»Gott segne alle hier«, sagte MacCarthy mit lauter Stimme, als er die Schenke betrat.
»Gott segne auch dich«, sagten der Hausherr und einige andere Männer, die am Kamin saßen. Zwei britische Soldaten in ihren hummerroten Jacken sahen ihn ohne Neugier an und wandten sich dann ab. MacCarthy legte eine Silbermünze auf den Tresen und ging mit einem Krug Porter quer durch den Raum, um sich zu einem kahlen Mann mittleren Alters zu setzen.
»Du bist weit von Killala, Owen MacCarthy.«
»Das bin ich, Sean MacKenna, und ich bin hergekommen, um dich zu besuchen. Ich war zuerst im Laden, und Brid sagte, ich würde dich hier finden. Du hast es wirklich gut, hast einen Laden und eine Schule und kannst die Abende in der Schenke verbringen.«
»Die Schenken sind auch dir nicht fremd«, erwiderte MacKenna und machte auf der niedrigen Bank Platz für ihn.
»Ach, die Schenken in Killala sind schmutzig und alt. Ihr habt hier eine schöne lebhafte Stadt mit Civilisation.« Das englische Wort Civilisation klang wie Kupfer auf dem Fußboden seines Irisch.
»Du bist in Castlebar immer willkommen«, sagte MacKenna. Seine Stimme, wie seine Worte, war ernst und ruhig.
»Von diesen Jungs sind ganz schön viele in der Stadt«, sagte MacCarthy und wies mit einer Kopfbewegung auf die beiden Soldaten.
MacKenna nickte. »Zwei Regimenter. Eines heißt The Prince of Wales’ Fencibles, das andere weiß ich nicht mehr. Sie sind jetzt in der Kaserne, aber es heißt, daß sie bei den Leuten einquartiert werden sollen. Wie würde es dir gefallen, mit diesen beiden dein Bett teilen zu müssen?«
»Nicht besser als ihnen selber. Soldaten haben ein hartes Leben, werden von zu Hause weggeschickt, um unter wilden Iren und wilden Indern zu leben.«
»Sie waren bei den Kämpfen in Wexford dabei«, sagte MacKenna. »Und jetzt sind sie hierher geschickt worden. Sie sind wirklich seltsame Geschöpfe, und ihr Englisch ist ziemlich erbärmlich.«
»Sie werden sicher auch in Mayo genug zu tun bekommen.« Es war eine Frage.
MacKenna beantwortete sie. »Ich frage mich, Owen, ob du den Whiteboys nicht Latein beibringen solltest, damit sie ihre Nächte friedlicher mit Caesar und Vergil verbringen?«
»Was könnten diese Flegel schon mit Latein anfangen«, erwiderte MacCarthy. Er vergrub die Nase in seinem Krug.
»Es gibt jetzt Whiteboys in Castlebar«, sagte MacKenna. »Und in den Gemeinden im Osten, aber sie haben noch nichts gemacht. Sie haben ein Plakat an das Tor der protestantischen Kirche angeschlagen. Die Zeichnung von einem Sarg und ein paar falschgeschriebene Wörter.«
»Typisch Whiteboy«, sagte MacCarthy. »Auch in Foxford und Swinford gibt es Burschen, die sich Whiteboys nennen. Ein Fuhrmann hat mich von Ballina bis hier mitgenommen, und er hat von nichts anderem geredet.«
»Was hat er gesagt?«
»Daß die Leute in Mayo sich erheben wollen, wie die Leute von Wexford und im Norden. Aber er war ein törichter zahnloser alter Bursche. Die Wörter tropften aus ihm heraus, und man würde nicht ein Zehntel davon glauben.«
MacKenna schüttelte den Kopf. »Du kannst hier in Castlebar dasselbe Gerede hören. Wir werden alle frei sein und große schöne Gehöfte bekommen. Und der ganze alte Kram aus den Prophezeiungen von Columkille und den Schundschriften, die die Wahrsager auf den Märkten verkaufen. Ein Müller in Sligo hat ein Kind mit vier Daumen bekommen, und das ist ein sicheres Zeichen. In deinem ganzen Leben hast du noch nicht so viel Unsinn gehört.«
»Hab ich wohl«, widersprach MacCarthy. »Unfug ist in diesem Land ein gutes Geschäft.«
Er nahm ihre beiden leeren Krüge und brachte sie wortlos zum Tresen zurück. Die beiden roten Soldaten standen links von ihm und unterhielten sich leise. Sie schienen nicht in den Raum zu gehören, waren in ihr grobes, lebhaftes Tuch eingeschlossen.
»Ich denke daran, weiterzuziehen, Sean«, sagte er zu Mac-Kenna, als er mit den gefüllten Krügen zurückkam.
MacKenna nickte. »Du bist wirklich in einer unangenehmen Stadt, an diesem häßlichen Meer.«
»Ach, das ist es nicht. Ich habe Angst. Als die Whiteboys angefangen haben, habe ich ihnen ihre Proklamation geschrieben, und jetzt soll ich wieder eine verfassen. Es dauert nicht mehr lange, bis irgendein kleiner Bastard von einem Denunzianten den Richtern meinen Namen zuflüstert.«
»Heilige Mutter Gottes, Owen, was war denn da bloß in dich gefahren? Denen ist es doch egal, wen sie aufhängen.«
»Es ist geschehen«, antwortete MacCarthy. »Egal, warum ich es getan habe, es ist geschehen. Ach, es tut mir nicht leid. Die Leute haben ein schreckliches Leben, das weißt du gut. Ich schwöre bei Gott, Sean, in diesem Königreich geschehen Dinge ohne Sinn und Verstand. Irgendwer sticht bei einem Grundbesitzer in Killala das Vieh ab, und ein paar Wochen später reden die Leute in Castlebar über Kinder mit vier Daumen.«
»Über mehr als Daumen und Babys«, sagte MacKenna. »Sie sagen, daß die Franzosen auf dem Meer sind, und daß sich die Gälische Armee erheben wird.«
Fetzen eines alten Liedes trieben tonlos durch die stickige Luft. Noch einmal sah er den Wald aus schwarzen Piken vor dem grauen Horizont.
»Vielleicht stimmt das«, sagte er. »Wie sonst sollten sie so etwas in Mayo oder Sligo wissen?«
»Du hast recht, Owen. Du solltest Mayo verlassen. Ich würde dich nur ungern vor Gericht sehen.«
»Deshalb bin ich ja zu dir gekommen. Ich dachte, du wüßtest vielleicht irgendeine Stadt im Osten, die einen Schulmeister braucht.«
MacKenna trank, dann nickte er. »Ich schreibe noch heute Nacht an Pat Dunphy in Longford. Er weiß immer gut Bescheid über solche Fragen. Welche Stadt wäre denn nicht stolz, den Dichter Owen MacCarthy zum Schulmeister zu haben?«
MacCarthy lächelte. »Mehr als eine, Sean. Und das weißt du auch.«
»Durchaus nicht«, widersprach MacKenna rasch. »Durchaus nicht. Jede Stadt wäre stolz. Du bist ein guter Dichter, und sogar Männer, die dich noch nie gesehen haben, ehren deinen Namen.«
»Die vor allem. Ich kann eine große Enttäuschung sein. Aber ich gebe guten Unterricht. Natürlich müssen die Leute immer ein paar Zugeständnisse machen, aber das bin ich wert.«
»Du solltest dich an das hier halten«, sagte MacKenna und hob sein Porter. »Der Whiskey bringt dich in Schwierigkeiten. Ich schreibe noch heute Nacht an Pat Dunphy und an Andrew MacGennis in Mullingar. Die reichen Counties brauchen Lehrer am dringendsten.«
»Das wäre nett«, sagte MacCarthy. »In ein oder zwei Wochen, wenn du bis dahin nichts gehört hast, gehe ich vielleicht in die Richtung und versuche mein Glück.«
»Das solltest du wirklich, Owen. Es wird mir leid tun, deine Gesellschaft zu verlieren, aber du solltest gehen.«
»Und wenn sie nun wirklich auf dem Meer sind, Sean? Als ich ein Junge in Kerry war und nur die Gedichte anderer Leute im Kopf hatte, ging ich oft an den Klippen entlang und blickte aufs Meer hinaus. Große Schiffe mit hohen Masten würden kommen, dachte ich, mit Segeln so breit wie Wolken.«
»Ach, die Engländer könnten fallen und die Franzosen erhoben werden, und du und ich würden immer noch unterrichten. Die Hütten wären noch genauso klein und die Kartoffeln genauso hart. Du solltest es besser wissen.«
»Wir beide haben gut reden«, erwiderte MacCarthy. »Du mit dem Laden, wir beide mit der Schule, und ich mit der Poesie. Aber was ist mit den Tausenden von armen Teufeln, die nie wissen, ob sie nicht morgen von ihrem Land verjagt werden, und die niemals diese Schenke von innen sehen, weil sie nicht die kleinste Kupfermünze aufbringen können?«
»Aber die Franzosen würden niemals tonnenweise Kupfermünzen für die Spalpeens von Connaught mitbringen. Sie würden Mord und Blutvergießen bringen. Und das kann ich nicht brauchen.«
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