Yan Hui war Konfuzius’ Lieblingsschüler, Sima Biao datiert sein Todesjahr in das 15. Jahr der Regentschaft von Lu Ai (reg. 494–468 v. u. Z.) (Chai, S. 123).
Yan Hui sprach: »Ich weiß nicht mehr weiter. Darf ich dich nach einer Methode fragen?«
Konfuzius antwortete: »Faste, und ich werde es dir sagen! Wenn du sie verstanden hast, glaubst du, wird es leicht sein, sie umzusetzen? Wer es leichtnimmt, findet unterm strahlenden Himmel keine Anerkennung.«
Yan Hui erwiderte: »Meine Familie ist arm, ich trinke keinen Wein und esse seit ein paar Monaten kein Fleisch. Lässt sich das als Fasten ansehen?«
Konfuzius erwiderte: »Dies entspricht dem rituellen Fasten beim Ahnenkult, nicht dem Fasten des Herz-Geistes.«
Hui Yan fragte: »Darf ich fragen, was Fasten des Herz-Geistes ist?«
Konfuzius sprach: »Beschränke deinen Willen auf eines, höre nicht mit den Ohren, höre mit dem Herz-Geist, höre nicht mit dem Herz-Geist, höre mit dem Atem. Beschränke das Hören auf die Ohren, beschränke den Herz-Geist auf das Erkennen der Zeichen. Atme frei und harre der Dinge. Das Dao lässt sich sammeln nur im Zustand der Leere. Der Zustand der Leere, das ist Fasten des Herz-Geistes.«
Yan Hui sprach: »Diesen Rat habe ich nicht angenommen und befolgt, solange ich mir selbst sicher war, wer ich wirklich bin; seit ich ihn annehme und befolge, weiß ich nicht einmal, ob es mich überhaupt gibt. Kann das als ›Zustand der Leere‹ bezeichnet werden?«
Konfuzius sprach: »Genau so ist es. Und jetzt sage ich es dir! Du kannst eintreten [ins Königreich Wei] und die Grenze passieren, aber nicht getrieben von Ruhmsucht; wenn du eingelassen wirst, äußere deine Ansichten; wenn du nicht eingelassen wirst, lass es sein. Findest du keinen Einlass, versuche es nicht mit Gewalt; bleibe eins mit dir selbst und freunde dich an mit dem, was du nicht erreichst – dann bist du nahe am Ziel. Seine Spuren zu verwischen, ist leicht; schwer ist es, sich zu bewegen, ohne die Erde zu berühren. Wer sich an Menschen orientiert, ist leicht zu täuschen; wer sich an der Natur orientiert, ist schwer zu täuschen. Du weißt, dass, wer Flügel hat, fliegen kann; aber du hast noch nie gehört, dass es ohne Flügel gelingt zu fliegen; du weißt, dass, wer Verständnis hat, etwas versteht; du hast noch nie gehört, dass es gelingt, ohne Verständnis etwas zu verstehen.
Siehst du jene Öffnung da oben, durch sie fällt Licht ins leere Zimmer; das höchste Glück besteht im Innehalten, Innehalten. Wer nicht innehält, von dem heißt es, er galoppiere, während er sitzt. Richte Ohren und Augen nach innen, kehre Herz-Geist und Wissen nach außen – Geister und Götter werden kommen, dein Haus zu bevölkern, und erst recht die Menschen! Auf diese Weise wandeln sich die zahllosen Lebewesen; [die Könige] Yu und Shun waren daran gebunden, Fu Xi und Ji Qu hielten sich daran bis ans Ende – um wie viel wichtiger ist es für die übrigen Menschen.«
Yegong Zigao (Graf Hochwohlgeboren von Ye) wurde auf eine Dienstreise nach Qi geschickt und fragte Konfuzius: »Der König schickt mich in einer wichtigen Angelegenheit, Qi wird mich würdevoll empfangen, sich aber zu nichts drängen lassen. Wenn sich ein einfacher Mann nicht bewegen lässt, um wie viel weniger der Fürst! Mir bangt sehr davor. Meister, du hast oft zu mir gesagt: ›In jeglichen Angelegenheiten, ob klein oder groß, hast du ohne das Dao nur wenig Freude und Erfolg. Bringst du die Angelegenheit nicht zum Erfolg, gerätst du in Schwierigkeiten mit den Menschen; bringst du die Angelegenheit zum Erfolg, gibt es Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht von Yin und Yang. Erfolg oder Misserfolg zu haben, ohne in Schwierigkeiten zu geraten – nur wer Anstand hat, kann das.‹ Gewöhnlich esse ich einfache Kost, an meinem Herd verlangt niemand nach Kühlung. Heute Morgen erhielt ich den Reiseauftrag, und am Abend schon trinke ich eiskaltes Wasser – ist mir innerlich so heiß zumute? Ich habe noch nicht mal begonnen, mich der Sache zu widmen, da geraten Yin und Yang schon aus dem Gleichgewicht; bringe ich die Angelegenheit nicht zum Erfolg, gerate ich in Schwierigkeiten mit den Menschen. In beiden Fällen werde ich meinem Auftrag nicht gerecht – hast du, Meister, einen Rat für mich?«
Konfuzius antwortete: »Unterm Himmel gibt es zwei große Gebote: zum einen die natürlich gegebene Bestimmung, zum anderen die Verpflichtung. Dass Kinder ihre Eltern lieben, ist ihre natürlich gegebene Bestimmung, dies kann im Herz-Geist nicht ausgelöscht werden; dem Herrscher zu dienen, ist eine Pflicht, ihr nicht zu folgen, duldet kein Herrscher, es gibt keinen Ort zwischen Himmel und Erde, ihr zu entfliehen. Dies wird als großes Gebot bezeichnet. Daher: Wer sich um seine Eltern kümmert, verlässt sie nicht und ist zufrieden damit – das heißt vollendete Kindespflicht; wer dem Herrscher dient, lässt ihn nicht im Stich und ist zufrieden damit – das heißt vollkommene Ergebenheit; wer sich um seinen eigenen Herz-Geist kümmert, der lässt sich durch Freude oder Trauer nicht schon im Vorhinein beirren, er weiß, woran sich nichts ändern lässt, und ist zufrieden mit dem natürlich Gegebenen – das heißt vollendete Wirkkraft. Als Diener und als Kind hast du keine andere Wahl, als die Dinge anzunehmen, dich nach ihnen zu richten und die eigene Person zurückzustellen – welche Freiheit hast du dann, dich des Lebens zu freuen und den Tod zu fürchten? Mein Lieber, richte dich danach, und es wird gelingen!
Lass mich wiedergeben, was ich gehört habe: In allen Beziehungen gilt: Ist man sich nah, benötigt man, um miteinander auszukommen, Vertrauen; ist man voneinander entfernt, bedarf es, um guten Willen zu zeigen, der Worte; Worte brauchen jemanden, der sie übermittelt. Beiden Seiten die passenden Worte zu übermitteln, seien sie froh oder ärgerlich – nichts unterm Himmel ist schwieriger. Sind beide erfreut, mündet das oft in Lobhudelei; sind beide verärgert, schäumt oft der Hass über. Jede Übertreibung ist verrückt, Verrücktem kann niemand vertrauen; wenn das geschieht, ist der Übermittler der Worte in Gefahr. Daher heißt es in den Regeln der Rhetorik : ›Wer einfach die Tatsachen übermittelt und nicht mit Worten übertreibt, bleibt unversehrt.‹
Und weiterhin: Geübte Ringkämpfer beginnen oft gerecht (Yang) und enden gemein (Yin), je weiter sie voranschreiten, desto übler werden die Hinterlistigkeiten; Trinkgelage beginnen oft manierlich und enden im Chaos; je weiter sie voranschreiten, desto schriller wird das Lachen. In all diesen Dingen ist es dasselbe: Was mit Sorgfalt begonnen wird, endet in Grobheit; was sich anfangs einfach handhaben lässt, wird am Ende kompliziert. Wer spricht, kann eine Welle der Erregung hervorrufen; wer handelt, kann den Bezug zur Wirklichkeit verlieren. Eine Welle der Erregung versetzt die Dinge leicht in Bewegung; wer den Bezug zur Wirklichkeit verliert, gerät leicht in Gefahr. Daher ruft es Zorn hervor, wenn es keine andere Begründung als schlaue Worte und einseitige Erklärungen gibt.
Wenn wilde Tiere sterben, suchen sie sich nicht aus, wie sie schreien; ihr Atem keucht auf, und zugleich erwacht in ihrem Herz-Geist noch einmal die Kampflust. Geht die Missachtung zu weit, dann wächst im Herz-Geist des anderen der Wunsch nach Vergeltung, doch er versteht nicht, warum. Wenn er nicht versteht, warum, wer weiß, wie das mit ihm endet? Daher heißt es in den Regeln der Rhetorik : ›Erteile keine Befehle, erzwinge keinen Erfolg.‹ Wer Grenzen überschreitet, gerät in Schwierigkeiten. Das Erteilen von Befehlen und das Erzwingen von Erfolg sind gefährlich; damit Gutes entsteht, braucht es Zeit; Übles lässt sich später nicht mehr ändern – wie kannst du es an Sorgfalt missen lassen? Lass dich von den Dingen tragen und den Herz-Geist umherschweifen, richte dich im Ungenügenden ein und nähre die Mitte – das ist Vollkommenheit. Was solltest du als deine Aufgabe betrachten? Nichts, als deiner natürlich gegebenen Bestimmung zu folgen – das ist das Schwierige.«
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