Dreh- und Angelpunkt des Konzepts ist ein Prozessmodell. Dieses bietet eine Struktur für die Gestaltung des professionellen Handelns, bei der die Komplexität in einem Fall in einzelnen Prozessschritten stets angemessen berücksichtigt und immer wieder auch so reduziert wird, dass sie handhabbar wird und keine wesentlichen Aspekte wegfallen. Es geht einerseits um den Prozess des Nachdenkens auf der Fachebene (d. h. einer Fachkraft allein, aber auch in einem Team und in der Kooperation mit anderen Professionen und Hilfesystemen) und andererseits um die Gestaltung eines Such- und Problemlösungsprozesses gemeinsam mit einem Klienten, allenfalls auch dem Klientensystem, manchmal auch mit einer Gruppe. Das methodenintegrative Lehrbuch zeigt auf, in welcher Weise – vor dem Hintergrund von Wissen aus der Sozialen Arbeit und relevanter Nachbarsdisziplinen sowie einem professionellen Selbstverständnis – methodisches Wissen, reflektiertes Erfahrungswissen und Kompetenzen gewinnbringend in einen Hilfeprozess eingebracht werden können.
Dazu haben wir den aktuellen Stand des Diskurses zu professionellem Handeln in der Sozialen Arbeit im deutschsprachigen Raum aufgearbeitet und aufgenommen (und bei jeder neuen Auflage auch wieder aktualisiert). So haben wir die erwähnte Vielfalt der Publikationen kritisch durchforstet und versucht, das Durcheinander der Begrifflichkeiten und Zugänge zu lichten und einen Überblick zu schaffen. Wir wählten dabei Methoden aus, die wir als relevant erachten und die grundsätzlich auf jeden Kontext der Sozialen Arbeit bezogen werden können. Eine besondere Bedeutung messen wird jenen Methoden zu, die dazu dienen, einen Fall zu analysieren und die Fallthematik herauszuarbeiten oder zu erklären und zu verstehen, was schwierig ist für Klienten, welches die Hintergründe und Entstehungsbedingungen für eine Problematik sein können. Leitgedanke bildet dabei nach Dilthey, dass Fallverstehen einen hermeneutischen Zugang erfordert (vgl. Müller 2017:17). Dazu haben wir selbst die Diagnosemethode ›Theoriegeleitetes Fallverstehen‹ entwickelt, die es erlaubt, unter Bezug von theoretisch fundierten Erklärungszugängen Zusammenhänge zwischen theorie- und empiriebasiertem Wissen und dem Fall herzustellen. Dabei wird – so hoffen wir – erkennbar, dass die Relationierung von Theorie und Praxis als höchst spannender Prozess verstanden werden kann, der bei einer systematischen Vorgehensweise einen Beitrag leistet zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit.
Entsprechend freuen wir uns, dass Thimm 2020 (:19) feststellt: »Immerhin ist die Literaturgrundlage zum Hilfethema sehr zufriedenstellend«, und dabei u. a. auf unser Lehrbuch verweist, es den Studierenden zur Anschaffung empfiehlt (neben Schwabe 2019 und Schwing/Fryszer 2013) und auch immer wieder darauf Bezug nimmt. Wenn Rosch (2017) in seinem praxisbezogenen Leitfaden für die Mandatsführung im Kindes- und Erwachsenenschutz immer wieder Wissensbausteine aus unserem Konzept einfügt, so deuten wir dies als Hinweis für die Praxistauglichkeit unseres Konzepts.
Der Hauptzweck dieses Lehrbuchs besteht darin, dass es für Professionelle der Sozialen Arbeit, für Studierende wie für Praktikerinnen ein nützliches Studien- und Handbuch, ein übersichtliches Nachschlagewerk darstellt. Dazu sollen die wichtigsten Grundlagen professionellen Handelns (wie z. B. Wissensbasis, Strukturmerkmale, Kooperation, Professionsethik), das Konzept Kooperative Prozessgestaltung und ausgewählte Methoden entlang einer Prozessstruktur in übersichtlicher und verständlicher Weise dargestellt werden. Nützliches Buch für das Studium meint, dass sich kapitelweise damit arbeiten lässt, und dass es eine Vielfalt an methodischen Zugängen aufweist, die für Studierende einen breiten Orientierungsrahmen bieten. Nachschlagewerk soll bedeuten, dass es gut strukturiert und gegliedert ist, dass auf der Basis der wichtigsten Wissensbestände der Sozialen Arbeit entlang des Prozessmodells die einzelnen Prozessschritte in ihrer Bedeutung und mit den jeweils relevantesten Methoden sowie methodischen Standards dargestellt sind und sich Literaturhinweise zur Vertiefung finden. Sinn macht ein Lehrbuch vor allem dann, wenn darin geblättert, nachgeschlagen, nachgelesen werden kann und es immer wieder etwas neu zu entdecken gilt. So kann man z. B. über einen längeren Zeitraum hinweg auf eine bestimmte Analysemethode setzen und eines Tages herausfinden, dass diese doch nicht immer zum erwünschten Resultat führt. Durch eine vertiefte Auseinandersetzung mit anderen Methoden kann sich plötzlich ein Weg auftun, den man vorher gar nie bemerkt hat. Das Lehrbuch soll eine Fundgrube darstellen, in der zu stöbern es sich lohnt.
Nach dieser Einleitung werden in einem ersten Teil die Grundlagen der Profession und Disziplin der Sozialen Arbeit vorgestellt, die den Rahmen für professionelles Handeln bilden. Dabei werden zunächst Gegenstand, Auftrag und Praxisfelder der Sozialen Arbeit dargelegt. Durch die Skizzierung der professionstheoretischen Basis soll ein weiterer wichtiger Zugang zum Thema professionelles Handeln geschaffen werden. Ausgehend von der Skizzierung des professionstheoretischen Diskurses werden die Strukturmerkmale professionellen Handelns im Einzelnen erörtert, die für die Gestaltung von Unterstützungsprozessen leitend sind (wie z. B. äußerst geringe Standardisierbarkeit professionellen Handelns, Koproduktion). Da sich professionelles Handeln im gesellschaftlichen Kontext abspielt, ist eine Auseinandersetzung mit den professionsethischen Grundlagen (wie z. B. Menschenbild oder Care-Ethik) ebenso notwendig wie das Aufzeichnen der rechtlichen Aspekte. Den Menschenrechten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Ein weiteres Grundlagenkapitel befasst sich mit der Kooperationsthematik. Die Rahmenbedingungen der Kooperation auf Klientenebene werden aufgezeigt und unterschiedliche Konzepte von Arbeitsbeziehungen vorgestellt. Außerdem werden Formen und Bedeutung der Kooperation auf Fachebene beschrieben. Im letzten Grundlagenteil werden methodische Aspekte des professionellen Handelns erläutert und Fragen der Methodisierbarkeit diskutiert. Schließlich wird nach einer Klärung des Kompetenzbegriffs dargelegt, über welche Kompetenzen Professionelle verfügen müssen und auf welcher Grundhaltung sich ihr Handeln abstützen soll.
Vor dieser Hintergrundfolie wird in einem zweiten Teil das Prozessmodell vorgestellt, das den Kern des Konzepts darstellt. Dieses unterscheidet zwei Phasen und sieben Prozessschritte: die analytisch-diagnostische Phase – zu der Situationserfassung, Analyse, Diagnose und später Evaluation gehören – sowie die Handlungsphase mit den Prozessschritten Zielsetzung, Interventionsplanung und Interventionsdurchführung. Jedem dieser Prozessschritte ist ein Kapitel gewidmet. Zunächst wird jeweils die Bedeutung und Aufgabe des Prozessschrittes herausgearbeitet und der Stand des Fachdiskurses nachgezeichnet, anschließend werden ausgewählte Methoden oder methodische Hilfsmittel und Instrumente beschrieben und dabei auch methodische Standards erläutert. Die vorgestellten Methoden werden abschließend einer kriteriengeleiteten Reflexion unterzogen, die sich auf die im ersten Teil erarbeiteten Erkenntnisse bezieht. Dabei wird beispielsweise geprüft, inwiefern sich eine vorgestellte Methode für den Such- und Veränderungsprozess gemeinsam mit Klientinnen eignet, und/oder für den Prozess des Nachdenkens und Handelns auf der Fachebene, ob sie die grundlegenden Zielsetzungen Sozialer Arbeit unterstützt, ob sie sich für alle Praxisfelder eignet etc.. Abschließend erfolgt in einer Übersicht eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse eines Kapitels.
Mit dem Lehrbuch liegt nun unser Entwurf eines generalistischen, methodenintegrativen, auf Kooperation ausgerichteten Konzepts für die Gestaltung des professionellen Handelns vor.
Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich bedanken: Vor allem bei all unseren Studierenden für ihre kritischen Fragen zu professionellem Handeln und für weiterführende Anregungen, die wir während vieler Jahren in der Lehre erhalten haben, und die das Projekt dieses Lehrbuches vorangetrieben haben. Unseren Kolleginnen, die gemeinsam mit uns das Konzept Kooperative Prozessgestaltung im Bachelor Studium an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz lehren, möchten wir für die kontinuierlichen anregenden fachlichen Diskussionen danken, ebenso den Kollegen im Schwerpunkt ›Diagnostik und Prozessgestaltung‹ des Instituts für Professionsforschung und -entwicklung, die uns immer wieder zu einem lebendigen Diskurs zu Sozialer Diagnostik und zu methodischem Handeln in der Sozialen Arbeit herausfordern. Die Rückmeldungen von Studierenden, von Kollegen und von Praktikerinnen haben dazu geführt, dass manche Passagen in der nächsten Auflage jeweils klarer herausgearbeitet sind. Ein besonderer Dank gilt Raphaela Sprenger, die das Lehrbuch von Beginn an begleitet und durch ihre sorgfältige Lektüre unterstützt hat, in zahlreichen Entwicklungsprojekten mit Praxisorganisationen unseren Diskurs angeregt hat und an der Überarbeitung des Lehrbuchs für diese neuste, fünfte Auflage nun auch aktiv mitgeschrieben hat. Herzlich bedanken möchten wir uns auch bei Urs Amiet, der als Grafiker unsere Überlegungen zu Abbildungen immer wieder vorzüglich umzusetzen weiß.
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