III. Begriff und Funktion der Beweisverbote
Der Begriff Beweisverbote umfasst Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote. 25Erstere verbieten, sich Beweise über ein bestimmtes Thema mit gewissen Beweismitteln oder Beweismethoden zu verschaffen, beispielsweise den Einsatz verbotener Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO. Beweiserhebungsverbote untersagen die Verwertung von Erkenntnissen, die man durch eine Beweiserhebung oder auf andere Weise erhalten hat. Dabei ist zu beachten, dass ein Beweiserhebungsverbot immer dann ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht, wenn eine entsprechende gesetzliche Verbotsregelung besteht. So hat eine Wohnraumüberwachung, die unzulässigerweise in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingreift, zur Folge, dass die dadurch gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertbar sind (§ 100c V 3 StPO). Existiert ein gesetzliches Beweisverwertungsverbot nicht, folgt aus einem gesetzlichen Beweiserhebungsverbot, wie beispielsweise den Beschlagnahmeverboten nach § 97 StPO, keineswegs zwingend ein Beweisverwertungsverbot. Die Frage wird dann von der obergerichtlichen Rechtsprechung durch Auslegung im Sinne einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen beantwortet (sog. Abwägungslehre). 26Andererseits muss einem Beweisverwertungsverbot nicht zwingend ein Beweiserhebungsverbot vorausgehen. So hat der BGH in einem Strafverfahren wegen Meineids die Verwertbarkeit des durch einen Dritten den Strafverfolgungsbehörden übersandten Tagebuchs der Angeklagten abgelehnt. 27
Merke:
Aus dem beschriebenen Strengbeweisverfahren folgt, dass nur die zugelassenen Beweismittel, die in der zugelassenen Art und Weise eingesetzt wurden, die Grundlage der Entscheidung des Gerichts bilden. Insofern bedeuten die Beweisverbote eine Einschränkung der Wahrheitsfindung des Gerichts. Die Wahrheit soll zwar erforscht werden, aber nicht um jeden Preis. 28
Somit schränken die Beweiserhebungsverbote die Aufklärungspflicht des Gerichts ein, während die Beweisverwertungsverbote die Verarbeitung aller dem Gericht bekannten Informationen begrenzen. Der Richter darf daher sein vorhandenes Wissen nicht für die Entscheidungsfindung berücksichtigen, wenn dieses Wissen einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Im Extremfall kann das zu einem Freispruch führen, obwohl dem Richter die für eine Verurteilung notwendigen Tatsachen bekannt sind. Wurden beispielsweise bei einer aufgrund fehlender richterlicher Anordnung rechtswidrigen Wohnungsdurchsuchung Betäubungsmittel gefunden und liegen keine weiteren eine Verurteilung tragenden Beweise vor, muss der Angeklagte freigesprochen werden. 29Daher können Fehler in der polizeilichen Ermittlungsarbeit gravierende Folgen für den Ausgang des Hauptverfahrens haben.
2. Kapitel Hauptverhandlung und Verfahrensbeteiligte
Für den Polizeibeamten als Zeugen in der Hauptverhandlung ist es unerlässlich, die Stellung und Aufgaben des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten sowie die Grundsätze und den Ablauf der Hauptverhandlung in wesentlichen Grundzügen zu kennen. Dies ermöglicht dem Polizeibeamten, das Agieren der wichtigsten Verfahrensbeteiligten zu verstehen, seine eigene Rolle als Zeuge in der Hauptverhandlung besser einordnen und in der Folge sicherer auftreten zu können. Letztlich trägt dies auch dazu bei, durch bessere Rechtskenntnisse mögliche Vorbehalte gegenüber der Justiz nach dem Motto „Die Polizei fängt die Täter, die Justiz lässt sie laufen“ 30abzubauen.
Als Träger des Verfahrens nimmt das Gericht gegenüber den anderen am Verfahren Beteiligten eine Sonderstellung ein. Während Verteidiger, Nebenkläger und in der Praxis zumeist auch der Staatsanwalt für bzw. gegen den Beschuldigten Stellung beziehen, tritt der Richter demgegenüber als „Nichtbeteiligter“ auf. 31Das Gericht, dessen Richter gem. Art. 97 I GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind, agiert als Träger des Verfahrens insoweit „unbeteiligt“ und gewährt den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör (§ 33 StPO). 32
1. Aufklärungspflicht des Gerichts
Es ist Aufgabe des Gerichts, von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen, d. h. den Sachverhalt umfassend aufzuklären und alle dafür notwendigen Beweise zu erheben. Ziel des Strafverfahrens ist, herauszufinden, wie es wirklich gewesen ist (sog. materielle Wahrheit). Im Unterschied hierzu gelten beispielsweise im Zivilprozess alle von den Parteien (Kläger und Beklagter) als unstreitig behandelten oder zugestandenen Tatsachen als wahr (§ 138 III ZPO; sog. formelle Wahrheit). Hingegen muss die strafrechtliche Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren auf materiell wahrer Tatsachenfeststellung beruhen. Es gilt, die Tatsachen, die verfahrensrechtlich oder für die Schuldfrage sowie die Rechtsfolgenentscheidung erheblich sind, festzustellen. Das Gericht versucht insofern ein zeitlich zurückliegendes Geschehen mit Hilfe der zugelassenen Beweismittel zu rekonstruieren. Ob dies gelingt, hängt von der Qualität der Beweismittel ab.
Merke:
Da das Gericht, wie erläutert, an bestimmte Beweismittel gebunden ist, stellt dies stets nur einen Versuch dar, der Wahrheit möglichst nahezukommen. Insoweit ist sein Urteil auch nur „ein Wurf nach der Gerechtigkeit“ . 33
2. Organisation der Strafgerichtsbarkeit
Insbesondere im Hinblick auf das später zu erörternde Verteidigerverhalten in der Hauptverhandlung sind einige kurze Ausführungen zur Besetzung und sachlichen Zuständigkeit der Strafgerichte sowie zum Instanzenzug in Strafsachen erforderlich. Zu beachten ist dabei auch das Prinzip des gesetzlichen Richters.
a) Gesetzlicher Richter und Geschäftsverteilungsplan
Das Prinzip des gesetzlichen Richters (Art. 101 I 2 GG; § 16 Satz 2 GVG) bedeutet, dass ausschließlich durch Gesetz bestimmt werden darf und aufgrund eines Gesetzes von vornherein festgelegt werden muss, wer für zukünftige Strafrechtsfälle der zuständige Richter ist. 34Hierzu verteilt das Präsidium des Gerichts nach einem Geschäftsverteilungsplan (§§ 21a ff. GVG) für das jeweils kommende Geschäftsjahr die Richter auf die einzelnen Spruchkörper und weist nach generellen Kriterien wie Anfangsbuchstaben der Angeklagten, Gerichtsbezirken oder Straftaten die Sachen zu (§ 21e I GVG). 35Daran kann grundsätzlich nichts mehr geändert werden, 36so dass für einen Straftäter schon bei Begehung seiner Tat feststeht, wer der zuständige Richter sein wird.
b) Zuständigkeit und Besetzung in erster Instanz
In Strafsachen sind Eingangsgericht das Amtsgericht, Landgericht oder Oberlandesgericht, während der Bundesgerichtshof keine erstinstanzliche Zuständigkeit innehat.
Die amtsgerichtliche Zuständigkeit (§§ 24 ff. GVG) umfasst den Strafrichter und das Schöffengericht. Der Strafrichter ist als Einzelrichter für Privatklagedelikte (§ 374 I StPO) und Vergehen, bei denen die Straferwartung zwei Jahre nicht übersteigt, zuständig (§ 25 GVG). Bei Vergehen, die nicht in die Zuständigkeit des Strafrichters fallen, und bei Verbrechen, die nicht in die Zuständigkeit des Land- oder Oberlandesgerichts fallen oder im Einzelfall keine höhere Straferwartung als vier Jahre haben (§ 24 I Nr. 1 u. 2 GVG), ist das Schöffengericht zuständig. Dies besteht aus einem Berufs- und zwei ehrenamtlichen Laienrichtern (vgl. § 31 GVG), den sog. Schöffen (§ 29 I 1 GVG). Hieraus wird deutlich, dass die Alltagskriminalität vom Diebstahl über die gefährliche Körperverletzung bis zum (einfachen) Raub in der Regel vor dem Amtsgericht verhandelt wird.
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