Jake Maendel räusperte sich und begann, indem er Mary als gute Christin lobte, die in einer guten hutterischen Familie aufgewachsen war. Der Reihe nach rühmten die anderen ihre Tugenden und betonten, wie pflichtbewusst, gastfreundlich und fleißig sie war. Als Marys andere Brüder erläuterten, dass Ronald ein Außenstehender war, der in Russland geboren wurde und keine hutterischen Eltern hatte, gab Ronald mit einem kurzen Nicken Sylvester Baer zu verstehen, für ihn Partei zu ergreifen. Erst nach mehrmaligem Nicken und einigen Rippenstößen sprang Sylvester mit weit aufgerissenen Augen auf die Beine. »Ich finde keine Worte!«, rief er, woraufhin alle in Lachen ausbrachen.
Im Obergeschoss war die Feier ohne den Bräutigam voll im Gange. Ronald war schon seit über zwei Stunden verschwunden, als einer der John-Deere-Jungen erschien, um sich noch ein Bier zu holen und Mary neckte, dass die Männer Ronald abgelehnt hatten und die Hochzeit abgesagt wurde. Als Elie Wipf dies hörte, setzte er sich auf Ronalds leeren Stuhl. Elies Freunde amüsierten sich über seinen Schneid, doch Mary, die aufgrund von Ronalds langem Ausbleiben verunsichert war, stand auf und verließ den Raum.
Unten fasste sich Jake Maendel und schusterte an Sylvesters Stelle ein paar positive Dinge über seinen künftigen Schwager zusammen, indem er darauf hinwies, dass er nicht übermäßig trank und bei der Arbeit zuverlässig war.
Später, in der Gemeinschaftsküche, bei Schinkenbrötchen und Kaffee, versuchte Ronald, die ungewöhnliche Hulba -Zusammenkunft, die bis Mitternacht gedauert hatte, herunterzuspielen. »Niemand wollte das Wort für dich ergreifen«, neckte er Mary. »Schließlich haben sie mir gesagt: ›Nun nimm sie schon!‹«
Als die Trauung sich dem Ende zuneigte, schloss Sam Kleinsasser sein schwarzes Gebetbuch und forderte den Bräutigam und dann die Braut auf, nach vorne zu kommen. Mary streckte ihre linke Hand dem Prediger entgegen und Ronald legte seine rechte Hand auf ihre, als sie sich versprachen, bis zu ihrem Tod treu zusammenzubleiben. Nach eineinhalb Stunden Stillsitzen machte sich Unruhe in den Reihen der Gemeinde breit und die meisten träumten inzwischen vom Mittagessen. Doch als Ronald aufgefordert wurde, das unwiderrufliche Gelübde zu sprechen, das von allen hutterischen Männern verlangt wurde, beugten sich alle aufmerksam nach vorne, um sein Versprechen zu hören: »Sollte ich am Glauben Schiffbruch erleiden, werde ich, Ronald, meine Frau und meine Kinder nicht auffordern, mit mir die Kolonie zu verlassen.« Es gab keinen Kuss, um das Gelübde zu besiegeln, und es wurden auch keine Ringe getauscht. Als Zeichen, dass er ein verheirateter Mann war, musste Ronald sich ab sofort einen Bart wachsen lassen.
In der Gemeinschaftsküche pendelte Sana Basel zwischen dem Suppenkessel auf der einen Seite und dem riesigen Bratrost auf der anderen Seite hin und her. Sie war gerne Oberköchin, eine der wenigen Führungspositionen, die in der Kolonie von Frauen eingenommen wurden. Heute war sie von der zusätzlichen Freude erfüllt, das Hochzeitsessen für ihre jüngste Schwester vorzubereiten. Sie tauchte einen großen, metallenen Schöpflöffel in den dampfenden Suppenkessel und probierte die siedende Rinderbrühe. Gehaltvolle Suppen waren ein Grundnahrungsmittel bei den Hutterern, und Nudelsuppe gab es vor allem an Sonntagen und religiösen Feiertagen sowie bei Beerdigungen und Hochzeiten. Am Anfang der Woche hatten die Frauen der Kolonie die Nudeln aus frischen Eiern und Mehl selbst hergestellt und auf langen, weißen Tüchern in der Bäckerei getrocknet.
Sana Basel fischte die gekochten Rinderstücke und die Fleischknochen aus der Brühe, legte sie in eine große Edelstahlschüssel und bedeckte das Fleisch mit einem Baumwolltuch, damit es warm blieb. »Da kommen die tüchtigen Esser aus Sturgeon Creek!«, neckte Sana Basel, als drei Frauen aus der Kolonie Sturgeon Creek ankamen, um beim Kochen für all die zusätzlichen Gäste zu helfen. Drei Zentnersäcke aus Sackleinen mit Kartoffeln waren aus dem Keller geholt worden und mussten geschrubbt und gekocht werden. Die Besucherinnen gesellten sich zu Sanas Helferinnen, die bereits begonnen hatten, das Gemüse in großen Becken vorzubereiten.
In einer anderen Ecke schnitten drei jüngere Frauen grüne Kohlköpfe, die im Sommer im Gemeindegarten angebaut worden waren. Mit erstaunlicher Genauigkeit hantierten die Dienen mit den scharfen Metzgermessern, doch als eine von ihnen sich versehentlich schnitt, zogen die anderen sie auf, sie habe Heiratsgedanken .
»Habe ich richtig gesehen? Hat ihre Schürze dieselbe Farbe wie ihr Kleid?«, fragte Ankela in die Runde, als sie die Küche betrat. Sie war gerade aus dem Gottesdienst gekommen und wusste nicht, ob sie ihrer schwachen Sehkraft vertrauen konnte. » Su'e narrischa neue Styles! – Solche verrückten neuen Moden! «, sprudelte es aus ihr heraus. »Ich kann nicht einmal sagen, ob sie überhaupt eine Schürze anhat.« Sie spülte ihr schlecht sitzendes Gebiss im Kartoffelwasser, bevor sie in den Speisesaal schlurfte. Die Schürze der Braut war bereits ein brisantes Gesprächsthema der Küchengehilfinnen. In der Gemeinschaft, in der im Allgemeinen eine einheitliche Kleiderordnung eingehalten wurde, waren die Schürzen lange Zeit eine Möglichkeit gewesen, einem gewissen persönlichen Gepräge Ausdruck zu geben, und junge Frauen tauschten manchmal ein hübsches Stück Stoff mit Freundinnen aus anderen Kolonien. Marys Schürze wurde von der Kartoffelfraktion, die für sich eine Vorreiterrolle in Sachen hutterischer Mode beanspruchte, einstimmig gebilligt.
Um halb zwölf war das Essen fertig. » Geh glöckel die Glucken !«, verkündete Sana Basel und zeigte auf eine der Frauen, die daraufhin das dicke Seil zog, das an einer alten Kirchenglocke am Küchendach befestigt war. Als die Glocke ertönte, brach gerade ein Sonnenstrahl durch die graue Wolkendecke und goss ein goldenes Licht auf die Kuh- und Schweineställe, die Maschinenhalle, das Henna Hüttel (Hühnerhaus), das Honighaus, die Kirche, die Küche, Ronalds kleine Behausung und die Reihenhäuser, die den Hintergrund der Kolonie New Rosedale bildeten. Ronald fühlte die Wärme der Sonne, als die Hochzeitsgesellschaft aus Sana Basels Haus trat, um zum Empfang zu gehen. Er hoffte, dass ihr Licht das Vorzeichen für eine bessere Zukunft war.
Das Paar betrat die Essenstuben , den Speisesaal, wo der Ehrentisch an der südlichen Wand aufgestellt war. Drei Meter lange Eichentische waren auf der östlichen und westlichen Seite aneinandergereiht und zwei zusätzliche Tischreihen wurden dazwischen gequetscht, um alle Gäste unterzubringen. Jeder Tisch war mit einem weißen Baumwolltischtuch bedeckt; auf ihnen stand bereits das Hochzeit G'schirr , besonderes weißes Geschirr mit grünen Rändern, das nur für Hochzeiten benutzt wurde.
Als die Gäste in die Essenstuben strömten, schlug ihnen der vielversprechende Duft eines besonderen Essens entgegen. An den Haken neben dem Eingang reihten sich schwarze Männerhüte. Auf den Holzbänken saßen bald Frauen, die sich darauf freuten, einen Tag lang mit Schwestern oder Freundinnen aus Kindheitstagen, die in andere Kolonien geheiratet hatten, und Neuankömmlingen zu plaudern und die neuesten Nachrichten über Geburten, Todesfälle und baldige Hochzeiten auszutauschen.
Ronald und Mary nahmen die beiden Plätze in der Mitte des Ehrentisches ein, wo ein einziges Gedeck das Sinnbild für ihre Einheit war. Dies war das einzige Mal in ihrem Eheleben, dass sie in der Essenstuben zusammensitzen durften. Zwei von Marys Schwestern, Anna und Katrina, saßen neben ihr. Sana Basel, die dritte Schwester, wurde in der Küche gebraucht. Ihr Kopf und ihre Hände waren mit den tausend Einzelheiten der Zubereitung eines Festessens für zweihundert Personen beschäftigt, doch ihr Herz weilte bei ihnen am Ehrentisch. Sorah Basel nahm ihre Stelle ein, glücklich für ihre Nichte, aber in Tränen, weil ihre eigene Tochter e Tegela ohne se Deckela war, ein Topf, der noch keinen Deckel gefunden hatte.
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