Die Dromone hatte in der Regel drei Siphons (Feuerrohre): einen am Bug, zwei Siphons an den Flanken des Xylokastrons, eines hölzernen Kastells auf der Dromone, das sich entweder vorn am Bug oder am Mittelmast befand. Hier wurden im Gefecht Pfeilschützen, Speerwerfer, aber auch Katapult- und Siphongeschütze stationiert, die den Feind aus der Ferne unter Beschuss nahmen. Des Weiteren gab es eine Anzahl von kleinen Handsiphons für den Nahkampf. Die maximale Feuerweite der großen Siphons betrug 15 Meter bei den großen, und nur wenige Meter bei den kleinen Flammenwerfern.
Ooryphas hatte den Sarazenen eine Lektion erteilt, jedoch nicht alle Piraten vernichtet. Diese erholten sich schnell von der Niederlage und verlegten ihr Raubgebiet diesmal zur Peloponnes. Als Ooryphas hörte, dass die Kreter erneut in die Ägäis eingefallen waren, segelte er ihnen nach und ankerte in Kenchreai am Saronischen Meerbusen. Hier erreichte ihn eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Im Westen der Halbinsel hatten die Piraten Methone, Pylos, Patras und das Golfgebiet von Korinth überfallen.
Jetzt musste Niketas Ooryphas schnell handeln. Statt um die Peloponnes herumzusegeln, beschloss er, den Isthmus von Korinth auf dem Landweg an seiner engsten Stelle mit seiner Flotte zu überqueren. Hierfür wählte er einen alten Schiffskarrenweg aus, den Diolkos, der schon seit dem Altertum den Golf von Korinth mit dem Saronischen Golf verband. Dann ließ er seine Dromonen in den folgenden Tagen über die alten Rollberge zwischen dem Hafen Kenchreai nach Lechaion am Golf von Korinth schleppen. Auf diese Weise wurde Schiff um Schiff erst in Kenchreai entladen, dann auf die alte Schleppstraße gesetzt und von seinen Besatzungen über die Anhöhen der sieben Kilometer langen Strecke in den Golf gezogen, wo bei Lechaion die Schiffe wieder beladen wurden.
Es war ein gefährlicher Moment, da die Flotte praktisch schutzlos einem Überraschungsangriff ausgesetzt war. Doch das Manöver gelang, ohne dass die Piraten es bemerkten. Die Sarazenen hatten nämlich Wachen beim Kap Malea aufgestellt, da sie damit rechneten, dass Ooryphas sie zur See verfolgen würde. Damit hatten sie einen tödlichen Fehler begangen.
Als sich die Flotte Niketas’ im Golf gesammelt hatte, griff er die einzelnen Piratengeschwader an, bevor sie sich sammeln konnten. Was folgte, war ein kurzer Kampf. Mit seinen Feuerwerferdromonen verbrannte Ooryphas erst die Piratenschiffe, dann machte er ihre Besatzungen nieder.
Dabei fand der Piratenadmiral Photios, ein Renegat, den Tod. Der Teil der Sarazenen, der weiterkämpfte, wurde ertränkt und niedergemacht. Die anderen, denen die Flucht gelang, ließ Ooryphas erbarmungslos verfolgen. Noch bevor die sarazenischen Räuber in die nah gelegenen Berge entkommen konnten, wurden sie eingekesselt und gefangen. Was darauf folgte, zeigt die zu allen Zeiten gefürchtete Grausamkeit der Byzantiner.
In Erbitterung über die begangenen Gräueltaten hielt Niketas mehrere Tage ein furchtbares Strafgericht über die Sarazenen ab. Dabei starben insbesondere die vom christlichen Glauben Abgefallenen einen schrecklichen Tod.
»Einigen, vor allem denjenigen, welche ihren christlichen Glauben verleugnet hatten, zog er die Haut beim lebendigem Leib ab, indem er sagte, dass die Haut, die sie trugen, nicht ihre war. Anderen ließ er schmerzhaft die Haut vom Kopf bis Fuß in Streifen schneiden, andere wiederum ließ er von einem Balken an einem Seil herunterhängen und in Kessel mit siedendem Pech eintauchen, wobei er ihnen erklärte, dass Ihnen eine einzigartig schmerzvolle und bedrückende Taufe zuteil wurde ...« 39
Es war eine deutliche Lektion der Geschichte, dass Piratenjäger nicht nur für das Gute im Menschen standen.
Niketas Ooryphas hatte zwar gezeigt, dass er zu siegen verstand, doch das Ausmaß an Grausamkeit ließ seinem militärischen Triumph keinen Frieden folgen und schenkte den Bewohnern nicht mehr Sicherheit. Mit drakonischen Strafgerichten allein war die Seeräuberei nicht auszurotten.
Das Piratenemirat von Kreta blieb noch fast ein Jahrhundert eine ernste Gefahr für die griechische Seefahrt.
Im 10. Jahrhundert scheiterten allein drei Rückeroberungsversuche, trotz bester Planung. Die Unzugänglichkeit von Kandia und die schroffe wilde Bergwelt Kretas boten den Verteidigern mehr Vorteile als dem Angreifer. Doch noch gab es Hoffnung. Eine Prophezeiung hatte die Rückeroberung Kretas vorhergesagt und sollte sich erfüllen.
Im Jahr 960 landete den fantastischen Zahlen der Chronisten zufolge ein großes Heer von angeblich 1000 Dromonen, 2000 Chelandien und 300 Transportschiffen unter dem Oberbefehl von General Nikephoros II. Phokas auf Kreta. 40
Auch wenn diese Zahlen übertrieben sind, war die Landung auf Kreta eine der größten amphibischen Operationen der Militärgeschichte. Dies lag an der Umsicht von Nikephoros Phokas, der den Rang eines Militärgouverneurs im Wehrbereich Anatolien bekleidete. Der General hatte sich in mehreren Feldzügen ausgezeichnet und stammte aus einer alten Soldatenfamilie, die viele gute Heerführer hervorgebracht hatte.
Aber Nikephoros war nicht nur ein Kriegsmann, sondern zutiefst religiös und führte ein asketisches Leben. Persönlicher Reichtum und Sinneslust scherten Nikephoros Phokas wenig. Der Vegetarier schlief nicht im Bett, sondern auf hartem Boden und ließ sich auch nicht in amouröse Affären verwickeln. Er lebte nur für zwei Aufgaben: Gott und Byzanz.
Dies machte ihn nicht jedem sympathisch. Der Gesandte von Otto dem Großen, Liutprand von Cremona, beschrieb Nikephoros Phokas nach seiner ersten Begegnung mit ihm als »Menschen von ganz eigenartiger Gestalt, zwergenhaft, mit dickem Kopf und Äuglein wie ein Maulwurf, entstellt durch einen kurzen, breiten, dichten Bart, garstig durch einen zollangen Hals«. 41
Liutprands Urteil war hart. Aber zum Glück für Nikephoros Phokas brauchte sein Kaiser Romanos II. einen fähigen Feldherrn und keinen eleganten sowie geistreichen Höfling. Mit seinem General hatte Kaiser Romanos genau den richtigen Mann für sein Unternehmen gewählt. Nikephoros Phokas wusste, dass an diesem Unternehmen selbst die besten Generäle gescheitert waren. Da er außerdem ein pedantischer Mann war, bereitete er das Unternehmen akribisch vor.
Anlässlich der Landung auf Kreta ließ er Großdromonen mit hölzernen Kastellen mittschiffs und am Bug bauen, welche die normale Besatzung einer Dromone um 100 Mann übertrafen. Sie wurden mit Landestegen ausgerüstet, die es der schwer gepanzerten byzantinischen Phalanx und den Reitern ermöglichten, noch vom Wasser aus etwaige Verteidiger an Land zu überrennen.
Derartig umsichtig vorbereitet, wurde die Operation ein voller Erfolg. Obwohl die Sarazenen die Byzantiner kampfbereit an der Küste erwarteten, wurden sie erst bei der Landung und wenige Tage später in offener Feldschlacht erneut geschlagen. In den folgenden Wochen kämpfte Nikephoros große Teile der Insel frei, dann nahm er Kandia ins Visier, das er nach einer mehrmonatigen Belagerung endlich am 7. März 961 im Sturm eroberte. Es war ein lang ersehnter Triumph und er wurde gebührend gefeiert. Nach fast anderthalb Jahrhunderten hatte das Piratenemirat von Kreta aufgehört zu bestehen.
Es war in Blut geboren worden und ging in einem Massaker sondergleichen unter. Drei Tage wütete die Soldateska, ohne dass der Feldherr sie zur Besinnung bringen konnte, drei Tage hallten die Straßen von Kandia von den Schreckensschreien der Gequälten und Sterbenden wider. Dann hörte das Morden auf. Düsteres Schweigen legte sich über die Zwingburg der Piraten, die einst der Schrecken der Christenheit gewesen war.
Wie zu Roms besten Zeiten erhielt der Eroberer von Kreta einen Triumphzug in Konstantinopel, bei dem die siegreichen Schiffe und Truppen mit ihren Gefangenen endlos auf und ab paradierten. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Darstellung der Beute der Seeräuber, die ein beträchtliches Ausmaß hatte.
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