Torhal stand hinter Erik. Seine dunklen, scharfen Augen beobachteten jede einzelne Bewegung in der Menge, und auch er war bereit.
Während Erik sprach, hatte er sich aufgerichtet. Er hatte Ulfs Hand auf dem Schaft bemerkt. Er selbst hatte langsam seine Hand auf das Messer gelegt. Als sein Vater wieder das Wort ergriff, stand Erik immer noch da und ließ seine Finger über die anziehende Lederscheide gleiten.
- Keiner hat dir dein Erbe in Jæren weggenommen. Du kannst dort frei deinen Fuß darauf setzen, sofern du deine Füße dorthin bringen kannst. Und wenn du dich mit Harald Graufell und seinen Brüdern einigst. Wie du dich dem auch stellst, dein größtes Erbe wird doch immer noch deine Abstammung sein.
Torvald hatte seinen Tonfall verändert und eine Andeutung von Lächeln lag in seinen Augen.
- Und du, der eine so große Begabung zur Wildheit hat, und der sogar einen Hund getötet hat, du wirst es gewiss bei dem Aufeinandertreffen mit den norwegischen Jarlen verstehen, alles wieder in Ordnung zu bringen. Beruhig dich jetzt, Junge! Lass uns in Ruhe darüber reden, wie du Unterweisung und Zucht erlangen kannst.
Erik glühte vor Aufregung.
Er spürte, wie das Geschehen die gesamte Menge erfasste und wie sein Vater mit wenigen Worten das Wohlwollen des ganzen Frühjahrs hinweggefegt hatte. Eine breite Mauer des Widerstands richtete sich vor ihm auf und hinter ihm stand nur noch Torhal. Der Schmerz über die Verhöhnung war dennoch größer als seine Furcht. Zudem war er seit Langem ohne das Wohlwollen seines Vaters zurechtgekommen.
- Wenn das die Aufgabe sein sollte, die Jarle zurückzudrängen, mag dies vielleicht einem anderen von Axt-Torers Nachkommen gelingen.
Torvald legte seinen Kopf mit einem breiten Lächeln in den Nacken.
- Du bist wahrhaftig nicht ängstlich in deiner Wortwahl, Erik. Gewiss nicht. Schön wäre es, wenn du Arme hättest, die das in die Tat umsetzen könnten.
Dann senkte er wieder seinen Kopf und ein unfreundlicher Blick traf Erik.
- So zähm doch deine Zunge, Junge. Halt den Mund von Dingen, von denen du nichts verstehst und verlang nicht von mir, dass ich dir an diesem schönen Tag beibringen soll, wie die Fratze einer Flucht aussieht. Ich gebe dir die Möglichkeit, unter vier Augen zu sprechen, und wenn du das nicht annimmst, jage ich dich persönlich vom Hof.
Erik war besiegt. Und er wusste das.
Er wollte irgendetwas tun, mit seinem Vater gleichziehen, doch er wollte nicht sein Gesicht verlieren. Sein Kopf schmerzte vor lauter Gedanken, und sein Blut pochte heftig in ihm. Dann spürte er Torhals Hand auf seiner Schulter. Sie wollte nicht trösten, sondern ihn zurückhalten. Erik ließ sich jedoch nicht aufhalten. Diesmal nicht. Er schüttelte seine Schulter in solch einer heftigen Bewegung, dass er einen Schritt in Richtung seines Vaters taumelte.
- Die Flucht lerne ich vielleicht heute nicht kennen, aber ihre Fratze kenne ich seit Langem. Was ich heute lerne ist, wer mein Vater ist und was er seinem Sohn zutraut. Wenn der Preis für diese Unterweisung ein Aufeinandertreffen mit den Jarlen in Norwegen ist, soll es das sein, was ich bezahlen werde.
Jetzt entstand ein Augenblick, in dem alle Geräusche verstummten und sich eine nervöse Anspannung in der Stille ausbreitete. Eriks Worte waren verklungen, doch sie waren in einen Entschluss gemündet, der nicht mehr zu ändern war.
- Aber genau das ist der Preis, Erik. Und den wirst du bezahlen müssen. Ich will, dass du dir rasch ein Schiff nach Norwegen suchst und dort Jæren und die Söhne von Erik aufsuchst. Ich will, dass du in der Begegnung mit ihnen das Wesen deiner Vorväter entdeckst. Und ich will, dass du ein großes Blutopfer für diese Sache durchführst, und ich verspreche dir, dass alle Beute, die du von Harald Graufell und seinen Brüdern erringst, dir gehören wird.
Daraufhin sagte er nichts mehr an diesem Tag. Er drehte sich um und schritt durch die Menge, um sich hinauf zu seiner Wohnstätte zu begeben. Er hatte mit Nachdruck gesprochen, was man an seinem Rücken sehen konnte.
Als Torvald den Platz verlassen hatte, löste sich die Ansammlung auf. Ulf war wieder dabei, alle anzutreiben. Er war, wie die meisten anderen auch, immer noch von dem deutlichen Wortwechsel erhitzt, aber gleichzeitig erleichtert darüber, dass er nicht mehr länger gezwungen war, ihm beizuwohnen. Nun konnte er handeln, und bereits am Abend suchte er Erik auf. Gemeinsam mit Torhal und Kol war Erik dabei, unterhalb des Abhangs einen weiteren Verschlag für das Vieh zu errichten. Sie schwankten unter der Last der schweren Steine, als Ulf sie unterbrach und Erik zur Seite zog.
- Erik, es wurde ein viel zu trüber Tag.
In den Worten des Verwalters lag ein Versuch von Vertraulichkeit. Er sprach unsicher und leise.
- Heute hat sich ein schwereres Schicksal, als wir es verdient haben, auf uns gelegt. Dein Vater möchte dich nach Norwegen schicken mit einem Anliegen, für dessen Bewältigung du nicht die Kraft besitzt. Kommt es, wie er gesagt hat, schickt er dich in den Tod. Und wenn das geschieht, wird er das nie verwinden. Bleibst du hier, endet das auch mit dem Tod. Erst für dich, und dann für ihn.
Eriks Gesicht wurde schmal. Er spannte seine Lippen über den zusammengebissenen Zähnen an.
- Und weshalb schüttest du all deine Gedanken über mich aus?
- Wenn dies dein Tod bedeutet, worauf vieles hindeutet, wird es auch der deines Vaters. Aber es wird dann ein langsamer Tod auf dem Stroh. Es wird ein siechender und schmachvoller Tod, der kaum als eines Feiglings würdig erachtet werden würde. Und mein Gewicht hängt von dem deines Vaters ab. Steht die Waagschale oben, habe ich auch kein Gewicht. Neigt sich die Schale nach unten, komme ich mit. Und so wird es übrigens auch mit allen anderen hier passieren.
- Du schließt die Möglichkeit aus, dass ich bei meinem Vorhaben siegen könnte. Dass ich den Hof in Jæren zurückgewinnen und damit die Ehre unserer Familie wiederherstellen könnte.
Erik war dem Verwalter gegenüber misstrauisch. Er konnte die Vernunft aus den Worten heraushören, wusste aber nicht, was der Verwalter damit bezwecken wollte. Daher verhielt er sich schweigsam und hochmütig. Ulf fuhr indessen unverdrossen fort.
- Dann sei doch nicht so störrisch. Sieh doch ein, dass ich um dein Wohl besorgt bin. Sicherlich, auch um meins. Ich sage dir, dass es für dich eine kopflose Handlung sein wird, es mit den Söhnen von Erik aufzunehmen, denn die beiden sind nun einmal fest aneinander gebunden. Es sind arglistige und kräftige Leute, die nicht nur aufgrund ihrer Worte viele hinter sich haben.
- Wenn es mein Schicksal sein soll, mich gegen sie zu stellen, wie wirst du mich dann aufhalten wollen?
- Ich wünschte, Erik, du würdest in Norwegen umgehend Jarl Håkon aufsuchen. Ich möchte dir raten, dass du, soweit wie möglich, die Tochter des Dänenkönigs, Gunhild Gormsdottir, meidest. Sie ist schlau und hinterlistig. Es wird gesagt, dass ihre Fähigkeiten weit über dem Gewöhnlichen eines Menschen liegen. Ihre Söhne springen auf ihren kleinsten Wink hin, und es heißt, dass ihre Söhne schwer landen.
Ulf schaute Erik prüfend an und seufzte.
- Und Erik, ich wünschte, du würdest mit deinem Vater sprechen, bevor du abfährst.
- Halte ich nicht das Versprechen, was ich heute gab, wird es unmöglich sein, hierher zurückzukehren. Das weißt du genauso gut wie ich, Ulf!
- Ich weiß es. Daher sage ich dir ja auch, dass das Schicksal schwerer ist, als wir es verdienen. Und daher bitte ich dich, dass du zuerst Jarl Håkon aufsuchst.
- Warum flüsterst du mit mir über Jarl Håkon?
- Wenn dein Vater erfährt, dass der Name zwischen uns erwähnt wurde, ist das mein Tod. Jarl Håkon hat mit deinem Vater keine offene Rechnung zu begleichen, aber er lachte ihn aus wegen seines fehlenden Verlangens, zum Thing zu ziehen und sich für die gerechtfertigte Ermordung der zwei zweifelhaften Sendboten von Gunhild zu verteidigen. Dieses Auslachen verzeiht ihm dein Vater nie.
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