäuscht. Am nächsten Morgen geht es erst richtig los.
„Es ist ja zum Glück nichts passiert, aber ich finde, eure Verfolgungsjagd war eindeutig zu gefährlich“, sagt Frau Bach beim Frühstück noch einmal in strengem Ton. Schon am Abend zuvor hatten sie und ihr Mann die Kinder ermahnt, als die ihnen von ihrem Abenteuer erzählt hatten. „Das Mädchen hätte euch in eine Falle locken können.“
„Hat sie aber nicht. Sie ist nur ein bisschen von der Rolle, sonst ist sie ganz in Ordnung. Und nun haben wir alles aufgeklärt“, sagt Laura nicht ohne Stolz.
„Komm doch mit zu Scotland Yard“, bietet Moritz an.
Seine Mutter überlegt. „Das würde ich am liebsten tun. Aber ich brauche für meinen Reisebericht stimmungsvolle Fotos von der Themse und der Tower Bridge im Nebel.“ Sie zeigt aus dem Fenster. „Wer weiß, wie lange der Nebel sich hält. Fahrt ruhig allein. Bei Scotland Yard seid ihr sicher und Inspektor Appleby kennt ihr schon. Aber ruft mich nachher an, ja?“
„Machen wir“, verspricht Laura.
Dichter Nebel kriecht durch die Straßen, als die Detektive auf dem Weg zu Scotland Yard sind.
Am Trafalgar Square steigen sie wieder in den Bus mit der Nummer 11. Sie strengen ihre Augen an, um durch den Nebel etwas von der Umgebung zu erkennen.
Als der Bus in die Victoria Street abbiegt, zeigt Alexander auf die undeutlichen Umrisse von Westminster Abbey auf der einen und der Houses of Parliament auf der anderen Seite. Vor lauter Aufregung hatten sie bei ihrer ersten Fahrt zu Scotland Yard gar nicht darauf geachtet.
„Und wo ist Big Ben?“, will Marie wissen.
„Siehst du den Turm da an der Seite? Gleich um neun kannst du die große Glocke hören.“
Als die Kinder vor New Scotland Yard stehen, ertönt der bekannte Westminster Schlag.
„Wir sind pünktlich“, stellt Moritz fest. „Aber wo bleibt Saskia?“
„Vielleicht hat sie den Bus verpasst. Sie kommt bestimmt“, beruhigt Marie ihn.
Kurz darauf biegt Saskia um die Ecke. Sie wirkt erschöpft und ängstlich.
Inspektor Appleby hört sich Saskias Geschichte in aller Ruhe an. Von Zeit zu Zeit nickt er.
Was er dann sagt, können die Kinder sich nur zum Teil übersetzen.
Saskia wird plötzlich blass. Hat der Inspektor sie zu streng ermahnt? Gibt es noch ein Problem?
Langsam dreht sie sich zu Laura, Marie, Alexander und Moritz um. „Es ist ein echter Erpresserbrief aufgetaucht, der große Ähnlichkeit mit meinen Zetteln hat“, erklärt sie ihnen. „Scotland Yard glaubt, dass ich die Erpresser kenne oder sogar mit ihnen zusammenarbeite. Die Erpresser fordern eine große Summe Geld vom Direktor des London Zoo, sonst wollen sie alle Zootiere im Regent’s Park freilassen.“
Die Detektive denken an gefährlich fauchende Panther, Tiger und Löwen, die auf der Suche nach Beute durch den Park und die Innenstadt streifen.
Betroffen schauen sie den Inspektor an. Er spricht langsam und wählt einfache Wörter, damit die Kinder ihn verstehen. Sie erfahren, dass der Brief gerade erst angekommen ist und dass die Schrift und das Papier untersucht und verglichen werden. Er braucht auch Saskias Fingerabdrücke.
„Dann ist bestimmt alles schnell geklärt“, tröstet Laura Saskia, die ziemlich hilflos aussieht.
„Jetzt fangen wir wieder von vorne an“, stöhnt Moritz. „Nur diesmal haben wir keinen Anhaltspunkt.“
„Jeder kann der Erpresser sein“, sagt Saskia auf dem Weg nach draußen. „Die Zeitungen haben ja alles haarklein abgedruckt. Und ich sitze mächtig in der Tinte. Scotland Yard verdächtigt mich, mit Erpressern unter einer Decke zu stecken!“
Da hat Laura eine Idee: „Hast du irgendjemandem außer uns und dem Inspektor von deinen Zetteln erzählt?“
Saskia schüttelt den Kopf. „Niemandem. Nicht einmal Paddy. Mist! Ich muss um zehn in der Schule sein. Können wir uns heute Nachmittag treffen?“
Die fünf tauschen ihre Handynummern aus und verabreden sich für den Nachmittag.
Kurz darauf sitzen die Detektive auf einer Bank in einem kleinen Park gegenüber von Scotland Yard.
„Der Nebel wird immer dicker“, stellt Moritz fest.
„Der Nebel in meinem Kopf auch“, jammert Laura. „Ich habe überhaupt keine Idee, wie es weitergeht. Es gibt niemanden mehr zu beschatten und unsere Detektivausrüstung nützt uns auch nichts.“
„Wir könnten eine Denkpause einlegen und uns dabei die Saurier im Natural History Museum ansehen“, schlägt Alexander vor, der schon wieder in seinem Stadtführer blättert. Die anderen sind einverstanden.
Laura ruft ihre Mutter an und erstattet ihr wie versprochen Bericht. „Wir fahren jetzt zum Museum für Naturgeschichte und gucken uns die Saurier an.“
„Das ist ein prima Idee“, meint ihre Mutter. „Ich melde mich bei euch, wenn ich meine Arbeit für heute erledigt habe. Viel Spaß!“
Im Museum bleiben die Kinder länger als geplant. Dort gibt es so viel Interessantes zu entdecken, dass sie erst mittags wieder an ihren ungelösten Fall denken.
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